Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil III/Vorlesung 78/kontrolle
- Abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension und eine abgeschlossene Teilmenge. Dann heißt eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit der Dimension von , wenn es zu jedem Punkt eine Karte[1]
gibt mit offen, offen und mit
Dies ist genau die Eigenschaft, die die Faser einer differenzierbaren Abbildung zwischen euklidischen Räumen in einem regulären Punkt aufgrund des Satzes über implizite Abbildungen besitzt. D.h. solche Fasern sind abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten von .
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension und eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit der Dimension von .
Dann ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit derart, dass die Inklusion eine differenzierbare Abbildung ist.
Die differenzierbare Struktur auf ist durch die eingeschränkten Karten
gegeben. Dass sich die Diffeomorphismuseigenschaft der Kartenwechsel auf die Einschränkungen überträgt ergibt sich wie im Beweis zu Satz 76.2. Dass eine differenzierbare Abbildung vorliegt ergibt sich daraus, dass zu einem offenen Kartengebiet ein kommutatives Diagramm
gehört, wobei die vertikalen Pfeile offene und die horizontalen Pfeile abgeschlossene Einbettungen repräsentieren. Der obere Pfeil korrespondiert über die Kartenwechsel zu
also zur abgeschlossenen Einbettung eines Koordinatenunterraums, die natürlich differenzierbar ist.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension und es sei eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit der Dimension .
Dann ist für jeden Punkt die Tangentialabbildung
D.h. der Tangentialraum ist ein Untervektorraum der Dimension von .
Es sei und ein Kartengebiet mit der Karte
und mit der eingeschränkten Karte
Nach Lemma 77.10 (2) haben wir ein kommutatives Diagramm
Die untere horizontale Abbildung ist dabei das totale Differential zur Inklusion , und diese ist die lineare Inklusion , also injektiv. Da die vertikalen Abbildungen bijektiv sind, ist auch die obere horizontale Abbildung injektiv.
Durch die letzte Aussage ergibt sich auch, dass der in einem regulären Punkt der Faser einer differenzierbaren Abbildung , offen, als Kern des totalen Differentials (als Untervektorraum von ) definierte Tangentialraum mit dem Tangentialraum an die Faser als einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit übereinstimmt. Der (abstrakte) Tangentialraum ist aufgrund von Satz 78.3 ein Untervektorraum von der Dimension . Auch der Kern des surjektiven totalen Differentials ist ein -dimensionaler Untervektorraum von . Die Gleichheit der beiden Untervektorräume ergibt sich daraus, dass die den abstrakten Tangentialraum definierenden differenzierbaren Kurven
verknüpft mit konstant sind, siehe Aufgabe 78.20.
- Das Tangentialbündel
Zu jedem Punkt einer Mannigfaltigkeit gehört der Tangentialraum . Der Tangentialraum ist ein -dimensionaler Vektorraum, wobei die Dimension der Mannigfaltigkeit ist. Seine Elemente sind die Tangentenvektoren, das sind „infinitesimale Richtungen“ an diesem Punkt. Solche Tangenten-Richtungen an zwei verschiedenen Punkten haben zunächst einmal nichts miteinander zu tun, da ihre präzise Definition jeweils nur von beliebig kleinen offenen Umgebungen der Punkte abhängt, und da diese aufgrund der Hausdorff-Eigenschaft disjunkt gewählt werden können.
Dem steht radikal die Vorstellung gegenüber, die sich mit einer offenen Menge verbindet. Dort kann man für jeden Punkt den Tangentialraum mit dem umgebenden Vektorraum in natürlicher Weise identifizieren, indem man dem Vektor den Tangentenvektor zuordnet, der durch die lineare Kurve definiert wird. Da diese Identifizierung für jeden Punkt gilt, besteht zwischen den Tangentialräumen zu eine direkte Parallelität.
Da eine Mannigfaltigkeit durch offene Mengen überdeckt wird, die diffeomorph zu offenen Mengen in einem euklidischen Raum sind, liegt die Vermutung nahe, dass die verschiedenen Tangentialräume doch nicht völlig isoliert dastehen. Das Konzept des Tangentialbündels vereinigt alle Tangentialräume und ermöglicht es, die lokale Verbundenheit der Tangentialräume wiederzuspiegeln.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann nennt man die Menge
versehen mit der Projektionsabbildung
das Tangentialbündel von .
