Kurs:Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022)/Vorlesung 11
Wir möchten zeigen, dass sich ein eindimensionaler komplexer Torus zu einem Gitter als eine glatte kubische projektive Kurve algebraisch realisieren lässt. Dazu müssen wir meromorphe Funktionen auf studieren, die wiederum von meromorphen Funktionen auf herrühren, die das Gitter berücksichtigen.
- Elliptische Funktionen
Es sei ein Gitter. Eine meromorphe Funktion
heißt elliptisch bezüglich oder -doppeltperiodisch, wenn
für alle gilt.
Es genügt natürlich zu zeigen, dass
für zwei Erzeuger des Gitters (und alle ) gilt. Diese Erzeuger sind die Perioden, die die Bezeichnung doppeltperiodisch rechtfertigen. Diese Eigenschaft hängt wesentlich von dem gegebenen Gitter ab, es stellt sich aber bald heraus, dass die doppeltperiodischen Funktionen strukturelle Eigenschaften erfüllen, die für alle Gitter gleich sind. Eine doppeltperiodische Funktion ist auf einem Fundamentalbereich des Gitters, beispielsweise einer Fundamentalmasche, eindeutig bestimmt.
Es sei ein Gitter. Die Menge aller elliptischen Funktionen bezüglich mit der natürlichen Addition und Multiplikation nennt man den Körper der elliptischen Funktionen.
Es ist einfach zu zeigen (vergleiche Aufgabe 11.1 und Aufgabe 11.2), dass dies in der Tat ein Körper ist. Es ist deutlich schwieriger, die Menge der elliptischen Funktionen explizit zu bestimmen. Zunächst ist keineswegs klar, dass es außer den konstanten Funktionen überhaupt elliptische Funktionen gibt.
Es sei ein Gitter.
Dann ist jede - elliptische Funktion, die holomorph ist, konstant.
Es sei eine Grundmasche des Gitters. Diese ist kompakt und die holomorph Funktion ist darauf nach Satz Anhang. (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) und Satz 81.11 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) beschränkt. Da elliptisch ist, ist mit und . Daher ist auf ganz beschränkt und daher nach dem Satz von Liouville konstant.
Wir beweisen drei fundamentale Lemmas über elliptische Funktionen, aus denen später die Charakterisierung aller elliptischen Funktionen
(siehe insbesondere
Lemma 11.13
und
Satz 12.11)
und die algebraische Realisierung eines komplexen Torus
(siehe
Satz 12.14)
folgt.
Es sei ein Gitter mit der Grundmasche und es sei eine elliptische Funktion. Es sei derart, dass auf dem Rand von polstellenfrei ist.
Dann ist die Summe der Residuen von auf gleich .
Es sei . Es sei ein Weg, der den Rand von einfach gegen den Uhrzeigersinn durchläuft. Dann ist nach Satz 23.7 (Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)) die Summe der Residuen gleich . Der Weg besteht aus den vier linearen Teilwegen von nach , von nach , von nach und von nach . Da elliptisch ist, ist insbesondere und . D.h. die Integranden auf den gegenüberliegenden Teilwegen stimmen überein. Da sie unterschiedlich orientiert durchlaufen werden, ist das Gesamtergebnis gleich .
Es sei ein Gitter mit der Grundmasche und es sei eine elliptische Funktion. Es sei derart, dass auf dem Rand von weder eine Nullstelle noch einen Pol besitzt.
Dann ist die Summe der Ordnungen von auf gleich .
Dies folgt aus Lemma 11.4 angewendet auf die elliptische Funktion unter Verwendung von Lemma 19.7 (Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)).
Es sei ein Gitter mit der Grundmasche und es sei eine elliptische Funktion. Es sei derart, dass auf dem Rand von weder eine Nullstelle noch einen Pol besitzt.
Dann ist
Es sei . Es sei die einfach gegen den Uhrzeigersinn durchlaufene Umrandung von mit den linearen Teilwegen wie im Beweis zu Lemma 11.4. Wir betrachten die Funktion auf . Nach Korollar 19.9 (Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)) und dem Residuensatz ist
Wir verarbeiten das zweite und das vierte Integral, indem wir auf das zweite Integral die lineare Substitution anwenden. Dabei erhalten wir unter Verwendung der Periodizität und der Umkehrung des Weges
Entsprechend ergibt das erste und das dritte Integral . Nach Lemma 23.3 (Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)) ist ganzzahlig. Daher ist eine ganzzahlige Kombination von und , gehört also zum Gitter.
- Die Weierstraßfunktion
Wir setzen .
