Zum Inhalt springen

Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 11/kontrolle

Aus Wikiversity

Wir betrachten nun die Garbeneigenschaften, denen wir für die holomorphen Funktionen schon in Lemma 3.9  (4,5) begegnet sind.



Garben

Es sei ein topologischer Raum. Unter einer Garbe auf versteht man eine Prägarbe auf , die die folgenden Eigenschaften erfüllt.

  1. Zu jeder offenen Überdeckung und Elementen mit für alle gilt .
  2. Zu jeder offenen Überdeckung und Elementen mit für alle gibt es ein mit für alle .

Diese Eigenschaften nennt man die Serreschen Bedingungen. Die erste fordert, dass man die Übereinstimmung von Schnitten lokal auf einer offenen Überdeckung überprüfen kann, die zweite fordert, dass zusammenpassende lokale Schnitte von einem globalen Schnitt herkommen. Für die leere Menge ist einelementig, was mengentheoretisch aus den Eigenschaften folgt, wenn man die Überdeckung der leeren Menge mit der leeren Indexmenge betrachtet. Stellvertretend für viele ähnliche Beispiele zeigen wir, dass die Prägarbe der Schnitte zu eine Garbe auf ist.


Wir knüpfen an Beispiel 10.5 an, d.h. es seien und topologische Räume und es sei

eine fixierte stetige Abbildung, und es sei

die Prägarbe der stetigen Schnitte in . Dies ist eine Garbe. Die erste Serresche Bedingung ist erfüllt, da zwei Schnitte übereinstimmen, wenn sie in jedem Punkt den gleichen Wert haben, was bei einer offenen Überdeckung lokal getestet werden kann. Die zweite Serresche Bedingung ist erfüllt, da man zu einer Familie von stetigen verträglichen Schnitten

direkt einen Schnitt

definieren kann, der diese simultan fortsetzt. Die Stetigkeit folgt, da diese lokal getestet werden kann.



Beispiel  Beispiel 11.3 ändern

Zu einer topologischen Gruppe und einem topologischen Raum ist durch eine Garbe gegeben, die Garbe der stetigen Abbildungen mit Werten in . Es handelt sich um eine Garbe von Gruppen. Die Garbeneigenschaften beruhen darauf, dass die Gleichheit von stetigen Abbildungen punktweise getestet werden kann und dass sich stetige Abbildungen, die auf offenen Mengen definiert sind und auf den Durchschnitten übereinstimmen, zu einer globalen stetigen Abbildung fortsetzen.




Lemma  Lemma 11.4 ändern

Es sei eine Garbe auf einem topologischen Raum . Es seien Schnitte gegeben, die in den Halmen für alle Punkte erfüllen.

Dann ist .

Aufgrund der Veraussetzung gibt es zu jedem Punkt eine offene Umgebung derart, dass

ist. Somit ist

und aus der ersten Garbeneigenschaft folgt .



Garbenmorpismen

Ein Garbenmorphismus ist einfach ein Prägarbenmorphismus zwischen Garben. Dennoch gibt es einige gewichtige Besonderheiten, die sich auf Surjektivität, Bild, lokaler Isomorphietest beziehen.



Lemma  Lemma 11.5 ändern

Es sei ein topologischer Raum und ein Garbenmorphismus.

Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.

  1. ist injektiv für jede offene Menge .

  2. Die Halmabbildungen

    sind injektiv für alle Punkte .

Es seien und Keime aus mit . Wir können davon ausgehen, dass beide durch Schnitte auf einer offenen Umgebung von repräsentiert werden. Aufgrund der Gleichheit im Halm zu gibt es eine offene Umgebung mit in . Aus der Voraussetzung folgt in und damit auch im Halm zu .

Zum Beweis der Rückrichtung seien Schnitte mit in gegeben. Dann ist in jedem Halm zu und damit nach Voraussetzung (unter Verwendung von Lemma 10.16) auch in jedem Halm . Aus Lemma 11.4 folgt .



Es sei ein topologischer Raum und ein Garbenmorphismus.

Dann ist genau dann ein Garbenisomorphismus, wenn für jeden Punkt die Halmabbildung

ein Isomorphismus ist.

