Zum Inhalt springen

Kurs:Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022)/Vorlesung 27

Aus Wikiversity



Modulfunktionen

Wir erinnern an die Modulsubstitution, also an die Gruppenoperation der speziellen linearen Gruppe auf der oberen Halbebene durch

Ein Punkt legt das Gitter und damit den komplexen Torus bzw. die zugehörige elliptische Kurve fest. Wir interessieren uns für Funktionen , die mit der Gruppenoperation (in einem gewissen Sinne) verträglich sind. Wegen der angegebenen Bedeutung eines Punktes der oberen Halbebene sollte man solche Funktionen stets auch so interpretieren, dass sie komplexen Tori bzw. elliptischen Kurven einen Wert zuweisen.


Es sei . Eine meromorphe Funktion auf der oberen Halbebene heißt schwach modular vom Gewicht , wenn

für alle

gilt, wobei durch Modulsubstitution auf operiert.

Explizit bedeutet die Bedingung, dass

für alle gilt. Ein direktes Korollar aus Satz 9.2 ist die folgende Aussage.


Es sei eine meromorphe Funktion auf der oberen Halbebene .

Dann ist genau dann schwach modular vom Gewicht , wenn sie die beiden Bedingungen und für alle erfüllt.

Beweis

Siehe Aufgabe 26.1.

Wir betrachten die komplexe Exponentialfunktion auf der oberen Halbebene in der Form

Das Bild dieser Abbildung ist die punktierte offene Einheitskreisscheibe . Mit

gilt ja

und wegen ist . Es gilt die Periodizitätsbedingung

für . Wenn man den Wertebereich auf einschränkt, so erhält man eine holomorphe Überlagerung. Die Geraden parallel zur -Achse werden zu Kreisen aufgewickelt, wobei die Geraden nah an der Achse auf einen Kreis nah an der Einheitssphäre abgebildet werden und die fernen Geraden auf kleine Kreise um den Nullpunkt. Die Halbgeraden parallel zur -Achse werden auf eine offene Radiusstrecke abgebildet.

Wenn eine Funktion ist, die die Periodizitätsbedingung zu erfüllt, so gibt es eine Faktorisierung von über die Exponentialabbildung

mit einer eindeutig bestimmten Funktion

Dabei ist genau dann holomorph oder meromorph, wenn holomorph oder meromorph auf der punktierten Kreisscheibe ist. Man bezeichnet in dieser Situation die Variable der komplexen Zahlen rechts oben oft mit und hat dann die Beziehung , . Diesen Übergang kann man insbesondere für eine schwache Modulfunktion machen, für die es somit eine meromorphe Funktion

gibt, die wegen der Modularitätsbedingung noch weitere Bedingungen erfüllen muss. Dabei ist es für eine natürliche Frage, ob man sie in den Nullpunkt hinein sinnvoll meromorph oder holomorph fortsetzen kann.


Es sei eine meromorphe Funktion, die die Periodizität für alle erfüllt und sei

die zugehörige Funktion auf der punktierten Einheitskreisscheibe. Man sagt, dass meromorph im Unendlichen ist, wenn sich meromorph in den Nullpunkt fortsetzen lässt.


Es sei eine meromorphe Funktion, die die Periodizität für alle erfüllt und sei

die zugehörige Funktion auf der punktierten Einheitskreisscheibe. Man sagt, dass holomorph im Unendlichen ist, wenn sich holomorph in den Nullpunkt fortsetzen lässt.

In diesem Fall setzt man . Im Fall der meromorphen Fortsetzbarkeit von im Nullpunkt liegt dort eine Laurent-Entwicklung der Form

vor, wobei im holomorphen Fall ist. Es ist dann und die nennt man auch Fourierkoeffizienten von .


Es sei . Eine meromorphe Funktion auf der oberen Halbebene heißt Modulfunktion vom Gewicht , wenn

für alle

gilt und wenn meromorph in ist.

Es handelt sich also einfach um eine schwache Modulfunktion, die zusätzlich meromorph im Unendlichen ist.


Eine Modulfunktion auf der oberen Halbebene vom Gewicht heißt Modulform, wenn sie holomorph in und holomorph in ist.



Die -te Eisenstein-Reihe

zu

ist eine Modulform vom Gewicht .

Die Funktionalgleichung folgt aus

wobei die vorletzte Gleichung darauf beruht, dass

stets eine eindeutige Lösung besitzt. Die Holomorphie beruht aus Sätzen der Funktionentheorie.


Wir erinnern an die Festlegungen aus der zwölften Vorlesung, geschrieben in der Variablen , , , die Diskriminante und die - Invariante .


Die - Invariante ist eine Modulfunktion vom Gewicht , die auf holomorph und im Unendlichen einen einfachen Pol besitzt.



