Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 10
- Erzeugte Algebra und erzeugter Körper
Es sei eine Körpererweiterung und sei ein algebraisches Element.
Dann ist die von erzeugte -Algebra ein Körper.
Nach Satz 7.11 liegt eine - Algebraisomorphie vor, wobei das Minimalpolynom zu ist. Nach Lemma 7.12 (2) ist irreduzibel, sodass wegen Korollar 7.7 der Restklassenring ein Körper ist.
Es sei eine Körpererweiterung und sei ein algebraisches Element.
Dann stimmen die von über erzeugte Unteralgebra und der von über erzeugte Unterkörper überein.
Es gilt also .
Die Inklusion gilt immer, und nach Voraussetzung ist der Unterring aufgrund von Satz 10.1 schon ein Körper.
Es sei ein Körper, ein irreduzibles Polynom und die zugehörige Körpererweiterung. Dann kann man zu , , (mit ) auf folgende Art das Inverse bestimmen. Es sind und teilerfremde Polynome in und daher gibt es nach Satz 3.15 und Lemma 3.16 eine Darstellung der , die man mit Hilfe des euklidischen Algorithmus finden kann. Wenn ist, so ist die Restklasse von , also , das Inverse zu .
- Charakterisierung von algebraischen Elementen
Es sei eine Körpererweiterung und sei ein Element. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist algebraisch über .
- Es gibt ein normiertes Polynom mit .
- Es besteht eine
lineare Abhängigkeit
zwischen den Potenzen
- Die von über erzeugte -Algebra hat endliche -Dimension.
- liegt in einer endlichdimensionalen -Algebra .
. Das ist trivial, da man ein von verschiedenes Polynom stets normieren kann, indem man durch den Leitkoeffizienten dividiert. . Nach (2) gibt es ein Polynom , , mit . Sei . Dann ist
eine lineare Abhängigkeit zwischen den Potenzen. . Umgekehrt bedeutet die lineare Abhängigkeit, dass es Elemente gibt, die nicht alle sind mit . Dies ist aber die Einsetzung für das Polynom , und dieses ist nicht das Nullpolynom. . Sei
ein normiertes Polynom mit , also mit
Dann kann man umstellen
D.h. kann man durch kleinere Potenzen ausdrücken. Durch Multiplikation dieser Gleichung mit weiteren Potenzen von ergibt sich, dass man auch die höheren Potenzen durch die Potenzen , , ausdrücken kann. . Das ist trivial. . Wenn in einer endlichdimensionalen Algebra liegt, so liegen darin auch alle Potenzen von . Da es in einem endlichdimensionalen Vektorraum keine unendliche Folge von linear unabhängigen Elementen geben kann, müssen diese Potenzen linear abhängig sein.
Mit dieser Charakterisierung können wir noch einen zweiten Beweis von
Satz 10.1
geben, der unabhängig von der Restklassenbildung ist und der zugleich zeigt, wie man aus dem Minimalpolynom eines algebraischen Elementes das inverse Element beschreiben kann.
Nach Satz 10.4 ist eine endlichdimensionale -Algebra. Wir müssen zeigen, dass ein Körper ist. Es sei dazu ein von verschiedenes Element. Damit ist auch , sodass wieder eine endlichdimensionale Algebra ist. Daher ist, wiederum nach Satz 10.4, das Element algebraisch über und es gibt ein Polynom , , mit . Wir ziehen aus diesem Polynom die höchste Potenz von heraus und schreiben , wobei der konstante Term von von verschieden sei. Die Ersetzung von durch ergibt
Da ist und sich alles im Körper abspielt, folgt . Wir können durch den konstanten Term von dividieren und erhalten die Gleichung
Umstellen ergibt
Das heißt, dass das Inverse zu sich als Polynom in schreiben lässt und daher zu und erst recht zu gehört.
- Algebraischer Abschluss
Es sei eine Körpererweiterung und sei der algebraische Abschluss von in .
Dann ist ein Unterkörper von .
Wir müssen zeigen, dass bezüglich der Addition, der Multiplikation, des Negativen und des Inversen abgeschlossen ist. Es seien . Wir betrachten die von und erzeugte -Unteralgebra , die aus allen -Linearkombinationen der , , besteht. Da sowohl als auch algebraisch sind, kann man nach Satz 10.4 gewisse Potenzen und durch kleinere Potenzen ersetzen. Daher kann man alle Linearkombinationen mit den Monomen , , , ausdrücken. D.h. alle Operationen spielen sich in dieser endlichdimensionalen Unteralgebra ab. Daher sind Summe, Produkt und das Negative nach Satz 10.4 wieder algebraisch. Für das Inverse sei algebraisch. Dann ist nach Satz 10.1 ein Körper von endlicher Dimension. Daher ist selbst algebraisch.