Ein Punkt in einem Tangentialbündel besitzt also stets einen Basispunkt und ist ein Element im Tangentialraum . Man schreibt einen solchen Punkt zumeist als mit und . Für eine offene Menge ist , also ein Produktraum. Dies gilt im Allgemeinen nicht für eine beliebige Mannigfaltigkeit. Das Tangentialbündel bringt zunächst einmal nur die verschiedenen Tangentialräume disjunkt zusammen, ohne dass verschiedene Tangentialräume miteinander identifiziert würden; allerdings entsteht durch die Topologie, die wir auf dem Tangentialbündel gleich einführen werden, eine zusätzliche „Nachbarschaftsstruktur“ zwischen den Tangentialräumen.
Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und
eine differenzierbare Abbildung. Es seien und die zugehörigen Tangentialbündel. Dann versteht man unter der Tangentialabbildung
die disjunkte Vereinigung der Tangentialabbildungen in den einzelnen Punkten, also
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und
eine Karte mit offen. Dann induziert die Karte eine natürliche Bijektion
Dabei bewegt sich in einem reellen Intervall derart, dass ist (vergleiche Lemma 77.5). Da ein Produkt von topologischen Räumen ist, ist selbst ein topologischer Raum, und es liegt nahe, diese Topologie auf zu übertragen und daraus insgesamt eine Topologie auf dem Tangentialbündel zu konstruieren.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension und
das Tangentialbündel, versehen mit der Projektionsabbildung
Das Tangentialbündel wird mit derjenigen Topologie versehen, bei der eine Teilmenge genau dann offen ist, wenn für jede Karte
die Menge offen in ist.
Insbesondere ist für jede offene Menge das Urbild offen, d.h. die Projektion ist stetig.
Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und es sei
eine differenzierbare Abbildung. Es sei
die zugehörige Tangentialabbildung. Dann gelten folgende Aussagen.
- Es gibt ein
kommutatives Diagramm
- Für eine Karte
zu offen und mit offen gibt es ein kommutatives Diagramm
- Wenn
und
offene Teilmengen
sind und die Tangentialbündel mit bzw. identifiziert werden, so ist die Tangentialabbildung gleich
- Wenn eine weitere
Mannigfaltigkeit
und
eine weitere differenzierbare Abbildung ist, so gilt
- Die Tangentialabbildung ist stetig.
- Wenn ein Diffeomorphismus ist, so ist ein Homöomorphismus.
(1) folgt unmittelbar aus der Definition der
Tangentialabbildung.
(2) folgt aus (1) unter Verwendung der natürlichen Identifizierung
für eine offene Menge im .
(3) folgt aus
Lemma 77.10 (1).
(4) folgt aus
Lemma 77.10 (4).
(5). Zu einer offenen Menge
ist offen und daher ist offen. Es genügt die Stetigkeit von
nachzuweisen. Dabei kann man als ein Kartengebiet ansetzen und durch Kartengebiete überdecken. Dann genügt es, die Stetigkeit
für Kartengebiete und zu zeigen. Es gibt dann ein kommutatives Diagramm
beweisen, wobei wir nur die hintere Komponente, also , betrachten müssen. Die -te Komponente davon ist
und dies sind nach der
-
Differenzierbarkeits-Voraussetzung stetige Abbildungen.
(6) folgt aus (5).
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Abbildung
mit der Eigenschaft, dass für jeden Punkt ist, heißt (zeitunabhängiges) Vektorfeld.
Ein Vektorfeld weist also jedem Punkt einen Richtungsvektor in diesem Punkt zu. Man sagt auch kurz, das ein Vektorfeld ein Schnitt im Tangentialbündel ist. Vektorfelder führen zu gewöhnlichen Differentialgleichungen auf Mannigfaltigkeiten.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann nennt man die Menge
versehen mit der Projektionsabbildung
und derjenigen Topologie, bei der eine Teilmenge genau dann offen ist, wenn für jede Karte
die Menge offen in ist, das Kotangentialbündel von .
Die Schnitte im Kotangentialbündel heißen -Differentialformen. Wir werden darauf ausführlich zurückkommen.
- Fußnoten
- ↑ Hier ist mit Karte jede Karte gemeint, die mit dem vorgegebenen Atlas verträglich ist; sie muss nicht selbst zum Atlas gehören.