Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 4/kontrolle
- Die Weingartenabbildung
Es sei eine differenzierbare Hyperfläche. Zu einem Punkt definiert man eine lineare Abbildung
auf dem Tangentialraum zu . Es sei ein differenzierbares Einheitsnormalenfeld auf , das auf einer offenen Umgebung von definiert sei. Die wesentliche Idee ist, einen Tangentialvektor durch eine differenzierbare Kurve
zu parametrisieren, dabei ist also
Das Einheitsnormalenfeld definiert dann die Abbildung
längs . Die infinitesimale Änderung des Einheitsnormalenfeldes längs wird durch den Limes
gemessen, falls dieser existiert. Nach Lemma 43.4 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) ist dieser Limes gleich der Richtungsableitung und wiederum gleich , dem totalen Differential ausgewertet am Vektor . Es wird sich herausstellen, dass diese Zuordnung
in landet.
Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei ein Einheitsnormalenfeld und sei . Dann nennt man
die Weingartenabbildung in .
Man beachte, dass die Weingartenabbildung vom Einheitsnormalenfeld abhängt, auch wenn dies nicht immer explizit gesagt wird. Wenn als Faser zu gegeben ist, so nimmt man in der Regel das zugehörige normierte Gradientenfeld zu .
Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei .
Dann ist die Weingartenabbildung ein linearer Endomorphismus des Tangentialraumes .
Es ist ein stetig differenzierbares Vektorfeld, das auf einer offenen Umgebung definiert ist. Daher ist gemäß Proposition 46.1 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))
linear in der Richtung . Wegen der Einheitsnormalenbedingung ist für alle und daher ist unter Verwendung von Aufgabe 43.14 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))
Daher steht senkrecht auf und gehört bei zum Tangentialraum .
Die Weingartenabbildung ist also die negierte Einschränkung des totalen Differentials des Einheitsnormalenfeldes auf den Tangentialraum in den Tangentialraum . Wenn man das totale Differential über die
Jacobi-Matrix
von ausrechnet, so muss man deren Wirkungsweise auf einer Basis des Tangentialraumes bestimmen, um eine Matrixdarstellung der Weingartenabbildung zu erhalten.
Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei und es sei .
Dann ist die Weingartenabbildung in die Multiplikation mit der Krümmung von in .
Dies ist eine Umformulierung von Lemma 3.11.
In der vorstehenden Aussage wurde nicht explizit auf die Orientierung Bezug genommen, dies muss man sich dazudenken.
Es sei
und wir betrachten die Faser zu über , also die Kugeloberfläche zum Radius mit dem Ursprung als Mittelpunkt. Es sei . Durch eine Isometrie kann man diesen Punkt nach transformieren, was die Weingartenabbildung nicht ändert. Eine Basis des Tangentialraumes ist dann und . Das nach innen gerichtete Einheitsnormalenfeld ist und daher ist zu
Daher ist die Weingartenabbildung Multiplikation mit dem Kehrwert des Radius.
Wir knüpfen an Beispiel 2.5 an. Die Jacobi-Matrix des Einheitsnormalenfeldes
ist
Die Weingartenabbildung ist die negierte Einschränkung dieser Abbildung auf den Tangentialraum an die Fläche, wobei Lemma 4.2 sicherstellt, dass wir wieder im Tangentialraum landen. Wir setzen voraus und arbeiten mit der Basis und des Tangentialraumes. Es ist
sodass wir unmittelbar den Eigenvektor mit dem Eigenwert gefunden haben. Ferner ist
Somit wird die Weingartenabbildung bezüglich dieser Basis durch die Matrix
beschrieben. Einen zweiten Eigenvektor im Tangentialraum erhält man (in Hinblick auf Korollar 4.8) am einfachsten, wenn man zum ersten Eigenvektor und zum Normalenvektor einen senkrechten Vektor bestimmt. Dies ergibt den Vektor , und in der Tat ist (ohne den skalaren Vorfaktor)
Der Eigenwert ist also (dies ist auch schon aus der beschreibenden Dreiecksmatrix ablesbar).
Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei ein Einheitsnormalenfeld und es sei . Es sei eine zweifach differenzierbare Realisierung auf eines Tangentenvektors .
Dann ist
Es sei
zweifach differenzierbar mit und . Es ist
für alle und daher ist mit Aufgabe 43.14 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))
In der vorstehenden Aussage ist keine zusätzliche Festlegung über die Orientierung nötig, da auf beiden Seiten das Einheitsnormalenfeld, rechts via die Weingartenabbildung, eingeht. Man beachte ferner, dass keine konstante Geschwindigkeit besitzen muss, es also viele Realisierungen gibt und die Beschleunigung nicht festgelegt ist. Der Ausdruck , der die normale Komponente der Beschleunigung beschreibt, ändert sich aber nicht, da sich auf der Hyperfläche bewegt.
Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei.
Dann ist die Weingartenabbildung in jedem Punkt selbstadjungiert.
Für Vektoren ist
zu zeigen. Mit ist gemäß Lemma 45.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))
da der erste Summand senkrecht auf dem Tangentialvektor steht. Mit Koordinatenfunktionen ist
Der obige Ausdruck ist somit gleich
Nach Satz 44.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) kann man die Reihenfolge der partiellen Ableitungen vertauschen, sodass man auch die Rollen von und vertauschen kann.
Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei.
Dann ist die Weingartenabbildung in jedem Punkt diagonalisierbar mit reellen Eigenwerten und zueinander orthogonalen Eigenräumen.
Dies folgt aus Satz 4.7 und Satz 41.11 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)).
Es sei eine offene Menge und sei der Graph zu einer zweifach stetig differenzierbaren Funktion
Dann ist die Weingartenabbildung in einem Punkt (zu dem nach oben gerichteten Einheitsnormalenfeld) durch gegeben, wobei die Hesse-Matrix zu bezeichnet und wenn man Grundvektoren mit den Tangentialvektoren aus im Sinne von Beispiel 1.2 identifiziert.
Wir knüpfen an Beispiel 1.2 an. Das nach oben gerichtete Einheitsnormalenfeld ist durch
gegeben. Wir betrachten den Weg
auf dem Graphen zum Grundvektor . Die zweite Ableitung davon ist
Nach Lemma 4.6 ist
Das bedeutet, dass die nach Satz 4.7 symmetrische Bilinearform im Tangentialraum mit der durch die (durch den Vorfaktor) skalierte Hessematrix gegebenen Bilinearform auf übereinstimmt, wenn vorne und hinten der gleiche Vektor eingesetzt wird. Nach [[Bilinearform/Symmetrisch/Polarisationsformel/Fakt|Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Bilinearform/Symmetrisch/Polarisationsformel/Fakt/Faktreferenznummer (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025))]] stimmen dann generell die Bilinearformen über ein. Dann stimmen auch die linearen Abbildungen und die durch die Hessematrix gegebene lineare Abbildung überein.