Kurs:Bündel, Garben und Kohomologie (Osnabrück 2019-2020)/Vorlesung 8
Bisher haben wir beringte Räume betrachtet, bei denen der zugrunde liegende Raum in einem gewissen Sinn zuerst da war, ein beliebiger topologischer Raum, eine reelle Mannigfaltigkeit, eine komplexe Mannigfaltigkeit, und woraus sich in natürlicher Weise eine Garbe von kommutativen Ringen als eine Garbe von stetigen, differenzierbaren, holomorphen Funktionen entwickelt hat. Als Funktionen waren die einzelnen Elemente dieser Ringe vertraut, die Ringe selbst waren aber im Allgemeinen sehr groß und unübersichtlich. Man kann sich umgekehrt fragen, inwiefern man jeden kommutativen Ring als einen globalen Schnittring eines beringten Raumes erhalten kann, oder ob es einen beringten Raum gibt, der die Eigenschaften des Ringes besonders gut widerspiegelt und hilft, die Ringe besser zu verstehen. Diese Fragen werden wir in dieser und der folgenden Vorlesung positiv beantworten. Die dabei entstehenden beringten Räume sind zugleich die lokalen Bausteine der algebraischen Geometrie.
- Das Spektrum eines kommutativen Ringes
Zu einem kommutativen Ring nennt man die Menge der Primideale von das Spektrum von , geschrieben
Man spricht auch von einem affinen Schema.
Auf dem Spektrum eines kommutativen Ringes ist die Zariski-Topologie dadurch gegeben, dass zu einer beliebigen Teilmenge die Mengen
als offen erklärt werden.
Für einelementige Teilmengen schreiben wir statt .
Die Zariski-Topologie auf dem Spektrum eines kommutativen Ringes
ist in der Tat eine Topologie.
Es ist und , da jedes Primideal die und kein Primideal die enthält.
Zu einer beliebigen Familie , , aus Teilmengen ist
Dabei ist die Inklusion klar, da gilt und da aus stets folgt. Für die andere Inklusion sei . D.h. es gibt ein mit . Somit gibt es ein mit und daher für dieses .
Zu einer endlichen Familie aus Teilmengen ist
Dabei bezeichnet die Menge aller Produkte mit . Hierbei ist die Inklusion klar. Für die umgekehrte Inklusion sei für alle vorausgesetzt. Das bedeutet, dass es mit gibt. Aufgrund der Primidealeigenschaft ist dann , also .
Wir betrachten das Spektrum stets als topologischen Raum. Die Primideale sind die Punkte dieses Raumes. Wir schreiben häufig
und
,
um die geometrische Sichtweise zu betonen. Für das Primideal, das durch repräsentiert wird, schreibt man dann wiederum .
Die Komplemente der offenen Mengen, also die abgeschlossenen Mengen in der Zariski-Topologie, werden mit
bezeichnet.
Für das Spektrum eines kommutativen Ringes gelten folgende Eigenschaften.
- Es ist , wobei das durch erzeugte Ideal (Radikal) in sei. Man kann sich also bei der Beschreibung der offenen Teilmengen auf die Radikale von beschränken.
- Für eine Familie
, ,
von Idealen in ist
- Für eine endliche Familie
, ,
von Idealen in ist
- Es ist genau dann, wenn das Einheitsideal ist.
- Es ist genau dann, wenn gilt.
- Das Spektrum ist genau dann leer, wenn der Nullring ist.
- Es ist genau dann, wenn nur nilpotente Elemente enthält.
- Die offenen Mengen , , bilden eine Basis der Topologie.
- Eine Familie von offenen Mengen , , ist genau dann eine Überdeckung von , wenn die Ideale zusammen das Einheitsideal erzeugen.
(1). Die Inklusion ist klar. Die andere Inklusion beweisen wir durch Kontraposition und nehmen an. Dann ist und somit gilt
(2) und (3) sind klar nach (1) und dem Beweis zu
Lemma 8.3.
(4). Wenn nicht das Einheitsideal ist, so gibt es
nach Aufgabe 8.1 ein maximales Ideal , also .
(5). Die Implikation von rechts nach links ist klar. Für die Umkehrung sei vorausgesetzt. Dann gibt es ein mit für alle . Dann gibt es auch ein Primideal mit . Also ist und .
(6). Der Nullring besitzt kein Primideal. Ein vom Nullring verschiedener kommutativer Ring besitzt
nach Aufgabe 8.1
maximale Ideale.
(7). Jedes Primideal enthält sämtliche nilpotenten Elemente, also ist für ein solches Ideal. Wenn dagegen ein nicht nilpotentes Element enthält, so gibt es
nach Aufgabe 8.5
auch ein Primideal mit , also ist .
(8). Dies folgt direkt aus .
(9) folgt aus und (2) und (4).
Für das Spektrum eines kommutativen Ringes gelten folgende Eigenschaften.
- Der Abschluss einer Teilmenge ist .
- Der Abschluss eines Punktes ist .
- Ein Punkt ist genau dann abgeschlossen, wenn ein maximales Ideal ist.
(1). Für ist , sodass die angegebene Menge eine abgeschlossene Menge ist, die umfasst. Es sei ein Primideal mit , also . Um zu zeigen, dass auch zum Abschluss von gehört, muss man zeigen, dass jede offene Umgebung von schneidet. Es sei also , d.h. . Dann ist auch und somit gibt es ein mit . Also ist und somit .
(2) ist ein Spezialfall von (1).
(3) folgt aus (2).
Das Spektrum eines kommutativen Ringes
ist quasikompakt.
