Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 23

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Die Gradformel



Satz  

Seien und endliche Körpererweiterungen.

Dann ist auch eine endliche Körpererweiterung und es gilt

Beweis  

Wir setzen und . Es sei eine - Basis von und eine -Basis von . Wir behaupten, dass die Produkte

eine -Basis von bilden. Wir zeigen zuerst, dass diese Produkte den Vektorraum über erzeugen. Es sei dazu . Wir schreiben

Wir können jedes als  mit Koeffizienten ausdrücken. Das ergibt

Daher ist eine -Linearkombination der Produkte .
Um zu zeigen, dass diese Produkte linear unabhängig sind, sei

angenommen mit . Wir schreiben dies als . Da die linear unabhängig über sind und die Koeffizienten der zu gehören, folgt, dass ist für jedes . Da die linear unabhängig über sind und ist, folgt, dass für alle ist.




Zerfällungskörper



Lemma  

Es sei ein Körper und ein Polynom aus .

Dann gibt es einen Erweiterungskörper derart, dass über in Linearfaktoren zerfällt.

Beweis  

Sei die Zerlegung in Primpolynome in , und sei nicht linear. Dann ist

eine Körpererweiterung von nach Satz 18.5. Wegen in ist die Restklasse von in eine Nullstelle von . Daher gilt in die Faktorisierung , wobei einen kleineren Grad als hat. Das Polynom hat also über mindestens einen Linearfaktor mehr als über . Induktive Anwendung von dieser Konstruktion liefert eine Kette von Erweiterungen , die stationär wird, sobald in Linearfaktoren zerfällt.



Definition  

Es sei ein Körper, ein Polynom und eine Körpererweiterung, über der in Linearfaktoren zerfällt. Es seien die Nullstellen von . Dann nennt man

einen Zerfällungskörper von .

Es handelt sich hierbei wirklich um einen Körper, wie wir gleich sehen werden. Häufig beschränkt man sich auf Polynome vom Grad , bei konstanten Polynomen sehen wir einfach selbst als Zerfällungskörper an. Über dem Zerfällungskörper zerfällt das gegebene Polynom in Linearfaktoren, da er ja nach Definition alle Nullstellen enthält, mit denen alle beteiligten Linearfaktoren formuliert werden können.



Lemma

Es sei ein Körper, ein Polynom und der Zerfällungskörper von . Es sei ein Zwischenkörper.

Dann ist auch ein Zerfällungskörper des Polynoms .

Beweis

Das ist trivial.



Lemma  

Es sei ein Körper, ein Polynom und der Zerfällungskörper von .

Dann ist eine endliche Körpererweiterung.

Beweis  

Es sei eine Körpererweiterung, über der in Linearformen zerfällt und , wobei die Nullstellen von seien. Es liegt eine Kette von - Algebren

vor. Dabei ist sukzessive algebraisch über , da ja eine Nullstelle von ist. Daher sind die Inklusionen nach Satz 22.1 endliche Körpererweiterungen und nach Satz 23.1 ist dann die Gesamtkörpererweiterung ebenfalls endlich.



Satz  

Es sei ein Körper und sei ein Polynom. Es seien und zwei Zerfällungskörper von .

Dann gibt es einen -Algebraisomorphismus

Insbesondere gibt es bis auf Isomorphie nur einen Zerfällungskörper zu einem Polynom.

Beweis  

Wir beweisen die Aussage durch Induktion über den Grad . Wenn der Grad eins ist, so ist und das Polynom zerfällt bereits über in Linearfaktoren. Dann gehören alle Nullstellen von in einem beliebigen Erweiterungskörper zu selbst. Also ist auch . Es sei nun und die Aussage sei für kleinere Grade bewiesen. Dann zerfällt über nicht in Linearfaktoren. Daher gibt es einen irreduziblen Faktor von mit und ist nach Satz 18.5 und nach Proposition 21.3 eine Körpererweiterung von vom Grad . Da als Faktor von ebenfalls über und über in Linearfaktoren zerfällt, gibt es -Algebrahomomorphismen und . Diese sind injektiv, so dass sowohl von als auch von ein Unterkörper ist. Nach Lemma 23.4 sind dann und Zerfällungskörper von . Nach Satz 23.1 ist

so dass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Es gibt also einen -Algebraisomorphismus

Dieser ist erst recht ein -Algebraisomorphismus.




