Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 10
- Die lokale Fundamentalgruppe von Monoidringen
In der letzten Vorlesung haben wir gesehen, dass im Falle der ADE-Singularitäten die operierende Gruppe als lokale Fundamentalgruppe des Invariantenringens, also als Fundamentalgruppe des punktierten Quotientenraumes wiederkehrt. Die A-Singularitäten sind Monoidringe der Form , die operierende Gruppe ist die zyklische Gruppe und dies ist auch die lokale Fundamentalgruppe. In dieser Vorlesung beschäftigen wir uns generell mit der lokalen Fundamentalgruppe von Monoidringen, wobei wir diese (vergleiche Lemma 8.2 und Aufgabe 8.8) als Invariantenringe zu einer kommutativen Gruppe und als Ringe der neutralen Stufe einer Gradierung auf einem Polynomring auffassen.
Die Grundidee ist folgende: Wenn ein Monoid ist und
ein Monoidhomomorphismus, so induziert dies nach Korollar 6.8 einen - Algebrahomomorphismus
und damit eine Spektrumsabbildung
also einen Morphismus der punktierten Geraden in das Spektrum des Monidringes. In der natürlichen Topologie liegt somit eine stetige Abbildung
vor. Durch Einschränken dieser Abbildung auf den Einheitskreis erhält man eine stetige Abbildung des Kreises nach (bzw. in eine gewisse offene Teilmenge ) und damit einen geschlossenen Weg. Es wird sich herausstellen, dass diese Wege, unter bestimmten Voraussetzungen, zur Berechnung der Fundamentalgruppe entscheidend sind.
Zur weiteren Durchführung dieser Idee sei das Monoid als
zu einem surjektiven Gruppenhomomorphismus (einer Graduierung)
gegeben. Dann ist der Ring der neutralen Stufe in dieser Graduierung und nach Lemma 8.2 der Invariantenring zur zugehörigen Operation der Charaktergruppe auf . Die zugehörige Spektrumsabbildung
induziert, wenn man sie auf geeignete offene Teilmengen einschränkt, in der natürlichen Topologie eine Überlagerung, mit deren Hilfe man in vielen Fällen (aber nicht ohne weitere Voraussetzungen) die lokale Fundamentalgruppe von berechnen kann. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass endlich ist. Die Formulierung im folgenden Satz ist ziemlich aufwändig, vereinfacht sich aber wesentlich, wenn man an und denkt.
Es sei eine kommutative endliche Gruppe und ein surjektiver Gruppenhomomorphismus mit . Diesen Gruppenhomomorphismus fassen wir als - Graduierung auf dem Polynomring und als Operation der Charaktergruppe auf dem auf. Es sei der Kern von , das zugehörige Monoid und
die zugehörige Inklusion des Monoidringes. Es sei
die zugehörige Quotientenabbildung. Es sei eine Zariski-abgeschlossene - invariante Teilmenge derart gegeben, dass ganz in der Vereinigung der Achsenhyperebenen liegt, dass mindestens die Kodimension besitzt und dass die induzierte Operation von auf fixpunktfrei sei. Dann gelten folgende Aussagen.
- Die
Fundamentalgruppe
von
ist .
- Es sei derart, dass[1]
ist. Die Zuordnung
induziert einen Gruppenisomorphismus
- Die zu
gehörende Abbildung
( sei eine Basis von ) ergibt durch Einschränkung auf einen stetigen geschlossenen Weg
- Die
Liftung des Weges
aus (3) nach mit dem Anfangspunkt ist durch
gegeben. Der Weg repräsentiert das nach (2) zu gehörende Element in der Fundamentalgruppe .
(1) folgt aus
Satz 9.6,
da wegen der Bedingung an die Kodimension[2]
einfach zusammenhängend
und die Operation darauf nach Voraussetzung fixpunktfrei ist.
(2). Die Abbildung ist wegen der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion ein Gruppenhomomorphismus. Die Abbildung ist auf der Untergruppe
trivial. Für ist ja
und somit ist
Daher ist in natürlicher Weise ein Gruppenhomomorphismus
also ein Charakter auf . Zur Bestimmung des Kerns von sei zunächst die Einschränkung eines Gruppenhomomorphismus
auf . Doch dann ist natürlich für die Basis von und somit ist der zugehörige Charakter trivial. Wenn umgekehrt der zugehörige Charakter trivial ist, so muss für jedes gelten. Doch dann ist durch
eine Fortsetzung von nach gegeben. Es liegt also ein injektiver Gruppenhomomorphismus
vor. Die Surjektivität folgt aus
Aufgabe 10.5.
(3). Der
Monoidhomomorphismus
führt zu einem - Algebrahomomorphismus
und damit zu einem Morphismus der zugehörigen Spektren, der -Spektren, und der entsprechenden metrischen Räume, also zu einer (in der natürlichen Topologie) stetigen Abbildung
Da diese Abbildung über
faktorisiert, liegt das Bild dieser Abbildung ganz in . Die Einschränkung auf den Einheitskreis
ist natürlich ebenfalls stetig.
(4). Wir haben ein kommutatives Diagramm
wobei durch definiert ist. Diesem Diagramm entspricht das Diagramm
bezüglich der -ten Potenz geliftet werden. Dies geschieht aber durch die Zuordnung
Die -te Komponente des Endpunkts dieser Liftung in ist
Durch diese Zahlen ist auch der zu gehörende Charakter aus Teil (2) gegeben.