Nach Proposition 8.4 (9) ist genau dann, wenn die Ideale , , zusammen das Einheitsideal erzeugen. Das von der Familie erzeugte Ideal besteht aus allen endlichen Summen mit . Wenn also das Einheitsideal erzeugt wird, so bedeutet dies, dass es eine endliche Auswahl und Elemente mit gibt. Dann ist aber
und somit ist eine endliche überdeckende Teilfamilie gefunden.
Das Spektrum ist nur in Ausnahmesituationen ein
Hausdorffraum,
d.h. im Allgemeinen kann man zwei Punkte des Spektrums nicht durch offene Umgebungen trennen.
Die Primideale in sind einerseits die maximalen Ideale , wobei eine Primzahl ist, und andererseits das Nullideal . Die maximalen Ideale bilden die abgeschlossenen Punkte von . Das Nullideal ist darin ein weiterer nicht abgeschlossener Punkt. Die einzige abgeschlossene Menge, in der dieser Punkt enthalten ist, ist die ganze Menge. Die abgeschlossenen Mengen in sind neben der Gesamtmenge die endlichen Teilmengen aus maximalen Idealen.
Man visualisiert als eine (gedachte Gerade), auf der die Primzahlen diskret liegen, während der Nullpunkt ein fetter Punkt ist, der die gesamte Gerade repräsentiert.
Für den Polynomring über einem Körper vermitteln die sogenannten Punktideale eine gute geometrische Vorstellung von . Ein Punktideal hat die Form
zu einem festen Tupel . Ein Punktideal ist der Kern des durch festgelegten - Algebrahomomorphismus
und daher ein maximales Ideal. Diese Zuordnung definiert insgesamt eine injektive Abbildung
Wenn algebraisch abgeschlossen ist, so werden dadurch sogar alle maximale Ideale von erfasst. Daher stellt man sich das Spektrum des Polynomrings in Variablen als den affinen Raum vor, der allerdings auch noch weitere nichtabgeschlossene Punkte enthält. Zu einem Polynom besitzt eine anschauliche Interpretation: Es ist genau dann, wenn ist.
- Funktorielle Eigenschaften
Es sei ein Ringhomomorphismus zwischen kommutativen Ringen.
Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Zuordnung
ist (wohldefiniert und) stetig.
- Es ist für jedes Ideal .
- Für einen weiteren Ringhomomorphismus
gilt .
Die Abbildung ist nach Aufgabe 8.9 wohldefiniert. Zur Stetigkeit ist die Aussage (2) zu zeigen. Wir argumentieren mit den abgeschlossenen Mengen. Für ein Primideal ist genau dann, wenn ist. Dies ist äquivalent zu und ebenso zu . (3) ist klar.
Die in der vorstehenden Aussage eingeführte stetige Abbildung heißt Spektrumsabbildung
(zu dem gegebenen Ringhomomorphismus).
Bei einem Unterring geht es einfach um die Zuordnung . In diesem Fall spricht man auch von „Runterschneiden“.
Es sei ein kommutativer Ring. Dann gelten folgende Aussagen.
- Zu einem Ideal
und der Restklassenabbildung
ist die Spektrumsabbildung
eine abgeschlossene Einbettung, deren Bild ist.
- Zu einem
multiplikativen System
ist die zur kanonischen Abbildung
gehörige Abbildung
injektiv, und das Bild besteht aus der Menge der Primideale von , die zu disjunkt sind.
- Zu
ist die zur kanonischen Abbildung
gehörige Abbildung
eine offene Einbettung, deren Bild gleich ist.
(1) folgt aus Aufgabe 8.6: Die Primideale in entsprechen über den Primidealen von , die enthalten. Die angegebene Abbildung ist also bijektiv und hat das beschriebene Bild. Zu einem Ideal und einem Primideal ist genau dann , wenn
gilt. Also ist das Bild von gleich und damit abgeschlossen.
Für (2) siehe
Aufgabe 8.7.
(3). Da für ein Primideal und ein Element
die Beziehung
genau dann gilt, wenn zum
multiplikativen System
disjunkt ist, folgt aus Teil (2), dass die Abbildung injektiv ist und dass ihr Bild gleich ist. Das gleiche Argument, angewendet auf
bzw.
zeigt, dass das Bild von
gleich und damit offen ist.
Es sei ein Ringhomomorphismus zwischen zwei kommutativen Ringen und es sei
die zugehörige Spektrumsabbildung.
Dann ist die Faser über einem Primideal gleich .
D.h. die Faser besteht aus allen Primidealen mit und mit .
Aufgrund von Proposition 8.11 müssen wir nur die zweite Formulierung beweisen. Für ein Primideal gilt genau dann, wenn sowohl als auch gilt. Die erste Bedingung ist zu und die zweite Bedingung ist zu
äquivalent.
Insbesondere ist die Faser eines Spektrumsmorphismus über einem Punkt selbst wieder das Spektrum eines Ringes. Ein Spezialfall der vorstehenden Aussage ist, dass die Faser über einem maximalen Ideal gleich ist, da in diesem Fall aus
sofort
folgt und wegen der Maximalität Gleichheit gelten muss. Bei einem Integritätsbereich und dem Nullideal erübrigt es sich, das Erweiterungsideal zu betrachten, die Faser wird einfach durch beschrieben.
Es sei
ein Ringhomomorphismus zwischen kommutativen Ringen und es sei
die zugehörige Spektrumsabbildung.
Dann ist die Faser über einem Primideal genau dann leer, wenn .
Dies folgt aus Lemma 8.12 und Proposition 8.4 (6).
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