Kurs:Zahlentheorie (Osnabrück 2016-2017)/Vorlesung 28
Der historische Ursprung der quadratischen Zahlbereiche wue auch der Klassengruppe liegt in der besonders von Gauß entwickelten Theorie der quadratischen Formen. In der ersten Vorlesung haben wir gefragt, welche Zahlen als Summe von zwei Quadratzahlen darstellbar sind, also von der Form sind, und dies haben wir im weiteren Verlauf mit der Norm im Ring der Gaußschen Zahlen in Verbindung gebracht. Einen ähnlichen Zusammenhang gibt es zu jeder binären quadratischen Form.
- Binäre quadratische Formen
Unter einer binären quadratischen Form versteht man einen Ausdruck der Gestalt
mit .
Die heißen die Koeffizienten der quadratischen Form. Wir fassen eine binäre quadratische Form als eine Abbildung
auf. Die Matrix
heißt die Gramsche Matrix zur Form . Mit ihr kann man
schreiben.
Die Diskriminante kann man auch als der Determinante von ansehen. Wir werden diese Diskriminante bald mit der Diskriminante eines quadratischen Zahlbereiches in Verbindung bringen.
Man sagt, dass eine ganze Zahl durch eine binäre quadratische Form
darstellbar ist, wenn es ganze Zahlen mit
gibt.
Die Zahlen sind unmittelbar darstellbar. Im Allgemeinen ist es schwierig, die Mengen aller darstellbaren Zahlen zu beschreiben. Für die quadratische Form bedeutet die Darstellbarkeit, dass eine Summe von zwei Quadraten ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist die Betrachtung der Faktorzerlegung in hilfreich.
Eine binäre quadratische Form heißt einfach, wenn die Koeffizienten teilerfremd sind.
Wenn der größte gemeinsame Teiler von ist, so nennt man die durch
gegebene Form die Vereinfachung der ursprünglichen Form. Es handelt sich dann um eine einfache Form.
Zu einer Matrix mit ganzzahligen Einträgen und einer binären quadratischen Form erhält man durch die Hintereinanderschaltung
die neue quadratische Form . Wenn man die Variablen links mit bezeichnet, so liegt insgesamt die quadratische Form vor, die ein Tupel auf
abbildet. Die neuen Koeffizienten der transformierten Form sind also
Dies können wir auch als Matrixgleichung als
schreiben, siehe Aufgabe 28.5. Die Matrix ist über genau dann invertierbar, wenn ihre Determinante gleich oder gleich ist, siehe Aufgabe 28.1. Bei einer solchen invertierbaren Transformation ändern sich wesentliche Eigenschaften der Form nicht.
Zwei binäre quadratische Formen
heißen äquivalent, wenn es eine ganzzahlige invertierbare -Matrix mit
gibt.
Zwei binäre quadratische Formen
heißen strikt äquivalent, wenn es eine ganzzahlige -Matrix mit Determinante und mit
gibt.
Die Formen und sind zueinander (über die Matrix ) äquivalent, aber im Allgemeinen nicht strikt äquivalent.
- Die Äquivalenz und die strikte Äquivalenz von binären quadratischen Formen ist eine Äquivalenzrelation.
- Die Diskriminante einer binären quadratischen Form hängt nur von deren Äquivalenzklasse ab.
- Die dargestellen Zahlen hängen nur von der Äquivalenzklasse der Form ab.
- Diese beiden Aussagen folgen daraus, dass das Produkt invertierbarer Matrizen (über ) wieder invertierbar ist und aus dem Determinantenmultiplikationssatz.
- Wir arbeiten mit der Umrechnungsregel für die Koeffizienten in Matrixform, also
Der Determinantenmultiplikationssatz liefert
- Dies folgt unmittelbar aus dem kommutativen Diagramm
Wir brauchen noch ein etwas abstrakteres Konzept von einer quadratischen Form.
Es sei ein kommutativer Ring. Eine quadratische Form auf einem - Modul ist eine Abbildung
die die beiden Eigenschaften
für alle und ,
-
für alle ,
erfüllt.
