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Kurs:Analysis (Osnabrück 2021-2023)/Teil I/Vorlesung 19

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In dieser Vorlesung untersuchen wir mit Mitteln der Differentialrechnung, wann eine Funktion

wobei ein offenes Intervall ist, (lokale) Extrema besitzt und wie ihr Wachstumverhalten aussieht. Da man nur reelle Zahlen der Größe nach miteinander vergleichen kann, nicht aber komplexe Zahlen, muss die Wertemenge reell sein. Die Definitionsmenge könnte grundsätzlich beliebig sein, und wir werden im zweiten Semester entsprechende Überlegungen für Funktionen von nach anstellen, hier ist aber die Definitionsmenge bzw. ein Teilintervall davon.



Es sei

eine Funktion, die in ein lokales Extremum besitze und dort differenzierbar sei.

Dann ist .

Wir können annehmen, dass ein lokales Maximum in besitzt. Es gibt also ein mit für alle . Es sei eine Folge mit , die gegen („von unten“) konvergiere. Dann ist und und somit ist der Differenzenquotient

was sich dann nach Lemma 6.3 auf den Limes, also den Differentialquotienten, überträgt. Also ist . Für eine Folge mit gilt andererseits

Daher ist auch und somit ist insgesamt .


Man beachte, dass das Verschwinden der Ableitung nur ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Existenz eines Extremums ist. Das einfachste Beispiel für dieses Phänomen ist die Funktion , , die streng wachsend ist, deren Ableitung aber im Nullpunkt verschwindet. Ein hinreichendes Kriterium wird in Korollar 19.7 weiter unten gegeben, siehe auch Satz 22.6.



Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung



Es sei und sei

eine stetige, auf differenzierbare Funktion mit .

Dann gibt es ein mit

Wenn konstant ist, so ist die Aussage richtig. Es sei also nicht konstant. Dann gibt es ein mit . Sagen wir, dass größer als dieser Wert ist. Aufgrund von Satz 13.10 gibt es ein , wo die Funktion ihr Maximum annimmt, und dieser Punkt kann kein Randpunkt sein. Für dieses ist dann nach Satz 19.1.


Der vorstehende Satz heißt Satz von Rolle.

Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung besagt anschaulich gesprochen, dass es zu einer Sekante eine parallele Tangente gibt.

Der folgende Satz heißt Mittelwertsatz der Differentialrechnung. Er besagt beispielsweise, dass bei einem differenzierbaren eindimensionalen Bewegungsvorgang die Durchschnittsgeschwindigkeit mindestens einmal als Momentangeschwindigkeit auftritt.


Es sei und sei

eine stetige, auf differenzierbare Funktion.

Dann gibt es ein mit

Wir betrachten die Hilfsfunktion

Diese Funktion ist ebenfalls stetig und in differenzierbar. Ferner ist und

Daher erfüllt die Voraussetzungen von Satz 19.2 und somit gibt es ein mit . Aufgrund der Ableitungsregeln gilt also



Es sei

eine differenzierbare Funktion mit für alle .

Dann ist konstant.

 Wenn nicht konstant ist, so gibt es mit . Dann gibt es aufgrund von Satz 19.3 ein , , mit , ein Widerspruch zur Voraussetzung.


Der folgende Satz heißt Monotoniesatz, er stiftet eine Beziehung zwischen dem Wachstumsverhalten der Funktion und der Positivität ihrer Ableitung.


Es sei ein offenes Intervall und

eine differenzierbare Funktion. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Funktion ist genau dann auf wachsend (bzw. fallend), wenn (bzw. ) für alle ist.
  2. Wenn für alle ist und nur endlich viele Nullstellen besitzt, so ist streng wachsend.
  3. Wenn für alle ist und nur endlich viele Nullstellen besitzt, so ist streng fallend.

(1). Es genügt, die Aussagen für wachsende Funktionen zu beweisen. Wenn wachsend ist, und ist, so gilt für den Differenzenquotienten

für jedes mit . Diese Abschätzung gilt dann auch für den Grenzwert für , und dieser ist .
Es sei umgekehrt die Ableitung .    Nehmen wir an, dass es zwei Punkte in mit gibt. Aufgrund des Mittelwertsatzes gibt es dann ein mit mit

 im Widerspruch zur Voraussetzung.

(2). Es sei nun mit nur endlich vielen Ausnahmen.  Angenommen es wäre für zwei Punkte . Da nach dem ersten Teil wachsend ist, ist auf dem Intervall konstant. Somit ist auf diesem gesamten Intervall, ein Widerspruch dazu, dass nur endlich viele Nullstellen besitzt.



Eine reelle Polynomfunktion

vom Grad besitzt maximal lokale Extrema, und die reellen Zahlen lassen sich in maximal Intervalle unterteilen, auf denen abwechselnd streng wachsend oder streng fallend ist.

Beweis

Siehe Aufgabe 19.9.



Es sei ein reelles Intervall,

eine zweimal stetig differenzierbare Funktion und ein innerer Punkt des Intervalls. Es gelte . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenn ist, so besitzt in ein isoliertes lokales Minimum.
  2. Wenn ist, so besitzt in ein isoliertes lokales Maximum.

Beweis

Siehe Aufgabe 19.10.

Eine Verallgemeinerung dieser Aussage werden wir in Satz 22.6 kennenlernen.



Der zweite Mittelwertsatz und die Regel von l'Hospital

Die folgende Aussage heißt auch zweiter Mittelwertsatz.


Es sei und seien

stetige, auf differenzierbare Funktionen mit

für alle .

Dann ist und es gibt ein mit

Die Aussage

folgt aus Satz 19.2. Wir betrachten die Hilfsfunktion

Es ist

Also ist und Satz 19.2 liefert die Existenz eines mit

Umstellen ergibt die Behauptung.


Aus dem zweiten Mittelwertsatz erhält man den ersten Mittelwertsatz zurück, wenn man für die Identität nimmt.

Zur Berechnung von Grenzwerten einer Funktion, die als Quotient gegeben ist, ist die folgende Regel von l'Hospital hilfreich.


Es sei ein offenes Intervall und ein Punkt. Es seien

stetige Funktionen, die auf differenzierbar seien mit und mit für . Es sei vorausgesetzt, dass der Grenzwert

existiert.

Dann existiert auch der Grenzwert

und sein Wert ist ebenfalls .

Zur Ermittlung des Grenzwertes benutzen wir das Folgenkriterium. Da im Intervall keine Nullstelle besitzt und ist, besitzt auch nach Satz 19.2 außer keine Nullstelle. Es sei eine Folge in , die gegen konvergiert. Zu jedem gibt es nach Satz 19.8, angewandt auf bzw. , ein (im Innern von ) mit

Die Folge konvergiert ebenfalls gegen , sodass nach Voraussetzung die rechte Seite gegen konvergiert. Daher konvergiert auch die linke Seite gegen , und wegen bedeutet das, dass gegen konvergiert.



Die Polynome

haben beide für eine Nullstelle. Es ist also nicht von vornherein klar, ob der Limes

existiert und welchen Wert er besitzt. Aufgrund der Regel von l'Hospital kann man den Grenzwert über die Ableitungen bestimmen, und das ergibt



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