Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 12

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Vektorbündel

Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit dem Tangentialbündel . Zu einem Kartengebiet und einer Karte

gibt es nach Lemma 10.8 eine Homöomorphie

die für jeden Basispunkt in der zweiten Komponente linear ist. Für eine weitere Karte

ist die Übergangsabbildung

linear in den Fasern. Über die Homöomorphismen erhält man auch direkt Homöomorphismen

über und zugehörige Übergangsabbildungen

die bezüglich linear sind.


Das Tangentialbündel ist ein wichtiges Beispiel für ein Vektorbündel.


Definition  

Es sei ein topologischer Raum und . Ein reelles Vektorbündel vom Rang ist ein topologischer Raum zusammen mit einer stetigen Abbildung derart, dass jede Faser ein - dimensionaler reeller Vektorraum ist und dass es eine offene Überdeckung und Homöomorphismen

über gibt, die in jeder Faser einen linearen Isomorphismus

induzieren.

Dabei nennt man auch den Totalraum und den Basisraum des Vektorbündels. Für die Faser schreibt man oft auch .

In der Homöomorphie ist die rechte Seite mit der Produkttopologie und der mit der natürlichen euklidischen Topologie und ist mit der induzierten Topologie von versehen. Somit tragen alle Fasern die natürliche Topologie eines endlichdimensionalen reellen Vektorraumes. Mit Homöomorphismus über ist gemeint, dass das Diagramm

kommutiert. Das Produkt ist ein Vektorbündel, das das triviale Vektorbündel heißt. Eine lineare Homöomorphie heißt eine (lokale) Trivialisierung. Die Einschränkung eines Vektorbündels auf die ist trivial, lokal ist also jedes Vektorbündel trivial. Ein Vektorbündel vom Rang heißt auch Geradenbündel.

Bemerkung  

Ein reelles Vektorbündel über einem topologischen Raum kann man auch nur unter Bezug auf eine offene Überdeckung

und Trivialisierungen

definieren, wenn man fordert, dass die Übergangsabbildungen (die sich über ergeben)

linear in der Vektorraumkomponente ist. Dies ergibt eine Vektorraumstruktur in jeder Faser, wofür man eine beliebige Trivialisierung heranzieht.



Lemma  

Es sei ein reelles Vektorbündel über einem topologischen Raum .

Dann ist zu jeder offenen Menge die Einschränkung

ebenfalls ein Vektorbündel.

Beweis  

Dies ist klar, man muss einfach nur die faserweise linearen Homöomorphismen

zu

einschränken.



Definition  

Es seien und reelle Vektorbündel auf einem topologischen Raum . Ein Homomorphismus von Vektorbündeln ist eine stetige Abbildung über derart, dass für jeden Punkt die induzierte Abbildung

- linear ist.

Die folgende Beobachtung erlaubt die Konstruktion einer Vielzahl von Vektorbündeln.

Bemerkung  

Es sei ein topologischer Raum und seien reellwertige stetige Funktionen auf . Diese definieren eine Abbildung

zwischen dem trivialen Vektorbündel vom Rang über und dem trivialen Vektorbündel vom Rang über . Diese Abbildung ist stetig und über jedem Punkt liegt die Linearform zur Zeilenmatrix vor, daher handelt es sich um einen Homomorphismus von Vektorbündeln. Über den Kern ergibt sich in jeder Faser ein Untervektorraum, der die Dimension besitzt, es sei denn, alle Funktionen verschwinden simultan im Punkt . Es sei , dann ist die offene Teilmenge, auf der zumindest ein nicht verschwindet und wo somit die Kerne stets die Dimension besitzen. Das Kernbündel zu den ist nun das Vektorbündel auf , das faserweise durch die Kerne bestimmt ist, also

Gemäß Aufgabe 12.26 gibt es Trivialisierungen über und es handelt sich in der Tat um ein Vektorbündel.



Beispiel  

Wir betrachten über dem die Abbildung

als ein Homomorphismus von Vektorbündeln im Sinne von Bemerkung 12.5. Die einzige gemeinsame Nullstelle der beiden Koordinatenfunktionen ist der Ursprungspunkt , somit ist und das zugehörige Kernbündel ist

Es besteht aus einer Familie von Geraden in einer Ebene, wobei die Geraden sich mit dem Basispunkt bewegen.



Beispiel  

Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Der Tangentialraum zu ist der Kern des totalen Differentials , das durch die partiellen Ableitungen gegeben ist und daher als -linearer Untervektorraum des vorliegt, siehe auch Satz 10.3. Wir betrachten die Abbildung

und das zugehörige Kernbündel

im Sinne von Bemerkung 12.5. Dieses Bündel stimmt unmittelbar faserweise mit den Tangentialräumen an überein. Es handelt sich aber in der Tat um das Tangentialbündel, wie der Vergleich mit Aufgabe 10.22 ergibt.