Eine binäre quadratische Form auf ist eine quadratische Form in diesem Sinne, siehe Aufgabe 28.13. Auf einem freien -Modul vom Rang zwei, der also isomorph zu ist, gibt es keine kanonische -Basis, so dass eine quadratische Form auf ihm zunächst nicht in der expliziten Form von oben gegeben ist. Erst die Fixierung eines Isomorphismus
führt in die explizite Form über. Bei einer anderen Basis ändern sich zwar die Koeffizienten, doch sind die zugehörigen expliziten binären quadratischen Formen zueinander äquivalent, da sie durch die invertierbaren Basiswechselmatrizen ineinander überführt werden. Insbesondere ist die Diskriminante einer quadratischen Form auf wohldefiniert.
- Binäre quadratische Formen und quadratische Zahlbereiche
Ein quadratischer Zahlbereich ist nach Korollar 18.10 als Gruppe isomorph zu . Ferner erfüllt die Norm
die Eigenschaften einer quadratischen Form. Die Werte der Norm eingeschränkt auf den Ganzheitsring (und auf jedes Ideal) liegen in , deshalb liegt ein freier -Modul vom Rang zwei zusammen mit einer quadratischen Form vor.
Wir bestimmen für die quadratischen Zahlbereiche die binäre quadratische Form, die auf durch die Norm gegeben ist. Es sei also der Ganzheitsring in zu einer quadratfreien Zahl .
Es sei zunächst
Dann ist der Ganzheitsring nach Satz 20.9 gleich und wir arbeiten mit der -Basis . Die Norm eines Elementes ist somit
und dies ist die explizite Beschreibung der durch die Norm gegebenen quadratischen Form. Ihre Diskriminante ist
was gemäß Lemma 20.10 mit der Diskriminante des Zahlbereichs übereinstimmt.
Es sei nun
Dann ist der Ganzheitsring nach Satz 20.9 gleich mit
und wir arbeiten mit der -Basis . Die Norm eines Elementes ist wegen
gleich
und dies ist die explizite Beschreibung der durch die Norm gegebenen quadratischen Form. Ihre Diskriminante ist
was gemäß Lemma 20.10 mit der Diskriminante des Zahlbereichs übereinstimmt.
Eine solche Interpretation der Norm gilt nicht nur für den ganzen Zahlbereich, sondern auch für jedes Ideal davon.
Es sei ein quadratischer Zahlbereich und es sei ein von verschiedenes Ideal in .
Dann wird durch eine binäre quadratische Form auf definiert, die einfach ist und deren Diskriminante gleich der Diskriminante des Zahlbereiches ist.
Die Norm ist eine quadratische Form auf mit Werten in . Zu jedem Element liegt ein surjektiver Restklassenhomomorphismus
vor. Beide Restklassenringe sind nach Satz 18.14 endlich, und somit ist die Anzahl von ein Teiler der Anzahl von . Diese Anzahlen sind aber nach Definition bzw. (bis auf das Vorzeichen) nach Satz 21.7 gleich bzw. . Die Quotienten liegen also in und es liegt eine ganzzahlige quadratische Form vor. Diese ist nach Korollar 18.9 binär.
Mit einer beliebigen - Basis des Ideals ist die durch die Norm gegebene binäre quadratische Form durch die Werte festgelegt, und zwar lautet die explizite Beschreibung
Mit der Konjugation gilt
und
Somit ist der mittlere Koeffizient der quadratischen Form gleich
und die Diskriminate der quadratischen Form ist gleich
Wir ziehen nun die Basis des Ideals gemäß Satz 21.1 heran. Die Diskriminante ist dann
Ja nach Fall ist die Klammer rechts gleich bzw. gleich . Im ersten Fall ist das Quadrat davon gleich . Im zweiten Fall ist das Quadrat davon gleich . Wenn man also die Norm durch die Norm des Ideals dividiert, die ja nach Korollar 21.5 gleich ist, so ergibt sich in beiden Fällen eine quadratische Form, deren Diskriminante gleich der Diskriminante des Zahlbereiches ist. Da die Diskriminante (bis eventuell auf den Faktor ) quadratfrei ist, folgt nach Aufgabe 28.12, dass die Form einfach ist.
Wir betrachten im quadratischen Zahlbereich zu das Ideal
wobei die Erzeuger zugleich eine - Basis sind. Die Norm dieses Ideals ist und die durch die Norm gegebene quadratische Form hat bezüglich dieser Basis die Gestalt
Durch Vereinfachung im Sinne von Lemma 28.10, also Division durch die Norm des Ideals, gelangt man zur quadratischen Form
mit der Diskriminante
Diese Form ist nicht zur Hauptfrom der Diskriminante aquivalent, denn diese ist . Letztere stellt beispielsweise den Wert dar, erstere nicht.