- Algebraische Zahlen
Die über den rationalen Zahlen algebraischen komplexen Zahlen erhalten einen speziellen Namen.
Eine komplexe Zahl heißt algebraisch oder algebraische Zahl, wenn sie algebraisch über den rationalen Zahlen ist. Andernfalls heißt sie transzendent.
Die Menge der algebraischen Zahlen wird mit bezeichnet.
Eine komplexe Zahl ist genau dann algebraisch, wenn es ein von verschiedenes Polynom mit rationalen Koeffizienten und mit gibt. Durch Multiplikation mit einem Hauptnenner kann man für eine algebraische Zahl auch ein annullierendes Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten finden (das allerdings nicht mehr normiert ist). Eine rationale Zahl ist trivialerweise algebraisch, da sie Nullstelle des linearen rationalen Polynoms ist. Weiterhin sind die reellen Zahlen und für algebraisch. Dagegen sind die Zahlen und nicht algebraisch. Diese Aussagen sind keineswegs selbstverständlich, die Transzendenz von wurde beispielsweise von Ferdinand von Lindemann 1882 gezeigt.
- Algebraautomorphismen
Wir beginnen nun mit der eigentlichen Galoistheorie. Die folgenden Definitionen werden wir vor allem für eine Körpererweiterung anwenden.
Es sei ein kommutativer Ring und eine kommutative - Algebra. Ein bijektiver - Algebrahomomorphismus
heißt -Algebraautomorphismus.
Es sei ein kommutativer Ring und eine kommutative -Algebra. Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Identität ist ein - Algebraautomorphismus.
- Die Verknüpfung von zwei -Algebraautomorphismen und ist wieder ein Automorphismus.
- Die Umkehrabbildung zu einem -Algebraautomorphismus ist wieder ein Automorphismus.
- Die Menge der -Algebraautomorphismen bilden mit der Hintereinanderschaltung als Verknüpfung eine Gruppe.
Beweis
Es sei ein kommutativer Ring und eine kommutative -Algebra. Die Menge der - Algebra-Automorphismen
mit der Hintereinanderschaltung als Verknüpfung heißt Automorphismengruppe der Algebra. Sie wird mit bezeichnet.
Es sei ein Körper und der Polynomring über in Variablen. Es sei
ein linearer Automorphismus, der durch eine invertierbare Matrix
gegeben ist. Wir definieren dazu direkt einen - Algebraautomorphismus, nämlich den durch
definierten Einsetzungshomomorphismus (in mehreren Variablen), den wir mit bezeichnen. Dabei handelt es sich in der Tat um einen Algebraautomorphismus: Der inverse lineare Automorphismus definiert in der gleichen Weise einen Algebrahomomorphismus , und es gilt , da diese Hintereinanderschaltung jede Variable auf sich selbst abbildet.
Bei einem Polynomring in einer Variablen über einem Körper ist jeder -Automorphismus ein linearer Automorphismus, also durch die Zuordnung mit gegeben. Dies ist in mehreren Variablen nicht der Fall, in der Tat ist schon die Automorphismengruppe von nicht vollständig verstanden. Ein wichtiges offenes Problem ist hierbei das Jacobiproblem.
- Die Galoisgruppe einer Körpererweiterung
Es sei eine Körpererweiterung. Dann nennt man die Automorphismengruppe
die Galoisgruppe der Körpererweiterung.
Es sei eine Körpererweiterung und es sei , , ein Erzeugendensystem (als Körper) von über . Es sei mit für alle .
Dann ist .
Wir zeigen, dass die Teilmenge
gleich ist. Da ein -Algebrahomomorphismus ist, ist und nach Voraussetzung ist . Mit ist wegen (und entsprechend für die Multiplikation) auch . Ferner ist mit , , wegen
auch . Also ist ein Unterkörper, der und das Körpererzeugendensystem umfasst und daher ist .
Es ist eine grundlegende Frage, welche Eigenschaften eines Elementes unter einem -Algebraautomorphismus erhalten bleiben und welche nicht.
Es sei eine Körpererweiterung, , ein Polynom mit und sei .
Dann ist auch .
Sei mit . Dann ist
Es sei eine endliche Körpererweiterung.
Dann ist die Galoisgruppe endlich.
Die Körpererweiterung besitzt ein endliches - Algebraerzeugendensystem, also . Nach Lemma 10.14 ist ein - Algebraautomorphismus
durch , , eindeutig festgelegt. Da jedes nach Satz 10.4 algebraisch ist, gibt es Polynome
mit . Nach Lemma 10.15 ist auch . Die Polynome besitzen aber nach Korollar 19.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)) jeweils nur endlich viele Nullstellen, sodass nur endlich viele Werte für in Frage kommen.
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