Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2012)/Vorlesung 29

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Projektion weg von einem Punkt

Definition  

Die Abbildung

heißt die Projektion weg vom Punkt .

Diese Abbildung ist ein wohldefinierter Morphismus, der außerhalb des Zentrums der Projektion definiert ist. Jedem anderen Punkt wird derjenige Punkt des zugeordnet, der der Geraden durch den Punkt und dem Zentrum entspricht. Daher ist die Abbildung surjektiv und jede Faser ist eine projektive Gerade ohne den Zentrumspunkt, also eine affine Gerade (es liegt ein sogenanntes Geradenbündel über dem vor). Es handelt sich um die Fortsetzung der Kegelabbildung

auf den punktierten projektiven Raum. Die entsprechende Abbildung kann man zu jedem Zentrumspunkt definieren, siehe Aufgabe 29.6.



Abbildungen nach

Der folgende Satz liefert eine neue Version der Noetherschen Normalisierung.



Satz  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei eine ebene projektive Kurve vom Grad .

Dann gibt es einen surjektiven Morphismus

derart, dass alle Fasern aus maximal Punkten bestehen.

Beweis  

Es sei ein Punkt, der nicht auf der Kurve liegt. Einen solchen Punkt gibt es, da der Körper insbesondere unendlich ist. Wir betrachten die Projektion weg von , die insgesamt einen Morphismus

induziert. Die Faser dieses Morphismus über einem Punkt (der eine Richtung in repräsentiert) besteht genau aus den Punkten der Kurve, die auf der durch definierten Geraden

liegen. Daher wird die Faser über auf beschrieben, indem man in der Kurvengleichung mittels der Geradengleichung eine Variable eliminiert. Das Ergebnis ist ein homogenes Polynom in zwei Variablen vom Grad , das nicht ist, denn sonst wäre ein Punkt der Kurve. Da wir über einem algebraisch abgeschlossenen Körper sind, besitzt dieses Polynom mindestens eine und höchstens Nullstellen, die alle von verschieden sind. Dies ergibt die Surjektivität und die Abschätzung für die Faser.



Satz  

Es sei ein Körper und eine glatte irreduzible ebene projektive Kurve. Es sei ein affines Teilstück davon. Es sei eine rationale Funktion (mit ).

Dann gibt es einen eindeutigen Morphismus

derart, dass das Diagramm

kommutiert.

Beweis  

Wir definieren zunächst auf eine Fortsetzung

der rationalen Funktion . Es sei hierzu ein Punkt der Kurve. Bei ist nichts zu tun, sei also . Da die Kurve glatt ist, ist nach Fakt ***** der lokale Ring der Kurve im Punkt ein diskreter Bewertungsring. Daher hat der Quotient dort eine Beschreibung als

mit und ( sei eine Ortsuniformisierende). Es gibt eine offene Umgebung derart, dass und über definiert sind und dort eine Einheit ist. Bei ist und die Undefiniertheitsstelle ist also sogar als Abbildung nach „hebbar“. Bei ist der umgekehrte Bruch auf definiert als eine Abbildung nach . Mittels der „verdrehten Einbettung“ erhält man eine Abbildung nach .

Wir müssen zeigen, dass diese zwei Morphismen in die projektive Gerade dort, wo beide definiert sind, übereinstimmen. Das sind die Punkte , in denen weder eine Nullstelle noch einen Pol besitzt. Die Verträglichkeit folgt daraus, dass in einer offenen Umgebung eine Abbildung

vorliegt, und dass das Diagramm

kommutiert. Dies ergibt einen wohldefinierten Morphismus auf dem affinen Stück .

Für einen beliebigen Punkt der projektiven Kurve und eine affine Umgebung liegt die gleiche Situation vor, da ist, und somit auf einer offenen nichtleeren Menge die rationale Funktion (mit anderen Zählern und Nennern) definiert ist. Damit lässt sich das vorhergehende Argument genauso anwenden.

Die Eindeutigkeit folgt daraus, dass auf jeder affinen offenen Menge der Durchschnitt nicht leer ist. Ein Morphismus auf einer integren Varietät in die affine Gerade ist durch die rationale Funktion eindeutig festgelegt.



Beispiel  

Die Inversenbildung

lässt sich zu einem bijektiven Morphismus

fortsetzen. Dies folgt direkt aus Satz 29.3. Dabei geht ein Punkt auf und der Nullpunkt geht auf den unendlich fernen Punkt .




Parametrisierte projektive ebene Kurven

Sei eine rational parametrisierte Kurve gegeben. Wir haben in Satz 6.11 gesehen, dass das Bild eine algebraische Gleichung erfüllt. Dabei haben wir im dortigen Beweis schon die homogenisierte Parametrisierung verwendet, die jetzt als projektive Fortsetzung wieder auftaucht.



Satz  

Es sei

eine rationale Parametrisierung in gekürzter (d.h. die haben keinen gemeinsamen Teiler) Darstellung. Es sei der maximale Grad der beteiligten Polynome und es seien die Homogenisierungen (bezüglich der neuen Variablen ) davon. Es seien die Produkte dieser Homogenisierungen mit einer Potenz von derart, dass alle den Grad besitzen.

