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Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil II/Vorlesung 58

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Um eine weitere wichtige Charakterisierung für Gradientenfelder beweisen zu können, müssen wir wissen, wie sich Integrale verhalten, die von Parametern abhängen.



Differenzierbarkeit des Integrals

Wir beginnen mit einem Beispiel.


Wir betrachten das Integral

wobei sei. Eine Stammfunktion zu ist durch gegeben. Daher ist

Diese Funktion drückt den Wert des bestimmten Integrals zum Parameter aus. Ein Blick auf die Bauart zeigt, dass stetig und auch differenzierbar ist, und zwar ist nach der Produktregel

Andererseits kann man auch die Funktion nach ableiten und erhält

Eine Stammfunktion nach zu dieser Funktion findet man mittels partieller Integration, nämlich

und somit ist

eine Stammfunktion. Daher ist

Dies stimmt mit der Ableitung von überein, d.h. es ist

Dahinter verbirgt sich ein allgemeiner Zusammenhang, der in Satz 58.3 beschrieben wird.




Es sei ein metrischer Raum und ein kompaktes Intervall. Es sei

eine stetige Funktion.

Dann ist auch die Funktion

stetig.

Aufgrund von Satz 34.3 müssen wir für jede konvergente Folge in mit dem Grenzwert zeigen, dass die Folge der Integrale

gegen

konvergiert. Aufgrund von Lemma 23.15 genügt es zu zeigen, dass die Funktionenfolge gleichmäßig gegen konvergiert.  Nehmen wir also an, dass diese Folge nicht gleichmäßig konvergiert. Dann gibt es ein mit der Eigenschaft, dass es zu jedem ein und ein mit gibt. So können wir eine Teilfolge mit zugehörigen Punkten konstruieren, die diese Abstandbedingung erfüllen. Wegen Bolzano Weierstraß gibt es zu dieser Folge in eine konvergente Teilfolge, und durch Umbenennen können wir annehmen, dass die Folge konvergiert, sagen wir gegen . Wegen der Stetigkeit von und den Konvergenzeigenschaften gibt es ein derart, dass für alle die Abschätzungen und gelten. Damit ist

 ein Widerspruch.


Unter stärkeren Voraussetzungen hängen Integrale sogar differenzierbar von Parametern ab.


Es seien und reelle Intervalle,

eine stetige Abbildung, die in Richtung der Variablen stetig partiell differenzierbar sei.

Dann ist die Abbildung

(nach ) differenzierbar und es gilt

Aufgrund der Differenzierbarkeit von nach gibt es zu jedem nach Satz 18.5 eine in stetige Funktion mit und mit

Wir setzen


Wir zeigen zuerst, dass diese Funktion in den zwei Variablen und in jedem Punkt stetig ist. Bei kann man

auflösen und erhält so die Stetigkeit, da ja die partielle Ableitung nach Voraussetzung stetig ist. Bei verwenden wir das Folgenkriterium für die Stetigkeit. Es sei also eine Folge, die gegen

konvergiert. Wir können dabei annehmen, dass für alle ist, da ja ist. Es ist

Nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung gibt es zu jedem ein mit

und somit ist der obige Ausdruck gleich

Wegen der Stetigkeit der partiellen Ableitung und wegen wird dies beliebig klein.

In der eingangs formulierten Identität sind also alle Bestandteile stetig. Daher kann man beidseitig über integrieren und erhält ( ist in der Integration konstant)

Der Fehlerausdruck

ist stetig in , da stetig ist und wegen der Stetigkeit des Integrals. Ferner ist , sodass die Funktion linear approximierbar und damit differenzierbar ist.



Es sei ein reelles Intervall, eine offene Teilmenge und

eine stetige Abbildung, die in Richtung einer jeden Variablen , , stetig partiell differenzierbar sei.

Dann ist die Abbildung

partiell differenzierbar und es gilt

Dies folgt direkt aus Satz 58.3.



Die Integrabilitätsbedingung

Wie kann man erkennen, ob ein gegebenes Vektorfeld ein Gradientenfeld ist? Eine notwendige Bedingung schlägt sich in der folgenden Definition nieder.


Es sei eine offene Teilmenge und

ein differenzierbares Vektorfeld. Man sagt, dass die Integrabilitätsbedingung erfüllt (oder lokal integrabel ist), wenn

für alle und alle gilt.



Dies folgt direkt aus Satz 44.10.



Das lineare Vektorfeld

erfüllt wegen

nicht die Integrabilitätsbedingung. Es kann also nach Lemma 58.6 kein Gradientenfeld sein.



Eine Teilmenge heißt sternförmig bezüglich eines Punktes , wenn für jeden Punkt die Verbindungsstrecke , , ganz in liegt.



Es sei eine sternförmige offene Teilmenge und

ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent.

  1. ist ein Gradientenfeld.
  2. erfüllt die Integrabilitätsbedingung.
  3. Für jeden stetig differenzierbaren Weg hängt das Wegintegral nur vom Anfangspunkt und Endpunkt ab.

Die Äquivalenz folgt aus Satz 57.10 und die Implikation aus Lemma 58.6. Es bleibt also zu zeigen, wobei wir explizit eine Stammfunktion zum Vektorfeld angeben. Es sei ein Punkt derart, dass bezüglich sternförmig ist. Wir definieren über das Wegintegral zu zum linearen Verbindungsweg

also

Wir müssen zeigen, dass der Gradient zu gleich ist, d.h. es ist

zu zeigen. Dafür können wir annehmen und wir schreiben statt . Mit diesen Bezeichnungen und Voraussetzungen ist

Dabei beruht die zweite Gleichung auf der Vertauschbarkeit von Integration und Differentiation (angewendet auf die stetig differenzierbare Funktion , ), die vierte Gleichung auf Aufgabe 43.11, die fünfte Gleichung auf der Integrabilitätsbedingung, die sechste Gleichung auf der Kettenregel und der Produktregel und die siebte Gleichung auf der Newton-Leibniz-Formel.



Wir betrachten das Vektorfeld

Wegen

und

erfüllt dieses Vektorfeld die Integrabilitätsbedingung. Es handelt sich aber nicht um ein Gradientenfeld: Das Wegintegral zur (geschlossenen) trigonometrischen Parametrisierung des Einheitskreises

ist

im Gegensatz zu Korollar 57.9.



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