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Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil I/Vorlesung 6/kontrolle

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Vektorräume
Die Addition von zwei Pfeilen und , ein typisches Beispiel für Vektoren.

Der zentrale Begriff der linearen Algebra ist der Vektorraum.


Es sei ein Körper und eine Menge mit einem ausgezeichneten Element und mit zwei Abbildungen

und

Dann nennt man einen Vektorraum (oder einen Vektorraum über ), wenn die folgenden Axiome erfüllt sind[1] (dabei seien und beliebig) [2]

  1. ,
  2. ,
  3. ,
  4. Zu jedem gibt es ein mit ,
  5. ,
  6. ,
  7. ,
  8. .

Die Verknüpfung in nennt man (Vektor)-Addition und die Operation nennt man Skalarmultiplikation. Die Elemente in einem Vektorraum nennt man Vektoren, und die Elemente heißen Skalare. Das Nullelement wird auch als Nullvektor bezeichnet, und zu heißt das inverse Element das Negative zu und wird mit bezeichnet. Wie in Ringen gilt wieder Punktrechnung vor Strichrechnung, d.h. die Skalarmultiplikation bindet stärker als die Vektoraddition.

Den Körper, der im Vektorraumbegriff vorausgesetzt ist, nennt man auch den Grundkörper. Alle Begriffe der linearen Algebra beziehen sich auf einen solchen Grundkörper, er darf also nie vergessen werden, auch wenn er manchmal nicht explizit aufgeführt wird. Bei spricht man von reellen Vektorräumen und bei von komplexen Vektorräumen. Bei reellen und komplexen Vektorräumen gibt es zusätzliche Strukturen wie Längen, Winkel, Skalarprodukt. Zunächst entwickeln wir aber die algebraische Theorie der Vektorräume über einem beliebigen Körper.



Es sei ein Körper und . Dann ist die Produktmenge

mit der komponentenweisen Addition und der durch

definierten Skalarmultiplikation ein Vektorraum. Man nennt ihn den -dimensionalen Standardraum. Insbesondere ist selbst ein Vektorraum.


Der Nullraum , der aus dem einzigen Element besteht, ist ebenfalls ein Vektorraum. Man kann ihn auch als auffassen.

Die Vektoren im Standardraum kann man als Zeilenvektoren
oder als Spaltenvektoren

schreiben. Der Vektor

wobei die an der -ten Stelle steht, heißt -ter Standardvektor.


Es sei eine „Ebene“ mit einem fixierten „Ursprungspunkt“ . Wir identifizieren einen Punkt mit dem Verbindungsvektor . In dieser Situation kann man ein anschauliche koordinatenfreie Vektoraddition und eine koordinatenfreie Skalarmultiplikation einführen. Zwei Vektoren und werden miteinander addiert, indem man das Parallelogramm zu diesen beiden Vektoren konstruiert. Das Ergebnis der Addition ist die Ecke des Parallelogramms, das gegenüberliegt. Bei der Konstruktion muss man die zu parallele Gerade durch und die zu parallele Gerade durch zeichnen. Der Schnittpunkt dieser beiden Geraden ist der gesuchte Punkt. Eine entsprechende Vorstellung ist, dass man den Vektor parallel verschiebt und an „anlegt“, d.h. dass man den Startpunkt des einen Pfeiles an den Endpunkt des anderen anheftet.

Für die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar muss dieser als ein Punkt auf einer Geraden gegeben sein, auf der darüber hinaus ein Nullpunkt und eine Eins fixiert sind. Wie diese Gerade in der Ebene liegt, ist zunächst gleichgültig. Man bewegt die Gerade (dabei darf man verschieben und auch drehen) so, dass der Nullpunkt auf zu liegen kommt und vermeidet, dass die Gerade deckungsgleich zu der von erzeugten Geraden - nennen wir sie - wird. Nun verbindet man und mit einer Geraden und zeichnet dazu die zu parallele Gerade durch . Der Schnittpunkt von und ist .

Diese Überlegungen kann man auch höherdimensional anstellen, wobei sich allerdings das Wesentliche in der von den beiden beteiligten Vektoren (bzw. Geraden) erzeugten Ebene abspielt.



