Zum Inhalt springen

Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 21/kontrolle

Aus Wikiversity



Čech-Kohomologie

Für die Garbe der holomorphen Funktionen auf einer riemannschen Fläche haben wir die kurzen exakten Sequenzen

und

(siehe Satz 16.14 und Lemma 18.12) kennen gelernt. Im ersten Fall werden die holomorphen Funktionen in die reell-differenzierbaren Funktionen und im zweiten Fall in die meromorphen Funktionen eingebettet. In beiden Fällen ist die globale Auswertung im Allgemeinen hinten nicht surjektiv. Diese globale Nichtsurjektivität wollen wir systematisch verstehen. Es stellt sich heraus, dass in beiden Fällen die Nichtsurjektivität durch eine einzige Gruppe gemessen wird, die nur von der Strukturgarbe abhängt, nämlich durch die sogenannte erste Kohomologiegruppe .

Eine wesentliche Idee dazu kann man sich folgendermaßen klar machen. Es sei

eine kurze exakte Sequenz von Garben von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum . Die globale Auswertung

ist exakt, wobei die hintere Abbildung im Allgemeinen nicht surjektiv ist. Es sei . Aufgrund der Garbensurjektivität gibt es eine offene Überdeckung

und Schnitte , die auf abbilden. Die Differenzen sind somit Schnitte von über , die auf in abbilden und daher zu gehören. Wir erhalten also eine Familie , die allein auf die Garbe und auf die Zweierdurchschnitte der Überdeckung Bezug nimmt. Ferner gilt auf den Dreierdurchschnitten die sogenannte Kozykelbeziehung

Dabei handelt es sich um einen ersten Čech-Kozykel in .

Wir entwicklen die zugehörigen Begrifflichkeiten.

Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes . Für eine endliche Teilmenge setzen wir . Für ist . Für eine Garbe von kommutativen Gruppen auf betrachtet man die Auswertungen zu den verschiedenen , und zu gehören die Restriktionen . Für ein Element schreiben wir dann abkürzend

und oft häufig einfach . Wir fixieren eine Wohlordnung auf (man braucht hauptsächlich den Fall für endliches ). Damit können wir nun Čech-Koketten, Čech-Ableitungen, Čech-Kozykel, Čech-Koränder, den Čech-Komplex und die Čech-Kohomologie definieren, die ein wichtiges Werkzeug zur Berechnung von Garbenkohomologien ist.


Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Unter einer -ten Čech-Kokette versteht man ein Element

wobei bezeichnet.

Die Menge der -ten Čech-Koketten bildet mit der komponentenweisen Addition, wobei eine Komponente durch eine Teilmenge gegeben ist, eine kommutative Gruppe. Für ist speziell

für ist

und für ist

Bei ist

Wenn ist, so ist die Indexmenge zu leer und dieser Term ist einfach . Ebenso setzt man für negatives die Kokettengruppe gleich .

Die Koketten zu verschieden werden durch die Čech-Ableitung miteinander in Beziehung gesetzt.


Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes mit einer wohlgeordneten Indexmenge und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Zu nennt man den Gruppenhomomorphismus

zwischen den Gruppen der Čech-Koketten, der durch

gegeben ist, wobei man gemäß der Ordnung auf schreibt, die -te Čech-Ableitung (zur Garbe und zur Überdeckung).

Die verschiedenen Kokettengruppen und die Ableitungen fasst man zum Čech-Komplex

zusammen (zur Garbe und zur Überdeckung ). Bei einer Überdeckung aus zwei offenen Mengen und ist der Komplex gleich

wobei auf abgebildet wird, und bei einer Überdeckung aus drei offenen Mengen und ist der Komplex gleich

Zum Verständnis der Homomorphismen ist es schon in diesen Fällen sinnvoll, mit den durchnummerierten Bezeichnungen zu arbeiten. Die erste Abbildung ist

und die zweite Abbildung ist


Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Eine -te Čech-Kokette heißt ein -ter Čech-Kozykel (zur Überdeckung und zur Garbe ), wenn sie zum Kern der Čech-Ableitung

gehört. Die Gruppe der -ten Čech-Kozykel wird mit bezeichnet.


Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Eine -te Čech-Kokette heißt ein -ter Čech-Korand (zur Überdeckung und zur Garbe ), wenn sie zum Bild der Čech-Ableitung

gehört. Die Gruppe der -ten Čech-Koränder wird mit bezeichnet.



Der Čech-Komplex

ist in der Tat ein Komplex.

Beweis

Siehe Aufgabe 21.3.


Für eine Überdeckung

mit drei offenen Teilmengen und geht es um die Gesamtabbildung

Um nachzuweisen, dass die Hintereinanderschaltung die Nullabbildung ist, kann man sich auf einen Schnitt der Form beschränken (die anderen Komponenten seien also gleich ). Dieses Element wird auf abgebildet, und dieses wiederum auf , also auf .


Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Zu definiert man die -te Čech-Kohomologie als die -te Homologie des Čech-Komplexes .

Es ist also

Wie bei jeder Homologie zu einem Komplex geht es also um die Restklassengruppe aus dem Kern modulo dem Bild an einer jeden Stelle des Komplexes. Das zu einem Čech-Kozykel gehörige Element in der -ten Čech-Kohomologie nennt man auch Čech-Kohomologieklasse. Die nullte Čech-Kohomologiegruppe ist einfach gleich , wie direkt aus der Garbeneigenschaft folgt, siehe Aufgabe 21.1.


Beispiel  Beispiel 21.7 ändern

Wir betrachten auf dem Kreis die Überdeckung mit zwei offenen (zu reellen Intervallen homöomorphen) Kreissegmenten , deren Durchschnitt die disjunkte Vereinigung von zwei Intervallen ist. Es sei eine diskrete topologische Gruppe und die Garbe der stetigen also lokal konstanten -wertigen Funktionen auf dem Kreis. Auf bzw. und ebenso auf sind die lokal-konstanten Funktionen konstant. Auf hingegen ist eine lokal konstante Funktion dadurch gegeben, dass auf und davon unabhängig auf ein konstanter Wert vorgegeben ist. Der relevante Čech-Komplex ist daher

wobei auf (auf beiden Zusammenhangskomponenten) abgebildet wird. Dabei werden genau die lokal konstanten Funktionen auf erreicht, die konstant sind. Die erste Čech-Kohomologie ist daher .



Wir betrachten auf der zweidimensionalen Sphäre die Überdeckung mit zwei offenen (zu offenen Kreisscheiben homöomorphen) überlappenden Schalen , deren Durchschnitt homöomorph zum Produkt mit einem offenen Intervall ist. Es sei eine diskrete topologische Gruppe und die Garbe der stetigen also lokal konstanten -wertigen Funktionen auf der Sphäre. Auf bzw. und ebenso auf sind die lokal-konstanten Funktionen konstant. Der relevante Čech-Komplex ist daher

wobei auf abgebildet wird. Diese Abbildung ist surjektiv. Die erste Čech-Kohomologie ist daher .



Wir betrachten auf dem Kreis die Überdeckung mit zwei offenen (zu reellen Intervallen homöomorphen) Kreissegmenten , deren Durchschnitt die disjunkte Vereinigung von zwei Intervallen ist. Es sei die Garbe der stetigen -wertigen Funktionen auf dem Kreis. Eine stetige Funktion auf ist durch eine stetige Funktion auf und durch eine davon unabhängige stetige Funktion auf gegeben. Wir betrachten im Anschluss an Beispiel 21.7 eine lokal konstante Funktion, die auf den Wert und auf den Wert besitzt und eine nichttriviale Kohomologieklasse in definiert, wobei links die Garbe der lokal konstanten reellwertigen Funktionen bezeichnet. In der größeren Garbe ist die entsprechende Kohomologieklasse aber trivial, da man auf eine stetige Funktion finden kann, die auf den Wert und auf den Wert besitzt und dazwischen (beispielsweise linear) interpoliert. Zusammen mit der Nullfunktion auf erhält man ein Urbild, der den Kozykel als Korand nachweist.


