Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Vorlesung 74
- Folgerungen aus dem Satz von Fubini
Wir wollen das Integral der Funktion
über dem Rechteck mit dem Satz von Fubini ausrechnen. Dies führt auf
Es seien und - endliche Maßräume und es seien und integrierbare Funktionen.
Dann ist auch die Funktion
integrierbar und es gilt
Wir nehmen zuerst und als nichtnegativ an. Dann gilt nach Satz 73.10
Für beliebige integrierbare Funktionen folgt daraus, angewendet auf die Betragsfunktionen, zunächst die Integrierbarkeit des Produkts und daraus mit derselben Rechnung die Formel.
- Dichten
Die bisher bewiesenen Eigenschaften des Integrals erlauben es, ausgehend von einem Maß und einer integrierbaren Funktion neue Maße zu definieren.
Es sei ein Maßraum und es sei
eine nichtnegative messbare Funktion. Dann nennt man das für jede messbare Teilmenge durch
definierte Maß auf das Maß zur Dichte . Es wird mit bezeichnet.
Die Vorstellung, die hinter einer Dichte liegt und zu dem Namen geführt hat, ist die physikalische Dichte eines Körpers. Zu einem Körper im Raum berechnet das Borel-Lebesgue-Maß das Volumen. Wenn man aber an der Masse dieses Körpers interessiert ist, so reicht die Kenntnis des Volumens nicht aus, es sei denn, der Körper ist homogen und besitzt überall eine konstante Dichte. In diesem Fall ist die Masse proportional zum Volumen. Bei einem nicht homogenen Körper hingegen muss man wissen, wie sich die Masse auf dem Körper verteilt. Eine solche Massenverteilung wird durch eine Dichtefunktion beschrieben, die jedem Punkt des Körpers die „infinitesimale Dichte“ in diesem Punkt zuordnet. Die Gesamtmasse ergibt sich dann durch Integration dieser Dichte bezüglich des Volumenmaßes.
- Nullmengen unter differenzierbaren Abbildungen
Wir beginnen nun mit den Vorbereitungen zum Beweis der Transformationsformel.
Es sei offen und sei
eine Lipschitz-stetige Abbildung. Es sei eine Nullmenge.
Dann ist auch eine Nullmenge.
Es gelte
mit einer Lipschitz-Konstanten . Zunächst ist für jeden Würfel
mit der Kantenlänge das Bild in einem Ball mit einem Radius enthalten. Daher gibt es ein (von unabhängiges) mit
Da eine messbare Nullmenge ist, gibt es aufgrund der Konstruktion des Borel-Lebesgue-Maßes über das äußere Maß zu jedem eine abzählbare Überpflasterung
mit Quadern und mit
Daher gilt und somit
Da man beliebig klein wählen kann, muss eine Nullmenge sein.
Es sei offen und sei
eine stetig differenzierbare Abbildung. Es sei eine Nullmenge.
Dann ist auch eine Nullmenge.
Nach (einem Spezialfall von) Lemma 52.10 ist lokal Lipschitz-stetig. Die Nullmenge kann man abzählbar überdecken mit offenen Mengen, worauf Lipschitz-stetig ist. Die Aussage folgt dann aus Lemma 74.5.
- Die Transformationsformel für Quader
Es seien und offene Mengen im und es sei
ein - Diffeomorphismus mit der Jacobi-Determinante
für . Es sei ein kompakter achsenparalleler Quader.
Dann gelten die Abschätzungen
Wir setzen
. Wir beweisen zuerst die Abschätzung nach oben. Wir schreiben
mit einem
und wir müssen
zeigen.
Wir konstruieren induktiv eine Folge von abgeschlossenen achsenparallelen Teilquadern
, ,
mit der Eigenschaft
. Für den Induktionsschluss von auf betrachten wir sämtliche Teilquader von mit halbierter Kantenlänge. Würden diese Teilquader alle die Ungleichung
erfüllen, so ergebe sich durch Aufsummieren sofort ein Widerspruch zur Induktionsvoraussetzung
(wegen
Korollar 74.6
sind die Ränder der Quader unerheblich).
Es gibt also mindestens einen Quader
mit
.
Diese Quaderschachtelung definiert in jeder Komponente eine
Intervallschachtelung
und damit nach
Satz 8.12
einen Punkt
.
Wegen der Translationsinvarianz des Borel-Lebesgue-Maßes können wir
und
annehmen. Es sei
das
totale Differential.
Da in
differenzierbar
ist, gilt
mit einer in stetigen Abbildung , die dort den Limes besitzt. Die lineare Approximation
bildet jeden Quader auf ein Parallelotop ab, das nach Satz 68.2 das Maß besitzt. Wir wollen mit für einen geeigneten Quader vergleichen. Da ein Diffeomorphismus vorliegt, ist ein Isomorphismus und daher gibt es ein mit für alle . Somit gibt es wegen der Stetigkeit von zu jedem ein mit
für alle mit . Es sei , , ein Quader. Für ist
D.h. dass in dem Parallelotop liegt, das aus durch Streckung mit dem Streckungsfaktor entsteht. Damit gilt
Wir nehmen an, dass gilt. Dann kann man auch ein mit finden. Wir nehmen ein derart, dass die oben beschriebene Eigenschaft bezüglich diesem besitzt. Für hinreichend groß kann man dann die obige Überlegung auf die Quader anwenden und erhält
kompakte Mengen gilt. Zu jedem gibt es eine abzählbare Überpflasterung mit achsenparallelen Quadern , , von mit
Durch Beschränkung der Kantenlängen der kann man weiter erreichen, dass alle in einer größeren ebenfalls kompakten Menge liegen. Wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von auf , die auf Satz 22.11 beruht, kann man zu gegebenem die so wählen, dass gilt. Damit ergibt sich
Da
und
beliebig klein gewählt werden können, gilt diese Abschätzung auch ohne
und .
Wir wenden nun die Abschätzung nach oben auf die Umkehrabbildung und
an. Als Bild einer kompakten Menge ist nach
Satz 22.4
wieder kompakt. Dabei gilt
aufgrund des Determinantenmultiplikationssatzes
die Beziehung
mit . Dies ergibt
Daraus ergibt sich
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