Zwei zueinander äquivalente Ideale definieren eine Äquivalenzklasse von binären quadratischen Formen. Um strikte Äquivalenzklassen zu erhalten, muss man die strikte Äquivalenz von Idealen einführen.
Es sei ein Zahlbereich. Zwei gebrochene Ideale und heißen strikt äquivalent, wenn es ein , , mit positiver Norm derart gibt, dass
Wenn man die strikte Äquivalenzklasse der Form erhalten möchte, so darf man nicht mit einer beliebigen -Basis des Ideals arbeiten, da beispielsweise die Vertauschung der Basiselemente die strikte Äquivalenzklasse der Form vertauscht. Stattdessen muss man mit einer orientierten Basis des Ideals arbeiten. Wir repräsentieren die positive Orientierung durch die Basis aus Satz 21.1. Die Übergangsmatrix zwischen zwei orientierungstreuen Basen besitzt die Determinante .
Es sei der quadratische Zahlbereich zur quadratfreien Zahl mit Diskriminante .
Dann ist die Abbildung
die einem (orientierten) Ideal die durch die vereinfachte Norm gegebe binäre quadratische Form zuordnet, mit der strikten Äquivalenz von Idealen bzw. Formen verträglich, und stiftet eine Bijektion zwischen den strikten Idealklassen und den strikten Äquivalenzklassen von einfachen quadratischen Formen mit Diskriminante .
Dass die Zuordnung aus einem Ideal eine binäre quadratische Form mit der entsprechenden Diskriminante macht, wurde in Lemma 28.10 gezeigt. Es seien und strikt äquivalente Ideale, d.h. es gibt ein mit positiver Norm und mit . Für jedes gilt nach Satz 21.7 und Kollorar 21.11
daher ist das Diagramm
kommutativ. Da die Multiplikation mit ein - Modulisomorphismus und insbesondere ein (orientierter) Gruppenisomorphismus zwischen und ist, der durch eine Matrix mit Determinante gegeben ist, bedeutet dies, dass die quadratischen Formen strikt äquivalent sind.
Es sei nun eine einfache binäre quadratische Form gegeben, deren Diskriminante gleich der Diskriminante des Zahlbereichs, also gleich bzw. sei. Im zweiten Fall ist gerade und somit ist in beiden Fällen ein Element aus .
Bei betrachten wir
Dies ist ein Ideal.
Wegen Korollar 21.6 ist
und (für den Fall )
und
Wenn man diese drei charakteristischen Werte durch dividiert, so erhält man die Werte und , was mit den Werten der vorgegebenen quadratischen Form übereinstimmt.
Für den Fall setzt man
siehe Aufgabe 18.18.
Schließlich seien Ideale und gegeben mit der Eigenschaft, dass ihre durch die vereinfachte Norm gegebenen quadratischen Formen strikt äquivalent sind. Diese strikte Äquivalenz bedeutet, dass sie durch eine Matrix mit Determinante miteinander verbunden sind. Es liegt also die Situation
vor. Wir multiplizieren das Ideal mit und das Ideal mit . Dann haben beide Ideale die gleiche Norm, die Matrix überträgt sich entsprechend und somit können wir annehmen, dass eine normerhaltende - lineare Abbildung
vorliegt. Diese induziert eine normerhaltende - lineare Abbildung
Nach Aufgabe 28.19 ist dies die Multiplikation mit einem Element des Körpers (die Determinantenbedingung schließt die Konjugation aus). Es ist also
Da jedes Ideal positive ganze Zahlen enthält, muss der Faktor (wie zuvor die Idealnormen) eine positive Norm besitzen.
Die Konjugation auf führt ein Ideal in das konjugierte Ideal über. Dabei wird die Norm der Elemente und auch die vereinfachte Norm nicht geändert. Die resultierenden quadratischen Formen sind also äquivalent, im Allgemeinen aber nicht strikt äquivalent, da die Determinante der Konjugation gleich ist. Die beiden Ideale müssen aber nicht äquivalent sein.
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