In Satz 25.4 wird gezeigt, dass in der vorstehenden Situation die erste Kohomologiegruppe zu und zu jeder Überdeckung gleich ist.


Beispiel  Beispiel 21.10 ändern

Es sei eine riemannsche Fläche und eine invertierbare Garbe auf . Dies bedeutet, dass es eine offene Überdeckung und Trivialisierungen

gibt. Für offene Mengen ergeben sich auf die Übergangsabbildungen

Diese Isomorphien sind durch Multiplikationen mit holomorphen Einheiten gegeben. Da die Daten von der einen invertierbaren Garbe herrühren, gilt dabei die Kozykelbedingung , was man auch als schreiben kann. Es liegt also ein Čech-Kozykel in der Garbe der holomorphen Einheiten vor. Ein solcher Datensatz legt umgekehrt durch eine Verklebung eine invertierbare Garbe fest.

Wenn die invertierbare Garbe trivial ist, so gibt es einen globalen - Modulisomorphismus . Dann liegen auf den die Isomorphismen

vor, die insgesamt durch Einheiten festgelegt sind. Für diese gilt die Beziehung

für alle . Wenn umgekehrt solche realisierende Einheiten gegeben sind, so werden durch

Modulisomorphismen von nach auf festgelegt, die verträglich sind und daher einen globalen Isomorphismus zwischen und festlegen. Eine invertierbare Garbe mit Trivialisierungen auf kann man also mit dem Datensatz , der die Kozykelbedingung erfüllt, identifizieren, wobei ein solcher Datensatz als trivial anzusehen ist, wenn es Einheiten mit

gibt. Diese Situation kann man insgesamt durch den Komplex

ausdrücken, der einfach der Anfang des Čech-Komplexes ist.




Verfeinerung der Überdeckung

Die zu Beginn der Vorlesung beschriebene Situation eines surjektiven Garbenhomomorphismus und Beispiel 21.10 machen deutlich, dass es nicht genügen kann, immer mit einer einzigen fixierten Überdeckung zu arbeiten, sondern dass man mit verschiedenen Überdeckungen simultan arbeiten muss.


Es sei ein topologischer Raum. Eine offene Überdeckung heißt eine Verfeinerung einer offenen Überdeckung , wenn es eine Abbildung derart gibt, dass gilt.

Es sei nun eine Garbe von kommutativen Gruppen auf gegeben. Eine Verfeinerung definiert einen Kokettenhomomorphismus

wobei die Bildkokette an der Stelle durch

definiert ist (bei ist dies als zu interpretieren). Diese Abbildung führt Kozykel in Kozykel und Koränder in Koränder über und definiert daher einen Verfeinerungshomomorphismus



Es sei ein topologischer Raum und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Es sei , , eine offene Überdeckung von , die eine Verfeinerung der offenen Überdeckung , , sei.

Dann ist die Verfeinerungsabbildung

unabhängig von der Indexabbildung .

Beweis

Siehe Aufgabe 21.11.



Es sei eine Garbe von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum . Man bezeichnet

als die erste Čech-Kohomologie von auf .

Der (direkte oder induktive) Limes wird hier über alle Čech-Komologien zu Überdeckungen genommen, die untereinander durch die Verfeinerungshomomorphismen miteinander verbunden sind.



Der verbindende Homomorphismus



Es sei ein topologischer Raum und sei ein Homomorphismus zwischen den Garben von kommutativen Gruppen und auf . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Zu einer offenen Überdeckung gibt es einen natürlichen Gruppenhomomorphismus
  2. Es gibt einen natürlichen Gruppenhomomorphismus

Beweis

Siehe Aufgabe 21.12.



Es sei

eine kurze exakte Sequenz von Garben von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum .

Dann liegt eine lange exakte Sequenz

vor.

Beweis

Siehe Aufgabe 21.13.

Dabei heißt das der verbindende Homomorphismus. Er wird wie zu Beginn der Vorlesung beschrieben konstruiert.