Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Teil II/Vorlesung 47
- Kommensurabilität
Zwei Strecken und heißen kommensurabel, wenn es eine Strecke mit der Eigenschaft gibt, dass beide Strecken ganzzahlige Vielfache von sind.
Reelle Zahlen heißen kommensurabel, wenn eine rationale Zahl ist.
Somit handelt es sich um die Äquivalenzrelation zur Untergruppe
im Sinne von Definition 46.1.
Die Frage, inwiefern es über die rationalen Zahlen hinaus weitere sinnvolle Zahlen gibt, geht in die griechische Antike zurück. Die Frage wurde in der Form gestellt, ob je zwei in natürlicher Weise gegebene Strecken zueinander kommensurabel sind, ob es also eine dritte Strecke gibt, von der beide Strecken ganzzahlige Vielfache sind. Die Pythagoreer waren von der Harmonie des Universums überzeugt und das schloss ihrer Auffassung nach mit ein, dass alle Streckenverhältnisse durch ganze Zahlen ausgedrückt werden können. Solche ganzzahligen Beziehungen fanden sie in der Musik (Schwingungsverhältnisse) und vermuteten sie für die Planeten und ihre Bewegungen und für die gesamte Geometrie. Es wird darüber spekuliert, ob in den pythagoreischen Kreisen die in Satz 4.6 (Mathematik für Anwender (Osnabrück 2023-2024)) besprochene Überlegung, die die Irrationalität der begründet (die Inkommensurabilität von Seitenlänge und Diagonale in einem Quadrat), bekannt war und sogar geheimgehalten wurde. Jedenfalls setzte sich später in der Antike die Erkenntnis durch, dass es irrationale Zahlen geben muss.
Die Untergruppenbeziehung
(die man auch als eine Untervektorraumbeziehung von -Vektorräumen auffassen kann) führt ebenfalls zu einer Äquivalenzrelation auf den reellen Zahlen. Dabei sind zwei reelle Zahlen äquivalent, wenn ihre Differenz eine rationale Zahl ist.
- Homomorphie- und Isomorphiesatz
Es seien und Gruppen, es sei ein Gruppenhomomorphismus und ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Es sei vorausgesetzt, dass
ist.
Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Gruppenhomomorphismus
derart, dass ist.
Mit anderen Worten: das Diagramm
ist kommutativ.
Wir zeigen zuerst die Eindeutigkeit. Für jedes Element gibt es mindestens ein mit . Wegen der Kommutativität des Diagramms muss
gelten. Das bedeutet, dass es maximal ein geben kann.
Wir müssen zeigen, dass durch diese Bedingung eine wohldefinierte Abbildung gegeben ist. Es seien also
zwei Urbilder von . Dann ist
und somit ist . Daher ist . Die Abbildung ist also wohldefiniert. Seien und seien Urbilder davon. Dann ist ein Urbild von und daher ist
D.h. ist ein Gruppenhomomorphismus.
Wir betrachten die beiden surjektiven Gruppenhomomorphismen
und
Es ist
Daher gibt es nach dem Homomorphiesatz einen eindeutig bestimmten Gruppenhomomorphismus
der mit den Restabbildungen verträglich ist. Dieser bildet den Rest der Zahl bei Division durch auf den Rest bei Division durch ab. Der Satz beinhaltet insbesondere die Aussage, dass dieser letztere Rest allein vom ersten Rest abhängt, nicht von der Zahl selbst.
Wenn man hingegen
und
betrachtet, so ist
und es gibt keine natürliche Abbildung
Beispielsweise haben , die alle modulo den Rest haben, modulo die Reste .
Die im vorstehenden Satz konstruierte Abbildung heißt induzierte Abbildung oder induzierter Homomorphismus und entsprechend heißt der Satz auch Satz vom induzierten Homomorphismus.
Es seien und Gruppen und sei
ein surjektiver Gruppenhomomorphismus.
Dann gibt es eine kanonische Isomorphie
Wir wenden Satz 47.4 auf und die kanonische Projektion an. Dies induziert einen Gruppenhomomorphismus
mit , der surjektiv ist. Sei und . Dann ist
also . Damit ist , d.h. der Kern von ist trivial und nach Lemma 44.22 ist auch injektiv.
Es sei eine zyklische Gruppe mit einem Erzeuger . Wir betrachten den im Sinne von Lemma 44.12 zugehörigen Gruppenhomomorphismus
Da ein Erzeuger vorliegt, ist diese Abbildung surjektiv. Der Kern dieser Abbildung ist durch die Ordnung von gegeben, die wir nennen (oder , wenn die Ordnung ist). Aufgrund von Korollar 47.6 gibt es eine kanonische Isomorphie
Insbesondere gibt es bis auf Isomorphie für jedes genau eine zyklische Gruppe, nämlich .
ist surjektiv und aufgrund der Periodizität der trigonometrischen Funktionen ist der Kern gleich . Nach dem Isomorphiesatz gibt es eine kanonische Isomorphie
Die komplexe Exponentialfunktion
ist ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Der Kern ist . Nach dem Isomorphiesatz gibt es eine kanonische Isomorphie
Die Determinante
ist ein surjektiver Gruppenhomomorphismus, der Kern ist nach Definition die spezielle lineare Gruppe . Nach dem Isomorphiesatz gibt es eine kanonische Isomorphie
Es seien und Gruppen und sei
Dann gibt es eine kanonische Faktorisierung
wobei die kanonische Projektion, ein Gruppenisomorphismus und die kanonische Inklusion der Bildgruppe ist.
