Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 22
Wir besprechen nun eine wichtige analytische Hilfstechnik namens Partition der Eins. Wir werden sie im Beweis für die Aussage, dass orientierbare Mannigfaltigkeiten eine positive Volumenform besitzen, und für den Beweis des Satzes von Stokes einsetzen. In dieser Vorlesung werden wir Partitionen der Eins konstruieren, wozu wir zunächst einige topologische Begriffe benötigen.
- Kompakte Ausschöpfung
Es sei ein topologischer Raum und eine Teilmenge. Dann heißt
der Abschluss (oder topologische Abschluss) von .
Für metrische Räume haben wir den Abschluss als Menge aller Berührpunkte schon früher eingeführt, siehe insbesondere Aufgabe 35.3 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).
Diese beiden Begriffe stehen durch
miteinander in Beziehung. Auch der Begriff des Randes überträgt sich von der metrischen Situation auf beliebige topologische Räume.
Es sei ein topologischer Raum und eine Teilmenge. Unter dem Rand von versteht man die Menge
Man beachte, dass dieser topologische Rand ein anderes Konzept ist als der Rand bei einer berandeten Mannigfaltigkeit, allerdings besteht eine Beziehung, die in Aufgabe 22.1 besprochen wird.
Es sei ein topologischer Raum und
eine Funktion. Dann heißt der topologische Abschluss
der Träger von .
Es sei ein topologischer Raum. Eine kompakte Ausschöpfung , , von ist eine Folge von kompakten Teilmengen mit
Der wird durch die abgeschlossenen Bälle , . kompakt ausgeschöpft, siehe Aufgabe 22.6.
- Partitionen der Eins
Es sei eine Mannigfaltigkeit mit einer abzählbaren Basis der Topologie.
Dann besitzt eine kompakte Ausschöpfung.
Zu jedem Punkt gibt es eine offene Kartenumgebung ,
sowie Ballumgebungen
Wegen der Homöomorphie der Kartenabbildung und der Kompaktheit der abgeschlossenen Bälle ist eine kompakte Teilmenge von , die die offene Umgebung von umfasst. Die , , bilden eine offene Überdeckung von , sodass es nach Aufgabe 2.8 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) eine abzählbare Teilüberdeckung gibt. Diese sei mit , , bezeichnet (wobei die in den kompakten Teilmengen liegen). Wir definieren nun rekursiv eine monoton wachsende Abbildung
derart, dass
eine kompakte Ausschöpfung von ist. Als endliche Vereinigungen von kompakten Mengen sind diese kompakt. Wir beginnen mit . Es sei schon konstruiert. Die Menge
ist kompakt und wird daher von endlich vielen offenen Mengen überdeckt, wobei wir wählen. Mit dieser Wahl ist
und diese Folge bildet eine Ausschöpfung, da die , , eine offene Überdeckung von bilden.
Es sei ein topologischer Raum. Eine Familie von Funktionen
mit heißt eine Partition der Eins, wenn folgende Eigenschaften gelten.
- Es ist für alle .
- Jeder Punkt besitzt eine offene Umgebung derart, dass die eingeschränkten Funktionen bis auf endlich viele Ausnahmen die Nullfunktion sind.
- Es ist .
Die zweite Eigenschaft sichert dabei, dass die Summe in (3) definiert ist, da für jeden Punkt und fast alle die Gleichheit gilt. Bei einer Mannigfaltigkeit nennt man eine solche Partition differenzierbar, wenn alle differenzierbare Funktionen sind.
Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes . Eine Partition der Eins
mit heißt eine der Überdeckung untergeordnete Partition der Eins, wenn es für jedes eine offene Menge aus der Überdeckung derart gibt, dass der Träger von in liegt.
Es sei eine Mannigfaltigkeit mit einer abzählbaren Basis der Topologie. Es sei eine offene Überdeckung von .
Dann gibt es einen abzählbaren verträglichen Atlas , , mit Ballumgebungen
(dabei ist und ) derart, dass es für jedes ein mit gibt, dass von , , überdeckt wird und dass jeder Punkt nur in endlich vielen der Mengen liegt.
Es sei die offene Überdeckung
, ,
gegeben. Ferner sei
, ,
eine
kompakte Ausschöpfung
von , die es nach
Lemma 22.6
gibt. Die offenen Mengen bilden ebenfalls eine offene Überdeckung, da es zu jedem Punkt
ein minimales
mit
(es sei
)
gibt. Für dieses ist
und .