Konstruktion endlicher Körper

Endliche Körper mit der Anzahl konstruiert man, indem man ein in irreduzibles Polynom vom Grad findet. Ob ein gegebenes Polynom irreduzibel ist, lässt sich dabei grundsätzlich in endlich vielen Schritten entscheiden, da es ja zu jedem Grad überhaupt nur endlich viele Polynome gibt, die als Teiler in Frage kommen können. Zur Konstruktion von einigen kleinen endlichen Körpern siehe Aufgabe ***** und Aufgabe *****. Generell kann man einen Körper mit Elementen als Zerfällungskörper des Polynoms über erhalten.



Lemma  

Es sei ein Körper der Charakteristik , sei , . Es sei

Dann ist ein Unterkörper von .

Beweis  

Zunächst gilt für jedes Element , dass

ist, wobei wir wiederholt den kleinen Fermat benutzt haben. Insbesondere ist also . Es ist und der Frobeniushomomorphismus

ist ein Ringhomomorphismus nach Aufgabe *****. Daher ist für einerseits

und andererseits

Ferner gilt für , , die Gleichheit

so dass auch das Inverse zu gehört und in der Tat ein Körper vorliegt.


Im Beweis der nächsten Aussage werden wir die Technik des formalen Ableitens verwenden. Ableiten ist eigentlich eine analytische Technik, und bekanntlich ist die Ableitung eines Monoms gleich , und die Ableitung eines Polynoms ergibt sich durch lineare Fortsetzung dieser Regel. Da der Exponent der Variablen zum Vorfaktor wird, und da man jede ganze Zahl in jedem Körper eindeutig interpretieren kann, ergeben solche Ableitungen auch rein algebraisch für jeden Grundkörper Sinn. Wir definieren daher.


Definition  

Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Zu einem Polynom heißt das Polynom

die formale Ableitung von .

Man beachte, dass, insbesondere bei positiver Charakteristik, das algebraische Ableiten einige überraschende Eigenschaften haben kann. In positiver Charakteristik ist beispielsweise

Für einige grundlegende Eigenschaften des Ableitens siehe die Aufgaben. Wichtig ist für uns, dass man mit der formalen Ableitung testen kann, ob die Nullstellen eines Polynoms einfach oder mehrfach sind

(eine Nullstelle heißt mehrfach, wenn das zugehörige lineare Polynom das Polynom mehrfach teilt, d.h. wenn es in der Primfaktorzerlegung mit einem Exponenten vorkommt).



Lemma  

Es sei ein Körper der Charakteristik , sei , . Das Polynom zerfalle über in Linearfaktoren.

Dann ist

ein Unterkörper von mit Elementen.

Beweis  

Nach Lemma 23.7 ist ein Unterkörper von , und nach Korollar 18.10 besitzt er höchstens Elemente. Es ist also zu zeigen, dass keine mehrfache Nullstellen hat. Dies folgt aber aus der formalen Ableitung und Aufgabe 23.14.



Satz  

Es sei eine Primzahl und .

Dann gibt es bis auf Isomorphie genau einen Körper mit Elementen.

Beweis  

Zur Existenz. Wir wenden Lemma 23.2 auf den Grundkörper und das Polynom an und erhalten einen Körper der Charakteristik , über dem in Linearfaktoren zerfällt. Nach Lemma 23.9 gibt es dann einen Unterkörper von , der aus genau Elementen besteht.

Zur Eindeutigkeit. Wir zeigen, dass ein Körper mit Elementen der Zerfällungskörper des Polynoms sein muss, so dass er aufgrund dieser Eigenschaft nach Satz 23.6 eindeutig bestimmt ist. Sei also ein Körper mit Elementen, der dann als Primkörper enthält. Da genau Elemente besitzt, gilt nach Satz 7.4 die Gleichung für jedes und damit auch für jedes . Dieses Polynom vom Grad hat also in genau verschiedene Nullstellen, so dass es also über zerfällt. Zugleich ist der von allen Nullstellen erzeugte Unterkörper gleich , so dass der Zerfällungskörper ist.


Notation

Es sei eine Primzahl und . Der aufgrund von Satz 23.10 bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte endliche Körper mit Elementen wird mit

bezeichnet.


Für ist . Dagegen sind für , , die Ringe und verschieden, obwohl beide Ringe Elemente besitzen. Dies liegt einfach daran, dass ein Körper ist, aber nicht.



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