Die Familie ist genau dann summierbar, wenn die Familie summierbar ist. Die Aussage kann man auf das Standardgitter zurückführen. Wir betrachten zu die endlichen Teilfamilien (Quadrat mit Seitenlänge )
Diese besteht aus
Summanden und diese sind . Die Summe dieser Teilfamilie ist also
wobei der Exponent ist. Die Summe existiert also nach Aufgabe 11. und daher ist nach dem großen Umordnungssatz die Ausgangsfamilie summierbar.
Es sei ein Gitter.
Dann ist die meromorphe Funktion
elliptisch und besitzt genau in den Gitterpunkten einen Pol der Ordnung .
Die Konvergenz für folgt aus Lemma 11.7 durch eine geeignete Abschätzung. Daraus folgt auch die Holomorphie auf : Wir schreiben
diese Folge konvergiert außerhalb der Gitterpunkte nach Lemma 11.7 lokal gleichmäßig und daher ist die Grenzfunktion nach Satz 24.7 (Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)) holomorph. In ist konvergent und die Polordnung ist durch den fehlenden Term festgelegt. Die Funktion ist elliptisch, da sich die Summe nicht ändert, wenn man durch mit einem ersetzt.
Wir werden gleich begründen, dass diese Funktion auf holomorph und in meromorph ist.
Es sei ein Gitter.
Dann ist die Weierstraßsche -Funktion elliptisch. Sie besitzt genau in den Gitterpunkten einen Pol der Ordnung . Ihre Ableitung ist .
Die Ableitung der Summanden für ist . Ferner ist die Ableitung des allerersten Summanden. Die summandenweise genommene Ableitung ist also bis auf den Faktor die Funktion , die nach Lemma 11.8 elliptisch ist. Damit ist meromorph mit der angegebenen Poleigenschaft. Ferner ist die Funktion gerade, da ihre Ableitung ungerade ist. Zum Nachweis, dass selbst elliptisch ist, sei ein Erzeuger des Gitters. Dann ist
und ist konstant. Mit ergibt sich, dass der Wert dieser Funktion gleich
ist.
Es sei ein Gitter.
Dann nimmt die Weierstraßsche -Funktion zu auf der halboffenen Grundmasche jeden Wert (mit Vielfachheit gezählt) zweifach an.
Es sei , wir betrachten die Funktion , es geht um die Nullstellen dieser Funktion. Da es auf einer verschobenen kompakten Masche
nur endlich viele Nullstellen gibt, kann man so wählen, dass es auf den Rand weder eine Nullstelle noch einen Pol gibt. Es gibt dann in nach Lemma 11.10 genau eine Polstelle mit der Ordnung . Nach Lemma 11.5 muss es zwei Nullstellen mit Ordnung oder eine Nullstelle mit der Ordnung geben.
Es sei ein Gitter und sei eine gerade elliptische Funktion. Es sei ein Punkt mit .
Dann ist die Ordnung von in gerade.
Die Bedingung ist zu äquivalent. Für jede elliptische Funktion gilt daher . Es sei eine gerade elliptische Funktion . Durch Übergang zu können wir davon ausgehen, dass in holomorph ist. Aus folgt mit Aufgabe 11., dass die Ableitungen von abwechselnd gerade bzw. ungerade elliptische Funktionen sind. Für ungerade hat man dann einerseits und andererseits , also . Also ist die Ordnung in einem solchen Punkt gerade.
Für die Weierstraßsche Funktion bedeutet dies, dass die Ordnung in den Punkten mit
,
,
gleich ist, und in allen anderen Punkten gleich .
Es sei ein Gitter.
Dann wird der Körper der elliptischen Funktionen von und erzeugt, d.h. jede elliptische Funktion kann man als eine rationale Funktion in und schreiben.
Jede elliptische Funktion kann man als eine Summe einer geraden und einer ungeraden elliptischen Funktion schreiben, siehe Aufgabe 11.4. Eine ungerade elliptische Funktion kann man mit multiplizieren und erhält eine gerade elliptische Funktion. Es genügt also zu zeigen, dass jede gerade elliptische Funktion eine rationale Funktion in ist.
Es sei , die zugehörige Fundamentalmasche und . Es seien die Punkte in , in denen eine Pol- oder eine Nullstelle von vorliegt. Wir betrachten die elliptische Funktion
wobei die Ordnung von in ist, es sei denn, dass ist, in diesem Fall ist die Hälfte der nach Lemma 11.12 geraden Ordnung von in . Diese Funktion besitzt überall außer eventuell im Nullpunkt die gleichen Ordnungen wie , da in die Ordnung besitzt, mit den Ausnahmen für die Punkte mit , wo die Ordnung ist. Aus Lemma 11.5 folgt dann, dass auch im Nullpunkt die Ordnungen gleich sind. Daher ist holomorph und somit nach Lemma 11.3 konstant. Daher ist , da nach Konstruktion dazugehört.
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