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Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil II/Vorlesung 40

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Das charakteristische Polynom

Wir möchten zu einem Endomorphismus die Eigenwerte und dann auch die Eigenräume bestimmen. Dazu ist das charakteristische Polynom entscheidend.


Zu einer - Matrix mit Einträgen in einem Körper heißt das Polynom

das charakteristische Polynom[1] von .

Für bedeutet dies

In dieser Definition nehmen wir Bezug auf die Determinante von Matrizen, die wir nur für Matrizen mit Einträgen in einem Körper definiert haben. Die Einträge sind jetzt aber Elemente im Polynomring . Da wir sie aber als Elemente im Körper der rationalen Funktionen auffassen können,[2] ist dies eine sinnvolle Definition. Gemäß der Definition ist diese Determinante ein Element in , da aber alle Einträge der Matrix Polynome sind und bei der rekursiven Definition der Determinante nur addiert und multipliziert wird, ist das charakteristische Polynom wirklich ein Polynom. Der Grad des charakteristischen Polynoms ist und der Leitkoeffizient ist , d.h. die Gestalt ist

Es gilt die wichtige Beziehung

für jedes , siehe Aufgabe 40.3.

Für eine lineare Abbildung

auf einem endlichdimensionalen Vektorraum definiert man das charakteristische Polynom

wobei eine beschreibende Matrix bezüglich einer beliebigen Basis sei. Der Determinantenmultiplikationssatz zeigt, dass diese Definition unabhängig von der Wahl der Basis ist.



Es sei ein Körper und es sei ein - dimensionaler Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung.

Dann ist genau dann ein Eigenwert von , wenn eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms ist.

Es sei eine beschreibende Matrix für , und sei vorgegeben. Es ist

genau dann, wenn die lineare Abbildung

nicht bijektiv (und nicht injektiv) ist (wegen Satz 11.11 und Lemma 10.6). Dies ist nach Lemma 39.11 und Lemma 9.12 äquivalent zu

was bedeutet, dass der Eigenraum zu nicht der Nullraum ist, also ein Eigenwert zu ist.



Wir betrachten die reelle Matrix . Das charakteristische Polynom ist

Die Eigenwerte sind also (diese Eigenwerte haben wir auch in Beispiel 39.9 ohne charakteristisches Polynom gefunden).



Zur Matrix

ist das charakteristische Polynom gleich

Die Nullstellenbestimmung dieses Polynoms führt zur Bedingung

die über nicht erfüllbar ist, sodass die Matrix über keine Eigenwerte besitzt. Über hingegen gibt es die beiden Eigenwerte und . Für den Eigenraum zu muss man

bestimmen, ein Basisvektor (also ein Eigenvektor) davon ist . Analog ist



Für eine obere Dreiecksmatrix

ist das charakteristische Polynom nach Lemma 11.8 gleich

In diesem Fall liegt das charakteristische Polynom direkt in der Zerlegung in lineare Faktoren vor, sodass unmittelbar seine Nullstellen und damit die Eigenwerte von ablesbar sind, nämlich die Diagonalelemente (die nicht alle verschieden sein müssen).




Vielfachheiten

Für eine genauere Untersuchung der Eigenräume ist die folgende Begrifflichkeit sinnvoll. Es sei

eine lineare Abbildung auf einem endlichdimensionalen Vektorraum und

. Man nennt dann den Exponenten des linearen Polynoms im charakteristischen Polynom die algebraische Vielfachheit von , die wir mit bezeichnen, und die Dimension des zugehörigen Eigenraumes, also

die geometrische Vielfachheit von . Der vorstehende Satz besagt also, dass die eine Vielfachheit genau dann positiv ist, wenn dies für die andere gilt. Im Allgemeinen können die beiden Vielfachheiten aber verschieden sein, wobei eine Abschätzung immer gilt.


Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung und .

