Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 2

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Das Normalenfeld

Definition  

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Ein auf einer offenen Umgebung definiertes stetiges Vektorfeld mit

für alle heißt Normalenfeld auf .

Wenn dabei zusätzlich

gilt, so spricht man von einem Einheitsnormalenfeld. Da die Normalengerade im betrachtenten Hyperflächenfall eindimensional ist, gibt es für jeden Punkt nur zwei mögliche Werte, die zueinander negativ sind. Dabei interessiert man sich nur für die Werte des Feldes auf , man betrachtet also zwei Normalenfelder als identisch, wenn sie auf übereinstimmen. Die offene Umgebung ist nur nötig, um von differenzierbar sprechen zu können.



Lemma  

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei.

Dann ist ein Einheitsnormalenfeld auf .

Beweis  

Nach Voraussetzung ist das Gradientenfeld nullstellenfrei auf und daher wegen seiner Stetigkeit auch nullstellenfrei in einer offenen Umgebung . Das angegebene Vektorfeld ist also in einer offenen Umgebung definiert. Die Orthogonalität zu den Tangentialräumen an die Faser und die Normiertheit sind klar.



Definition  

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Dann nennt man die Fixierung eines Einheitsnormalenfeldes auf eine Orientierung von .

Zu einer Orientierung gibt es stets die negative oder die entgegengesetzte Orientierung. Wenn eine beschreibende Funktion für fixiert ist, so erhält man mit Lemma 2.2 direkt die Orientierung . Allerdings gehört zu die entgegengesetzte Orientierung, und es gibt keine kanonische Möglichkeit, eine davon auszuwählen. Bei einem nullstellenfreien Normalenfeld kann man stets zum zugehörigen Einheitsnormalenfeld übergehen und erhält somit eine Orientierung.



Lemma  

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei zusammenhängend.

Dann gibt es genau zwei Orientierungen auf .

Beweis  

Nach Lemma 2.2 gibt es ein Einheitsnormalenfeld, das eine Orientierung repräsentiert, und die Negation davon liefert eine weitere Orientierung. Es sei nun

ein beliebiges stetiges Einheitsnormalenfeld. Da es für jeden Punkt nur zwei mögliche Werte gibt, stimmt das Feld für einen fixierten Punkt mit einem der beiden normierten Gradientenfelder überein. Sagen wir . Dann ist der Übereinstimmungsort nichtleer und abgeschlossen, aber auch offen, da der Übereinstimmungsort von und ebenfalls abgeschlossen ist. Aufgrund des Zusammenhangs ist der Übereinstimmungsort ganz .



Beispiel  

Wir betrachten die Funktion , und dazu die Faser über , also das einschalige Hyperboloid . Der Gradient zu in einem Punkt ist durch und das totale Differential ist entsprechend durch gegeben, daher ist in jedem Punkt von regulär. Der Tangentialraum in einem Punkt ist der Kern des totalen Differentials, eine Basis ist (bei muss man den zweiten Vektor durch ersetzen). Das Einheitsnormalenfeld ist




Die Gauß-Abbildung

Definition  

Es sei offen, Fehler beim Parsen (SVG (MathML kann über ein Browser-Plugin aktiviert werden): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „/mathoid/local/v1/“:): {\displaystyle {{}} h \colon W \rightarrow \R} eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. und es sei eine Orientierung auf fixiert. Dann heißt die Abbildung

die jeden Punkt auf seinen durch die Orientierung fixierten Einheitsnormalenvektor abbildet, die Gauß-Abbildung zu .

Im Allgemeinen denken wir uns Tangentialvektoren und Normalenvektoren an den Punkt angeheftet, hier ist es aber wichtig, den Normalenvektor als einen Punkt auf der „neutralen“ - dimensionalen Sphäre zu betrachten. Die Gauß-Abbildung eröffnet eine Möglichkeit, eine beliebige glatte Hyperfläche mit der besonders einfachen Hyperfläche, nämlich der Kugeloberfläche, in Beziehung zu setzen.



Lemma  

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei eine Orientierung auf fixiert. Dann gelten für die Gauß-Abbildung folgende Aussagen.

  1. Die Gauß-Abbildung ist stetig.
  2. Bei ist die Gauß-Abbildung (wenn die Orientierung nach außen zeigt) die Identität oder die antipodale Abbildung.
  3. Wenn zusammenhängend ist, so sind die Gauß-Abbildungen zu den beiden Orientierungen antipodal zueinander.
  4. Sei zusammenhängend. Dann ist die Gauß-Abbildung genau dann konstant, wenn ein affin-linearer Unterraum ist.

Beweis  

  1. Dies folgt aus Lemma 2.2.
  2. Klar.
  3. Klar.
  4. Die Rückrichtung ist klar. Zum Beweis der Hinrichtung sei der Einheitsnormalenvektor konstant gleich . Dann ist

    mit einer stetigen Funktion . Für jede differenzierbare Kurve auf ist dann senkrecht auf . Dann ist

    für alle . Daher ist konstant. Daraus folgt überhaupt die Konstanz von für .



Satz  

Es sei eine offene Teilmenge und sei

eine stetig differenzierbare Funktion. Die Faser von zu einem Punkt sei kompakt und in jedem Punkt regulär.

Dann ist jeder -dimensionale Unterraum für mindestens einen Punkt gleich dem Tangentialraum .

Beweis  

Der -dimensionale Untervektorraum wird durch eine Linearform beschrieben, sagen wir mit

wobei nicht alle gleich sind. Die Funktion nimmt nach Satz 36.12 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) auf der kompakten Teilmenge ihr Maximum an, d.h. es gibt einen Punkt derart, dass in insbesondere ein lokales Extremum besitzt. Da ein regulärer Punkt ist, folgt nach Korollar 54.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)), dass

ist () und somit ist



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