Dann definieren die einen Morphismus

derart, dass das Diagramm

kommutativ ist.

Dabei liegt das Bild unter auf dem projektiven Abschluss der affinen Bildkurve.

Beweis  

Die Abbildung ist aufgrund von Aufgabe 29.5 wohldefiniert, und zwar auf ganz , da insgesamt teilerfremd sind. Zur Kommutativität muss man lediglich beachten, dass einerseits über auf

abgebildet wird und andererseits auf

Für den Zusatz sei der affine Abschluss des Bildes und der projektive Abschluss davon. Wir betrachten das offene Komplement . Da die Abbildung stetig ist, ist das Urbild offen in , und es kann nur Punkte aus enthalten. Eine endliche und offene Teilmenge der projektiven Geraden muss aber leer sein.



Satz  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei ein Polynom in einer Variablen vom Grad .

Dann wird der projektive Abschluss des Graphen durch beschrieben, wobei die Homogenisierung von bezeichnet. Dabei gibt es in bei (mit ) noch den glatten Punkt und bei noch den Punkt , der bei singulär ist.

Bei besitzt der Punkt im Unendlichen die Multiplizität .

Beweis  

Die Gleichung für den projektiven Abschluss folgt direkt aus Satz 28.8. Den Schnitt von mit der projektiven Geraden im Unendlichen erhält man, wenn man in der Gleichung setzt. Bei liegt insgesamt die Geradengleichung vor, und der Schnitt mit legt den einzigen Punkt fest. Bei liegt die Kurvengleichung

mit vor. Setzt man , so bleibt übrig, woraus folgt. Dies entspricht dem einzigen unendlich fernen Punkt .

Für die Multiplizität betrachtet man die affine Gleichung der Kurve auf . D.h. man setzt und erhält die affine Gleichung

und der Punkt ist in diesen Koordinaten der Nullpunkt. Daher ist die Multiplizität gleich mit der einzigen durch gegebenen Tangente. Bei ist die Multiplizität und daher liegt ein singulärer Punkt vor.


Dieser Satz ist so zu verstehen, dass bei die -Achse (dafür steht der Punkt ) „asymptotisch“ zum Graphen gehört (und auch die einzige Asymptote des Graphen ist). Die unendlich ferne Gerade ist die (einzige) Tangente an diesem Punkt. Die Normalisierung von ist der , und zwar ist die Normalisierungsabbildung nach Satz 29.5, angewendet auf die affine Parametrisierung des Graphen

durch

gegeben. Dabei geht der unendlich ferne Punkt auf .



Satz  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien Polynome in einer Variablen vom Grad ohne gemeinsame Nullstelle. Es sei und sei die zugehörige rationale Funktion. Es seien und die zugehörigen Homogenisierungen

Dann wird der projektive Abschluss des Graphen von bei durch

und bei durch

beschrieben.

Beweis  

Die affine Beschreibung der Kurve ist . Nach Satz 28.8 wird der projektive Abschluss durch die Homogenisierung von beschrieben. Für diese ist der maximale Grad von und ausschlaggebend, der Summand mit kleinerem Grad muss durch eine geeignete Potenz von „aufgefüllt“ werden. Dies ergibt die angegebenen Gleichungen.



Monomiale projektive Kurven

Zu einer ebenen monomialen Kurve mit teilerfremden Exponenten gehört nach Satz 29.5 die monomiale projektive Kurve

Auf der offenen Menge ist dies die ursprüngliche Abbildung und auf ist dies die affine Abbildung



Satz  

Seien teilerfremd. Für die durch

gegebene ebene projektive monomiale Kurve vom Grad gelten folgende Aussagen.

  1. Die Kurve wird durch die homogene Gleichung vom Grad beschrieben.
  2. Die Kurve ist glatt für alle Punkte und .
  3. Die Kurve hat im Punkt die Multiplizität und im Punkt die Multiplizität .
  4. Bei ist die Kurve nicht glatt.

Beweis  

  1. Die affine Gleichung ist , und nach Satz 28.8 wird der projektive Abschluss durch die Homogenisierung, also durch beschrieben.
  2. Auf der affinen Kurve ist nach Satz 20.12 nur der Nullpunkt, der dem projektiven Punkt entpricht, (eventuell) nicht glatt. Die Punkte auf der Kurve außerhalb von erhält man, indem man in der Gleichung setzt. Dies erzwingt , so dass es lediglich noch den Punkt gibt.
  3. Die Multiplizität in einem Punkt ist eine lokale Eigenschaft. Der Punkt entspricht dem Nullpunkt auf der affinen monomialen Kurve , deren Multiplizität im Nullpunkt nach Korollar 23.8 gleich dem kleineren Exponenten, also gleich ist. Der Punkt liegt auf und dort ist die affine Gleichung. Die Multiplizität ist wieder der kleinere Exponent, also gleich .
  4. Folgt aus (3).



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