Indem wir die Durchschnitte betrachten, können wir annehmen, dass alle Mengen der Überdeckung innerhalb von einem liegen.
Zu jedem Punkt
gibt es eine offene
(verträgliche)
Kartenumgebung
,
die in einem der liegt und für die es Ballumgebungen
gibt mit und . Diese , , bilden dann ebenfalls eine offene Überdeckung von . Nach Aufgabe 2.8 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) können wir zu einer abzählbaren Teilüberdeckung davon übergehen. Wir können also annehmen, dass ein System von Karten , , zusammen mit Ballumgebungen
derart gegeben ist, dass auch
, ,
eine offene Überdeckung von ist, dass jedes in einem liegt und dass die oben beschriebene Beziehung zu der kompakten Ausschöpfung gilt.
Wir werden eine Teilmenge
derart definieren, dass die Familie
, ,
auch noch die Endlichkeitseigenschaft erfüllt. Zu
betrachten wir die kompakte Menge . Diese wird von endlich vielen der
, ,
überdeckt, und zwar braucht man dazu nur Indizes mit der Eigenschaft, dass in liegt. Die zugehörige endliche Indexmenge sei mit bezeichnet, und sei
.
Dann wird jedes nur von endlich vielen der
, ,
getroffen.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer abzählbaren Basis der Topologie.
Dann gibt es zu jeder offenen Überdeckung eine der Überdeckung untergeordnete stetig differenzierbare Partition der Eins.
Nach Lemma 22.9 können wir davon ausgehen, dass eine offene Überdeckung aus Kartengebieten , , ( abzählbar) mit
und mit Ballumgebungen
(mit ) vorliegt derart, dass auch die eine Überdeckung von bilden und dass jeder Punkt nur in endlich vielen der und insbesondere nur in endlich vielen dieser enthalten ist. Auf betrachten wir die Funktion , die durch
definiert ist. Diese Funktion hat genau auf einen positiven Wert und ihr Träger ist . Eine Betrachtung auf den beiden offenen Teilmengen (die überdecken) und zeigt, dass unendlich oft differenzierbar ist. Wir definieren eine Funktion
durch
Diese Funktion ist stetig differenzierbar auf , da der „Streifen“ einen glatten Übergang erlaubt. Wir setzen
wobei dies für jeden Punkt eine endliche Summe ist, da der Träger von in
liegt. Diese Funktion ist stetig differenzierbar auf und überall positiv, da die auf den überdeckenden Mengen positiv sind. Dann bilden die
die gesuchte Partition der Eins.
- Orientierungen auf Mannigfaltigkeiten und Volumenformen
Mit Hilfe von Partitionen der Eins können wir nun die Umkehrung von Lemma 15.5 beweisen.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer abzählbaren Basis der Topologie.
Dann existiert genau dann eine stetige nullstellenfreie Volumenform auf , wenn orientierbar ist.
Diese Volumenform kann dann auch stetig differenzierbar und positiv gewählt werden.
Die eine Richtung wurde bereits
in Lemma 15.5
bewiesen.
Es sei also umgekehrt
orientierbar
und ein
abzählbarer
orientierter Atlas
, ,
von gegeben. Dabei ist
offen
und die
Koordinaten
definieren eine nullstellenfreie stetige
(sogar beliebig oft differenzierbare)
Volumenfom
auf . Wir setzen
und erhalten so eine nullstellenfreie Volumenform auf , die wir außerhalb von durch fortsetzen.[1]
Es sei nun , , eine der Überdeckung , , untergeordnete, stetig differenzierbare Partition der Eins, die es nach Satz 22.10 gibt. Insbesondere gibt es also für jedes ein derart, dass der Träger von in liegt. Daher sind die stetige -Differentialformen auf . Wir setzen
Dies ist für jeden Punkt eine endliche Summe und somit eine wohldefinierte stetige -Differentialform auf . Für einen Punkt und eine die Orientierung repräsentierende Basis von ist
Dabei gibt es ein mit
,
und für dieses ist auch
,
da ja
liegt, sodass diese Form überall positiv ist.
- Fußnoten
- ↑ Diese Fortsetzung ist natürlich nicht stetig, das spielt aber für das Folgende keine Rolle.
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