Die komplexen Zahlen bilden einen Körper und daher bilden sie einen Vektorraum über sich selbst. Andererseits sind die komplexen Zahlen als additive Struktur gleich . Die Multiplikation einer komplexen Zahl mit einer reellen Zahl geschieht komponentenweise, d.h. diese Multiplikation stimmt mit der skalaren Multiplikation auf überein. Daher sind die komplexen Zahlen auch ein reeller Vektorraum. Unter Verwendung einer späteren Terminologie kann man sagen, dass ein eindimensionaler komplexer Vektorraum ist und dass ein zweidimensionaler reeller Vektorraum ist mit der reellen Basis und .



Zu einem Körper und gegebenen natürlichen Zahlen bildet die Menge

der -Matrizen mit komponentenweiser Addition und komponentenweiser Skalarmultiplikation einen - Vektorraum. Das Nullelement in diesem Vektorraum ist die Nullmatrix


Polynome werden wir später einführen, sie sind vermutlich aus der Schule bekannt.


Es sei der Polynomring in einer Variablen über dem Körper , der aus sämtlichen Polynomen, also Ausdrücken der Form

mit besteht. Mit (komponentenweiser) Addition und der ebenfalls komponentenweisen Multiplikation mit einem Skalar (was man auch als die Multiplikation mit dem konstanten Polynom auffassen kann) ist der Polynomring ein - Vektorraum.



Wir betrachten die Inklusion der rationalen Zahlen in den reellen Zahlen. Mit der reellen Addition und mit der Multiplikation von rationalen Zahlen mit reellen Zahlen ist ein - Vektorraum, wie direkt aus den Körperaxiomen folgt. Dies ist ein ziemlich unübersichtlicher Vektorraum.



Es sei ein Körper und es sei eine Menge. Wir betrachten die Menge der Funktionen von nach , also

Diese Menge ist mit komponentenweiser Addition, bei der also die Summe von zwei Funktionen und durch

erklärt wird, und mit der durch

definierten Skalarmultiplikation ein Vektorraum.




Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann gelten die folgenden Eigenschaften (dabei sei und ).

  1. Es ist . [3]
  2. Es ist .
  3. Es ist .
  4. Aus und folgt .

Beweis

Siehe Aufgabe 6.17.




Untervektorräume

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Eine Teilmenge heißt Untervektorraum, wenn die folgenden Eigenschaften gelten.

  1. .
  2. Mit ist auch .
  3. Mit und ist auch .

Auf einen solchen Untervektorraum kann man die Addition und die skalare Multiplikation einschränken. Daher ist ein Untervektorraum selbst ein Vektorraum, siehe Aufgabe 6.5. Die einfachsten Untervektorräume in einem Vektorraum sind der Nullraum und der gesamte Vektorraum .



Lemma Lemma 6.11 ändern

Es sei ein Körper und

ein homogenes lineares Gleichungssystem über .

Dann ist die Menge aller Lösungen des Gleichungssystems ein Untervektorraum des (mit komponentenweiser Addition und Skalarmultiplikation).

Beweis

Siehe Aufgabe 6.3.


Man spricht daher auch vom Lösungsraum des Gleichungssystems. Insbesondere ist die Summe von zwei Lösungen eines linearen Gleichungssystems wieder eine Lösung. Die Lösungsmenge eines inhomogenen Gleichungssystems ist kein Vektorraum. Man kann aber, wie in Korollar 5.13 gezeigt, zu einer Lösung eines inhomogenen Gleichungssystems eine Lösung des zugehörigen homogenen Gleichungssystems hinzuaddieren und erhält wieder eine Lösung des inhomogenen Gleichungssystems.


Wir knüpfen an die homogene Version von Beispiel 5.1 an, d.h. wir betrachten das homogene lineare Gleichungssystem

über . Aufgrund von Lemma 6.11 ist die Lösungsmenge ein Untervektorraum von . Wir haben ihn in Beispiel 5.1 explizit als

beschrieben, woraus ebenfalls erkennbar ist, dass dieser Lösungsraum ein Vektorraum ist. In dieser Schreibweise wird klar, dass in Bijektion zu steht, und zwar respektiert diese Bijektion sowohl die Addition als auch die Skalarmultiplikation (die Lösungsmenge des inhomogenen Systems steht ebenfalls in Bijektion zu , allerdings gibt es keine sinnvolle Addition und Skalarmultiplikation auf ). Allerdings hängt diese Bijektion wesentlich von den gewählten „Basislösungen“ und ab, die von der gewählten Eliminationsreihenfolge abhängen. Es gibt für andere gleichberechtigte Basislösungen.