Dann besteht zwischen der geometrischen und der algebraischen Vielfachheit die Beziehung

Sei und sei eine Basis von diesem Eigenraum, die wir durch zu einer Basis von ergänzen. Bezüglich dieser Basis hat die beschreibende Matrix die Gestalt

Das charakteristische Polynom ist daher nach Aufgabe 11.7 gleich , sodass die algebraische Vielfachheit mindestens ist.



Wir betrachten -Scherungsmatrizen

mit . Das charakteristische Polynom ist

sodass der einzige Eigenwert von ist. Den zugehörigen Eigenraum berechnet man als

Aus

folgt, dass ein Eigenvektor ist, und dass bei der Eigenraum eindimensional ist (bei liegt die Identität vor und der Eigenraum ist zweidimensional). Bei ist die algebraische Vielfachheit des Eigenwerts gleich , die geometrische Vielfachheit gleich .




Diagonalisierbarkeit

Die Einschränkung einer linearen Abbildung auf einen Eigenraum ist die Streckung um den zugehörigen Eigenwert, also eine besonders einfache lineare Abbildung. Viele Eigenwerte mit hochdimensionalen Eigenräumen korrespondieren zu strukturell einfachen linearen Abbildungen. Ein Extremfall liegt bei den sogenannten diagonalisierbaren Abbildungen vor.

Bei einer Diagonalmatrix

ist das charakteristische Polynom einfach gleich

Wenn die Zahl in den Diagonalelementen -mal vorkommt, so kommt auch der Linearfaktor mit dem Exponenten in der Faktorisierung des charakteristischen Polynoms vor. Dies gilt auch, wenn nur eine obere Dreiecksmatrix vorliegt. Anders aber als bei einer oberen Dreiecksmatrix kann man bei einer Diagonalmatrix sofort die Eigenräume angeben, siehe Beispiel 39.7, und zwar besteht der Eigenraum zu aus allen Linearkombinationen der Standardvektoren , für die gleich ist. Insbesondere ist die Dimension des Eigenraums gleich der Anzahl, wie oft als Diagonalelement auftritt. Bei einer Diagonalmatrix stimmen also algebraische und geometrische Vielfachheiten überein.


Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Dann heißt diagonalisierbar, wenn eine Basis aus Eigenvektoren zu besitzt.



Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist diagonalisierbar.
  2. Es gibt eine Basis von derart, dass die beschreibende Matrix eine Diagonalmatrix ist.
  3. Für jede beschreibende Matrix bezüglich einer Basis gibt es eine invertierbare Matrix derart, dass

    eine Diagonalmatrix ist.

Die Äquivalenz von (1) und (2) folgt aus der Definition, aus Beispiel 39.7 und der Korrespondenz zwischen linearen Abbildungen und Matrizen. Die Äquivalenz von (2) und (3) folgt aus Korollar 10.5.



Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung, die verschiedene Eigenwerte besitze.

Dann ist diagonalisierbar.

Aufgrund von Lemma 39.14 gibt es linear unabhängige Eigenvektoren. Diese bilden nach Korollar 8.9 eine Basis.



Wir schließen an Beispiel 39.9 an. Es gibt die beiden Eigenvektoren und zu den verschiedenen Eigenwerten und , sodass die Abbildung nach Korollar 40.10 diagonalisierbar ist. Bezüglich der Basis aus diesen Eigenvektoren wird die lineare Abbildung durch die Diagonalmatrix

beschrieben.

Die Übergangsmatrix von der Basis zur durch und gegebenen Standardbasis ist einfach

Die inverse Matrix dazu ist

Gemäß Korollar 10.5 besteht die Beziehung




Fußnoten
  1. Manche Autoren definieren das charakteristische Polynom als Determinante von anstatt von . Dies ändert aber - und zwar nur bei ungerade - nur das Vorzeichen.
  2. heißt der Körper der rationalen Polynome; er besteht aus allen Brüchen zu Polynomen mit . Bei oder kann man diesen Körper mit der Menge der rationalen Funktionen identifizieren.



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