Die Hinrichtung ist trivial. Für die Rückrichtung ist zu zeigen, dass

für jede offene Teilmenge bijektiv ist. Ohne Einschränkung sei . Die Injektivität ergibt sich aus Lemma 11.5. Zum Nachweis der Surjektivität sei nun vorgegeben. Zu jedem Punkt gibt es ein eindeutiges

mit

Jedes wird repräsentiert durch ein

wobei eine offene Umgebung von bezeichnet. Dabei hat die Eigenschaft, dass es im Halm mit übereinstimmt. Daher gibt es eine eventuell kleinere offene Umgebung , auf der gilt. Wir ersetzen durch und haben eine offene Überdeckung

und Schnitte

die jeweils auf abbilden. Wir betrachten zwei Schnitte und auf dem Durchschnitt . Für einen Punkt

ist , da beide unter der bijektiven Abbildung auf abgebildet werden. Nach Lemma 11.4 folgt

Somit gibt es aufgrund der zweiten Garbeneigenschaft ein globales Element mit

für alle . Wegen der ersten Garbeneigenschaft ist , da dies auf den gilt.


Diese Aussage gilt weder für Prägarben (man betrachte beispielsweise eine Vergarbung einer Prägarbe) noch ohne die Voraussetzung, dass es überhaupt einen Homomorphismus gibt. Zwei Garben, die halmweise zueinander isomorph sind, müssen nicht isomorph sein. Wichtige Beispiele dazu sind lokal freie Garben, die lokal isomorph zu freien Garben sind, aber im Allgemeinen selbst nicht frei sind.

Es ist auf den ersten Blick sicher überraschend und vielleicht auch enttäuschend, dass sich bei einem Garbenmorphismus die Surjektivität auf der Ebene der offenen Mengen und auf der Halmebene unterscheiden. Was aber zunächst wie ein Defizit aussieht, ist in Wirklichkeit eine Stärke der Garbentheorie, da sich in der globalen Nichtsurjektivität von halmweise surjektiven Morphismen topologische Eigenschaften des zugrunde liegenden Raumes widerspiegeln.


Ein Garbenmorphismus zwischen Garben auf einem topologischer Raum heißt surjektiv, wenn für jeden Punkt die Halmabbildung

surjektiv ist.

Diese Eigenschaft ist deutlich schwächer als die Eigenschaft, dass auf jeder offenen Menge eine surjektive Abbildung vorliegt.


Wir betrachten den stetigen Gruppenhomomorphismus

also die periodische trigonometrische Parametrisierung des Einheitskreises. Dies induziert einen Garbenmorphismus

auf jedem topologischen Raum . Einer stetigen reellwertigen Funktion auf wird die Hintereinanderschaltung

zugeordnet. Dieser Garbenmorphismus ist surjektiv, da lokal umkehrbar ist. Er ist aber im Allgemeinen nicht auf jeder offenen Teilmenge surjektiv. Wenn beispielsweise ist, so besitzt die Identität auf keine stetige Liftung nach



Es sei ein topologischer Raum und seien und Garben von kommutativen Gruppen auf . Ein Garbenmorphismus heißt Homomorphismus von Garben kommutativer Gruppen, wenn für jede offene Teilmenge die Abbildung

ein Gruppenhomomorphismus ist.


Beispiel  Beispiel 11.10 ändern

Zu einem stetigen Gruppenhomomorphismus zwischen topologischen Gruppen und wird auf jedem topologischen Raum ein Homomorphismus von Garben von Gruppen festgelegt, indem auf jeder offenen Teilmenge die Zuordnung

betrachtet wird.



Es sei ein topologischer Raum und es sei ein Homomorphismus von Garben von kommutativen Gruppen. Dann nennt man die durch

definierte Untergarbe von die Kerngarbe zu .

Es handelt sich dabei genauer um eine Untergarbe von kommutativen Gruppen, d.h. für jede offene Teilmenge liegt eine Untergruppe von vor, siehe Aufgabe 11.12.



Quotientengarbe

Zu einer Untergarbe von Garben von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum hätte man gerne eine Quotientengarbe , wie es zu einer Untergruppe einer kommutativen Gruppe eine wohldefinierte Restklassengruppe gibt. Die naheliegende Idee, zu jeder offenen Teilmenge die Restklassengruppe zu betrachten, stößt auf dass Problem, dass diese Konstruktion zwar eine Prägarbe, aber keine Garbe ist. Dieses Problem bekommt man durch das Konzept der Vergarbung in den Griff. Die Vergarbung ist ein Konstruktionsprozess, der jeder Prägarbe eine Garbe zuordnet, wobei die Halme in jedem Punkt übereinstimmen. Diese Eigenschaft ist wichtiger als die genaue Konstruktion der Vergarbung.