Wir betrachten eine Graduierung des Polynomringes durch einen surjektiven Gruppenhomomorphismus
in eine endliche zyklische Gruppe. Es sei vorausgesetzt, dass ein Erzeuger von für jeden Standardvektor ist. Dann ist die zugehörige Operation der Charaktergruppe auf fixpunktfrei. Zu sei . Für jeden Charakter gilt
da nach Voraussetzung ein Erzeuger ist und somit ist. Bei ist in einem solchen Fall die Fundamentalgruppe von
(wobei das Bild des Nullpunktes sei) aufgrund von Satz 10.1 gleich .
Wir betrachten die durch
mit
gegebene Graduierung auf , die der linearen Operation der Matrizen
zu einer -ten primitiven Einheitswurzel entspricht, vergleiche dazu Beispiel 8.3. Der Kern ist durch
und das Monoid durch
gegeben, der Invariantenring ist . Die Bedingungen von Bemerkung 10.2 sind dabei erfüllt, es ist also der einzige Fixpunkt und die Operation auf ist fixpunktfrei. Daher kann man Satz 10.1 anwenden und erhält, dass die Fundamentalgruppe des punktierten Spektrum des Invariantenringes, also
gleich ist. Ein erzeugendes Element der Fundamentalgruppe wird auf der Monoidebene (bzw. auf dem Differenzengitter) durch
mit
gegeben. Dieser Homomorphismus lässt sich nicht nach fortsetzen, allerdings lässt sich das -fache davon fortsetzen. Auf der Ringebene entspricht dies dem - Algebrahomomorphismus
mit , und , was wiederum der stetigen Abbildung
(bzw. ins punktierte Spektrum) entspricht. Somit ist
ein Erzeuger der lokalen Fundamentalgruppe dieses Monoidringes.
Der Veronese-Ring zu und ist beispielsweise .
Wir betrachten die durch
mit
gegebene Graduierung auf , die der linearen Operation der Matrizen
zu einer -ten primitiven Einheitswurzel entspricht. Nach Aufgabe 10.14 ist der Invariantenring zu dieser Operation der -te Veronese-Ring
Bemerkung 10.2 sind dabei erfüllt, es ist also der einzige Fixpunkt und die Operation auf ist fixpunktfrei. Daher kann man bei Satz 10.1 anwenden und erhält, dass die Fundamentalgruppe des punktierten Spektrum des Invariantenringes, also
gleich ist. Ein erzeugendes Element der Fundamentalgruppe wird auf der Monoidebene (bzw. auf dem Differenzengitter) durch den Homomorphismus
gegeben, der die Erzeuger des umgebenden auf abbildet. Somit wird jeder Erzeuger des Monoids auf abgebildet. Auf der Ringebene entspricht dies dem - Algebrahomomorphismus
mit
für alle Monome aus dem Veronese-Ring (die Erzeuger des Veronese-Ringes, also die Monome , , werden einfach auf abgebildet). Dies führt wiederum zur stetigen Abbildung
(bzw. ins punktierte Spektrum). Somit ist
ein Erzeuger der lokalen Fundamentalgruppe des Veronese-Ringes.
Wir betrachten die durch
mit
festgelegte Graduierung auf . Die zugehörige lineare Operation auf dem ist durch die Matrizen
gegeben. Die drei letzten Matrizen besitzen jeweils eine Fixgerade, daher ist die Operation auf nicht fixpunktfrei, dagegen ist die Operation auf , wobei die Vereinigung der Achsen bezeichnet, frei. Da die (komplexe) Kodimension besitzt, ist einfach zusammenhängend. Der Invariantenring ist mit der Relation . Daher ist nach Satz 10.1 die Fundamentalgruppe von gleich .
Zum Restklassenhomomorphismus
ist der Kern durch gegeben. Die zugehörige Operation ist die von auf durch Multiplikation mit dem einzigen Fixpunkt bzw. fixpunktfrei auf . Die Quotientenabbildung ist durch das -te Potenzieren
gegeben. Die Fundamentalgruppe von ist bekanntlich . Hier kann man Satz 10.1 nicht anwenden, da der Raum, auf dem fixpunktfrei operiert wird, nämlich , nicht einfach zusammenhängend ist.
Wir betrachten die durch
mit
festgelegte Graduierung auf . Die zugehörige lineare Operation auf dem ist durch die Matrizen
gegeben. Die beiden mittleren Matrizen besitzen jeweils eine Fixgerade, daher ist die Operation auf nicht frei. Die Operation auf , wobei das Achsenkreuz bezeichnet, ist frei, doch besitzt die Kodimension in der Ebene. Der Invariantenring ist , ein Polynomring in zwei Variablen, Satz 10.1 ist in diesem Fall nicht anwendbar.
- Fußnoten
- ↑ Ein solches gibt es stets.
- ↑ Dies beruht auf dem Satz, dass bei einer reellen Mannigfaltigkeit und einer abgeschlossenen Untermannigfaltigkeit der reellen Kodimension die natürliche Abbildung ein Isomorphismus ist. In unserer Situation ist die reelle Kodimension zumindest , allerdings ist nicht unbedingt eine glatte Untervarietät. Man kann aber mit einer Stratifizierung von durch glatte Untervarietäten arbeiten und so das Ergebnis erhalten.
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