Kongruenzuntergruppen

Wir möchten eine Reihe von Untergruppen der speziellen linearen Gruppe einführen, die durch gewisse modulare Bedingungen charakterisiert sind und Kongruenzuntergruppen heißen. Es sei eine natürliche Zahl fixiert. Zunächst induziert der Ringhomomorphismus einen Gruppenhomomorphismus

bei dem einfach sämtliche Einträge modulo genommen werden. Da die Matrizenmultiplikation und die Determinante durch polynomiale Ausdrücke gegeben sind, folgt direkt, dass dies ein wohldefinierter Gruppenhomomorphismus ist.


Es sei . Die Untergruppe

heißt Hauptkongruenzgruppe zur Stufe .

Es geht also einfach um die Matrizen, deren Diagonalelemente modulo zu und deren Nebendiagonalelemente modulo zu werden. Als Kern eines Gruppenhomomorphismus handelt es sich um eine Untergruppe und um einen Normalteiler. Da die Bildgruppe bei endlich ist und die spezielle lineare Gruppe unendlich, ist unendlich. Beispielsweise ist .

Wir interessieren uns nun für Untergruppen

wovon es bei gegebenem endlich viele gibt. Solche Untergruppen nennt man Kongruenzuntergruppen. Neben der Hauptkongruenzgruppe erwähnen wir die folgenden.


Es sei . Die Untergruppe

heißt Hecke-Kongruenzgruppe zur Stufe .


Zu setzt man

Es ist

Bei ist beispielsweise , , aber , , aber . Ferner ist .



Kongruenzuntergruppen und Torsion

Eine reelle Basis von legt ein Gitter und einen komplexen Torus fest, siehe Satz 8.6, wobei der komplexe Torus nur vom Gitter, nicht aber von den Erzeugern abhängt. Wir besprechen eine Sichtweise, in der eine Teilinformation, die in den Erzeugern drinsteckt, beibehalten wird und die die Rolle der Kongruenzuntergruppen erläutert. Dazu fixieren wir eine positive natürliche Zahl . Die Erzeuger werden unter der kanonischen Abbildung auf das neutrale Element des Torus abgebildet. Die Punkte und werden unter der kanonischen Abbildung auf - Torsionspunkte des komplexen Torus abgebildet. Wegen Lemma 18.1 ist und diese Elemente werden durch , , repräsentiert. D.h. die Erzeuger definieren in kanonischer Weise eine Basis des - Moduls . Wenn eine Primzahl ist, so handelt es sich um eine Basis eines zweidimensionalen Vektorraumes. In diesem Sinne liefert ein (geordnetes) Erzeugendensystem eines Gitters einen Datensatz bestehend aus einem komplexen Torus (bzw. der zugehörigen elliptischen Kurve) und einem (geordneten) Punktepaar , das ein Erzeugendensystem für die -Torsion ist. Nach Korollar 8.5 definieren zwei reelle Basen das gleiche Gitter, wenn sie durch eine ganzzahlige invertierbare Matrix ineinander überführt werden können. Dabei wird aber nicht nur die Basis selbst, sondern im Allgemeinen auch die durch die Basis definierte -Torsionsbasis verändert. Da es aber nur endlich viele -Torsionsbasen gibt, gibt es wiederum eine Vielzahl an ganzzahligen invertierbaren Matrizen, die eine -Torsionsbasis in sich selbst überführen. Wir beschränken uns auf die spezielle lineare Gruppe, wo sich ein direkter Zusammenhang zu den Hauptkongruenzgruppen ergibt.



Es sei eine positive natürliche Zahl. Es sei und sei eine reelle Basis von mit dem zugehörigen Gitter und dem zugehörigen komplexen Torus .

Dann definieren und die durch transformierte Basis genau dann die gleiche -Torsionsbasis von , wenn zur Hauptkongruenzgruppe gehört.

Es sei

Die transformierte Basis ist und . In gelten dann die Beziehungen

und

Dies ist eine Identität im -Modul

daher können wir die Zahlen modulo nehmen. Die Gleichheit der Basen bedeutet dann einfach, dass modulo die Gleichheiten und vorliegen. Dies bedeutet .


Zu einer Streckung mit sind und verschiedene Gitter, es gibt aber nach Lemma 9.11 einen kanonischen Isomorphismus

Eine Gitterbasis wird auf die Gitterbasis abgebildet und die zugehörige -Torsionsbasis des komplexen Torus wird auf die entsprechende Torsionsbasis abgebildet.

Zu besteht der Datensatz aus dem komplexen Torus und der -Torsionsbasis . Für die Wirkungsweise der Hauptkongruenzgruppe auf durch Modulsubstitution gilt Lemma 27.12 entsprechend. Man beachte, dass die Beziehung nach Lemma 9.6 bedeutet, dass und streckungsäquivalent sind, nicht, dass sie gleich sind. Insbesondere dürfen die beiden nicht miteinander identifiziert werden.

Auch für die Wirkungsweise von und auf Gittern gibt es ähnliche Interpretationen, die auf Torsionseigenschaften des Torus Bezug nehmen, siehe Aufgabe 27.16 und Aufgabe 27.17.


<< | Kurs:Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)