Definition  

Es seien und reelle Vektorbündel auf einem topologischen Raum . Ein Homomorphismus von Vektorbündeln heißt Isomorphismus, wenn es einen Homomophismus gibt, der verknüpft mit (in beiden Reihenfolgen) die Identität ergibt.


Definition  

Es seien und topologische Räume und es sei

eine stetige Abbildung. Unter einem stetigen Schnitt zu versteht man eine stetige Abbildung mit

Man denke bei beispielsweise an ein Vektorbündel über . Einen Schnitt kann es nur geben, wenn surjektiv ist, was bei einem Vektorbündel stets der Fall ist. Gelegentlich identifiziert man einen Schnitt mit seinem Bild, was problemlos ist, da ein Schnitt stets injektiv ist. Eine besondere Rolle spielt der Nullschnitt, der jedem Basispunkt den Nullpunkt im Vektorraum zuordnet. Für das Tangentialbündel sind die stetigen Schnitte einfach die stetigen Vektorfelder. Für das triviale Vektorbündel

gibt es die konstanten Schnitte , , die jedem Punkt den Vektor zuordnen. Die Familie dieser Schnitte bilden für jeden Punkt eine Basis in der darüber liegenden Faser.

Es sei ein reelles Vektorbündel vom Rang über einem topologischen Raum und sei eine offene Teilmenge. Eine Familie von stetigen Schnitten

heißt eine Familie von Basisschnitten, wenn für jeden Punkt die Vektoren eine Basis von bilden.


Die Existenz von (stetigen) Basisschnitten auf einer offenen Menge ist äquivalent zur Existenz einer (stetigen) Trivialisierung des Vektorbündels über , siehe Aufgabe 12.14.



Verklebungsdaten

Die Idee, lokale Daten zu verkleben, um globale Objekte zu beschreiben, ist uns schon in Aufgabe 8.15 begegnet.


Definition  

Unter einem Verklebungsdatum für ein reelles Vektorbündel vom Rang über einem topologischen Raum versteht man den folgenden Datensatz.

  1. Eine offene Überdeckung
  2. Eine Familie , , von reellen Vektorbündeln vom Rang .
  3. Für jedes Paar einen Isomorphismus von Vektorbündeln

    über .

  4. Für Indizes ist die Kozykelbedingung

    als Abbildung von nach erfüllt.

Bemerkung  

Typischerweise sind in der Definition 12.10 die Vektorbündel aus (2) triviale Vektorbündel auf , also . Die Isomorphismen aus (3) sind dann einfach durch bijektive lineare Abbildungen gegeben, die stetig vom Basispunkt aus abhängen. Diese kann man kompakt durch stetige Abbildungen

in die allgemeine lineare Gruppe beschreiben. Den Basispunkten wird also in stetiger Weise eine invertierbare - Matrix zugeordnet, wobei die Stetigkeit bedeutet, dass sämtliche Matrixeinträge stetige Funktionen sind. Man spricht von einer Matrixbeschreibung des Bündels. Die Kozykelbedingung bleibt bestehen.




Lemma

Es sei ein Verklebungsdatum , , über einem topologischen Raum

gegeben.

Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes reelles Vektorbündel und Isomorphismen derart, dass

gilt.

Beweis

Siehe Aufgabe 12.12.



Beispiel  

Wir betrachten auf der eindimensionalen Sphäre

die offene Überdeckung mit und . Darauf beschreiben wir ein Verklebungdatum für ein reelles Vektorbündel vom Rang . Die beiden offenen Mengen sind homöomorph zur reellen Geraden. Es ist

und dies ist nicht zusammenhängend, sondern homöomorph zu zwei disjunkten reellen offenen Halbgeraden (bzw. Geraden). Wir setzen und . Wir legen einen Isomorphismus

durch

fest. Man beachte, dass stetig ist, da die beiden funktionalen Ausdrücke für zueinander disjunkte offene Teilmengen gelten. Auf der einen Hälfte wird identisch abgebildet, auf der anderen Hälfte wird umgeklappt. Im Sinne von Bemerkung 12.11 liegt die stetige (konstante) Matrixbeschreibung

auf vor. Da nur zwei offene Mengen vorliegen, ist die Kozykelbedingung automatisch erfüllt. Dieses Verklebungsdatum definiert nach Lemma 12.12 ein reelles Vektorbündel vom Rang auf der Sphäre, das Möbiusband heißt.



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