Zu einer Garbe von kommutativen Gruppen und einer Untergarbe von Gruppen nennt man die Vergarbung der Prägarbe die Quotientengarbe zu

Die Quotientengarbe wird mit bezeichnet. Da vergarbt wird, muss nicht unbedingt gelten. Es gilt aber für jeden Punkt , siehe Aufgabe 11.17.



Es sei eine Garbe von kommutativen Gruppen und einer Untergarbe von Gruppen mit der Quotientengarbe . Dann gelten die folgenden Aussagen.

  1. Jedes Element wird repräsentiert durch eine Familie , , wobei eine offene Überdeckung ist und Schnitte sind mit

    und jede solche Familie liegt ein Element in fest.

  2. Zwei solche Familien (also zur gleichen Überdeckung) definieren genau dann das gleiche Element in , wenn

    für alle ist.

  3. Zwei Familien und definieren genau dann das gleiche Element in , wenn auf einer (jeder) gemeinsamen Verfeinerung der beiden Überdeckungen die Differenzen zu gehören.

Beweis

Siehe Aufgabe 11.18.



Beispiel  Beispiel 11.14 ändern

Es sei eine riemannsche Fläche. Wir versehen die ganzen Zahlen mit der diskreten Topologie und betrachten dazu auf die Garbe der stetigen Abbildungen nach im Sinne von Beispiel 11.3. Es handelt sich um eine Garbe von lokal-konstanten Abbildungen. Über den Gruppenhomomorphismus

können wir diese Garbe als eine Untergarbe der Garbe der holomorphen Funktionen auf auffassen, da ja stetige lokal-konstante Funktionen insbesondere holomorph sind. In diesem Fall besitzt die Quotientengarbe eine einfachere Beschreibung, als die Definition der Quotientengarbe als Vergarbung einer Prägarbe vermuten lässt. Die Quotientengarbe ist nämlich die Garbe der holomorphen Funktionen mit Werten in . Diese Garbe nennt man die Garbe der holomorphen Einheiten auf und bezeichnet sie mit . Die Exponentialfunktion ist eine holomorphe surjektive Funktion

diese definiert im Sinne von Beispiel 11.10 einen Garbenhomomorphismus

wobei eine holomorphe Funktion auf einer offenen Menge auf abgebildet wird. Der Kern dieses Garbenhomomorphismus ergibt die Garbe der lokal-konstanten Funktionen mit Werten in , da genau diese Zahlen unter der Exponentialfunktion auf abbilden. Wir behaupten, dass der durch die Exponentialabbildung gegebene Garbenhomomorphismus surjektiv ist. Dies ist eine lokale Eigenschaft, die wir für jeden Punkt nachweisen müssen. Sei eine offene Umgebung und sei

eine holomorphe Funktion. Zu gibt es, da die komplexe Exponentialfunktion nach Beispiel 6.3 eine Überlagerung ist, auf einer offenen Umgebung einen holomorphen Schnitt (einen lokalen Logarithmus)

mit für . Auf ist somit eine holomorphe Funktion, die unter der Exponentialfunktion auf abbildet.

Die Exponentialfunktion ist nicht global surjektiv. Wenn man beispielsweise setzt, so ist die globale Auswertung der Exponentialabbildung nicht surjektiv, da die Identität nicht im Bild liegt.


In der Theorie der riemannschen Flächen spielen neben der Strukturgarbe der holomorphen Funktionen die Garbe der invertierbaren holomorphen Funktionen (Einheitengarbe), die Garbe der lokal-konstanten Funktionen (mit Werten in ), die Garbe der reell-partiell differenzierbaren Funktionen, die Garbe der differenzierbaren Differentialformen, die Garbe der holomorphen Differentialformen, die Garbe der meromorphen Funktionen, die Garbe der Hauptteile, die Garbe der meromorphen Diffeentialformen, die Garbe der Divisoren, invertierbare Garben eine wichtige Rolle. Garben sind miteinander durch kurze exakte Sequenzen verbunden und die Beziehung zwischen lokalen und globalen Aspekten wird systematisch durch die Kohomologie der Garbe erfasst.