Dies folgt aus Korollar 47.6, angewandt auf die Bildgruppe .
Diese Aussage wird häufig kurz und prägnant so formuliert:
- Bild Urbild modulo Kern.
Es sei eine Gruppe und ein Normalteiler mit der Restklassengruppe . Es sei ein weiterer Normalteiler in , der umfasst.
Dann ist das Bild von in ein Normalteiler und es gilt die kanonische Isomorphie
Für die erste Aussage siehe Aufgabe 46.20. Damit ist die Restklassengruppe wohldefiniert. Wir betrachten die Komposition
Wegen
ist . Daher ergibt Korollar 47.6 die kanonische Isomorphie
Kurz gesagt ist also
- Restklassenräume
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und ein Untervektorraum.
Dann ist die durch
definierte Relation eine Äquivalenzrelation auf .
Beweis
Wir geben noch einen direkten Beweis, dass es sich um eine Äquivalenzrelation handelt.
Wir gehen die Bedingungen einer Äquivalenzrelation durch. Die Reflexivität folgt aus , die Symmetrie folgt aus , die Transitivität ergibt sich so: Aus und folgt .
Die Nebenklassen zu dem Untervektorraum besitzen eine einfache geometrische Interpretation, eine Nebenklasse ist nichts anderes als ein zu paralleler affiner Unterraum von , also ein Raum der Form mit . Die Quotientengruppe besteht aus der Menge dieser affinen Unterräume.
Wir können auf diese Äquivalenzrelation die allgemeinen Ergebnisse für Normalteiler in einer Gruppe und Äquivalenzrelationen anwenden und erhalten eine surjektive Quotientenabbildung (oder Identifizierungsabbildung oder kanonische Projektion)
Statt werden wir schreiben. Das Besondere an dieser Situation ist, dass diese Quotientenmenge selbst ein Vektorraum ist, und dass die kanonische Abbildung linear ist.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und ein Untervektorraum. Es sei die Menge der Äquivalenzklassen (die Quotientenmenge) zu der durch definierten Äquivalenzrelation auf und es sei
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte -Vektorraumstruktur auf derart, dass eine - lineare Abbildung ist.
Die Existenz und Eindeutigkeit der Gruppenstruktur auf und die Homomorphieeigeschaft folgt aus Satz 46.14. Die Skalarmultiplikation muss
erfüllen, damit die Projektion linear sein kann. Wir müssen zeigen, dass durch diese Vorschrift eine wohldefinierte Skalarmultiplikation auf definiert ist. Es sei mit . Dann ist
und das ist äquivalent zu . Aus der Wohldefiniertheit der Skalarmultiplikation auf und der Surjektivität der Abbildung folgt, dass eine Vektorraumstruktur vorliegt und dass die Abbildung auch mit der Skalarmultiplikation verträglich ist.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und ein Untervektorraum. Dann nennt man die Menge der Äquivalenzklassen mit der in Satz 47.14 bewiesenen Vektorraumstruktur den Restklassenraum (oder Quotientenraum) von modulo .
Es sei ein Körper und es seien und Vektorräume über . Es sei eine lineare Abbildung und eine surjektive lineare Abbildung. Es sei vorausgesetzt, dass
ist.
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung
derart, dass ist.
Mit anderen Worten: das Diagramm
ist kommutativ.
Die Existenz- und Eindeutigkeitsaussage ergibt sich aus
Satz 47.4.
Es ist also nur noch zu zeigen, dass der eindeutig bestimmte Gruppenhomomorphismus auch
mit der Skalarmultiplikation verträglich ist.
Es sei
mit einem Urbild
und sei
.
Dann ist ein Urbild von und daher ist
also ist auch mit der Skalarmultiplikation verträglich.
Die im vorstehenden Satz konstruierte Abbildung heißt induzierte lineare Abbildung und entsprechend heißt der Satz auch der Satz über die induzierte Abbildung.
Es sei ein Körper und es sei
eine surjektive lineare Abbildung zwischen - Vektorräumen.
Dann gibt es eine kanonische lineare Isomorphie
Dies folgt aus Korollar 47.6 und Satz 47.16.
Es sei ein Körper und es sei
eine lineare Abbildung zwischen - Vektorräumen.
Dann gibt es eine kanonische Faktorisierung
wobei die kanonische Projektion, ein Vektorraum-Isomorphismus und die kanonische Inklusion des Bildraumes in ist.
Dies folgt aus Korollar 47.17, angewendet auf die surjektive lineare Abbildung
Diese Aussage wird häufig kurz und prägnant so formuliert:
- Bild Urbild modulo Kern.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer direkten Summenzerlegung
in Untervektorräume und .
Dann ist
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