An diesem Beispiel kann man sich Folgendes klar machen: Der Lösungsraum eines linearen Gleichungssystems über ist „in natürlicher Weise“, d.h. unabhängig von jeder Auswahl, ein Untervektorraum des (wenn die Anzahl der Variablen ist). Der Lösungsraum kann auch stets in eine „lineare Bijektion“ (eine „Isomorphie“) mit einem () gebracht werden, doch gibt es dafür keine natürliche Wahl. Dies ist einer der Hauptgründe dafür, mit dem abstrakten Vektorraumbegriff zu arbeiten anstatt lediglich mit dem .



Erzeugendensysteme

Die Lösungsmenge eines homogenen linearen Gleichungssystems in Variablen über einem Körper ist ein Untervektorraum des . Häufig wird dieser Lösungsraum durch die Menge aller „Linearkombinationen“ von endlich vielen (besonders einfachen) Lösungen beschrieben. In dieser und der nächsten Vorlesung entwickeln wir die dazu notwendigen Begriffe.

Die von zwei Vektoren und erzeugte Ebene besteht aus allen Linearkombinationen .

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Es sei eine Familie von Vektoren in . Dann heißt der Vektor

eine Linearkombination dieser Vektoren (zum Koeffiziententupel ).

Zwei unterschiedliche Koeffiziententupel können denselben Vektor definieren.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann heißt eine Familie , , ein Erzeugendensystem von , wenn man jeden Vektor als

mit einer endlichen Teilfamilie und mit darstellen kann.

Im bilden die Standardvektoren , , ein Erzeugendensystem. Im Polynomring bilden die Potenzen , , ein (unendliches) Erzeugendensystem.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Zu einer Familie , , setzt man

und nennt dies den von der Familie erzeugten oder aufgespannten Untervektorraum.

Der von der leeren Menge erzeugte Unterraum ist der Nullraum.[4] Dieser wird ebenso von der erzeugt. Zu einem einzigen Vektor besteht der aufgespannte Raum aus . Bei ist dies eine Gerade, was wir im Rahmen der Dimensionstheorie noch präzisieren werden. Bei zwei Vektoren und hängt die „Gestalt“ des aufgespannten Raumes davon ab, wie die beiden Vektoren sich zueinander verhalten. Wenn sie beide auf einer Geraden liegen, d.h. wenn gilt, so ist überflüssig und der von den beiden Vektoren erzeugte Unterraum stimmt mit dem von erzeugten Unterraum überein. Wenn dies nicht der Fall ist (und und nicht sind), so erzeugen die beiden Vektoren eine „Ebene“.

Wir fassen einige einfache Eigenschaften für Erzeugendensysteme und Unterräume zusammen.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Es sei , , eine Familie von Untervektorräumen. Dann ist auch der Durchschnitt[5]

    ein Untervektorraum.

  2. Zu einer Familie , , von Elementen in ist der erzeugte Untervektorraum ein Untervektorraum[6] von .
  3. Die Familie , , ist genau dann ein Erzeugendensystem von , wenn

    ist.

Beweis

Siehe Aufgabe 6.16.




Fußnoten
  1. Die ersten vier Axiome, die unabhängig von sind, bedeuten, dass eine kommutative Gruppe ist.
  2. Auch für Vektorräume gilt die Klammerkonvention, dass Punktrechnung stärker bindet als Strichrechnung.
  3. Man mache sich hier und im Folgenden klar, wann die in und wann sie in zu verstehen ist.
  4. Dies kann man als Definition nehmen oder aber aus der Definition ableiten, wenn man die Konvention berücksichtigt, dass die leere Summe gleich ist.
  5. Der Durchschnitt zu einer beliebigen Indexmenge und einer durch indizierten Familie , , von Teilmengen einer festen Obermenge besteht aus allen Elementen aus , die in allen Mengen enthalten sind.
  6. In der Bezeichnung „erzeugter Untervektorraum“ wurde diese Eigenschaft schon vorweg genommen.