Kurs:Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022)/Vorlesung 25
Ein Polynom kann man als ein Polynom über jedem Körper auffassen. Zu einem Körper gibt es einen eindeutig bestimmten Ringhomomorphismus und dieser legt einen Ringhomomorphismus
und somit ein Polynom fest. Hierbei werden einfach die Koeffizienten des Polynoms als Elemente in dem Körper interpretiert. Je nachdem, ob Charakteristik oder positive Charakteristik besitzt, liegt eine Faktorisierung
bzw.
vor, wobei die hintere Abbildung eine Körpererweiterung ist. Somit ist es erst einmal wichtig zu verstehen, was mit geschieht, wenn man zu den Primkörpern bzw. übergeht. Im zweiten Fall spricht man davon, das Polynom (bzw. die Gleichung bzw. die Kurve) modulo zu betrachten. Ein Extremfall liegt vor, wenn in alle Koeffizienten Vielfache einer Primzahl sind, denn dann wird modulo zum Nullpolynom. Dies kann nicht passieren, wenn die Koeffizienten zusammen teilerfremd sind. Es ist aber ein typisches Phänom, dass modulo gewisse Koeffizienten bzw. andere Invarianten des Polynoms zu werden. Da aber eine ganze Zahl nur endlich viele Primteiler besitzt, ist dieses Verhalten ein Ausnahmeverhalten für gewisse Primzahlen. Im Allgemeinen gilt das Prinzip, dass das Verhalten in Charakteristik mit dem Verhalten modulo für alle Primzahlen bis auf endlich viele Ausnahmen weitgehend übereinstimmt. Statt für alle Primzahlen bis auf endlich viele Ausnahmen spricht man auch von für fast alle Primzahlen oder für hinreichend große Primzahlen. Dabei hängt aber die Ausnahmemenge stets von der in Frage stehenden Eigenschaft ab.
- Rationale Punkte und Reduktion
Bisher haben wir elliptische Kurven über einem Körper betrachtet einschließlich der Frage, wie sich Eigenschaften der Kurve (wie der Anzahl der rationalen Punkte) bei einer Körpererweiterung verhalten. In nahezu allen Beispielen waren aber die elliptische Kurven durch eine Gleichung gegeben, deren Koeffizienten in lagen. Eine solche Gleichung definiert einerseits eine elliptische Kurve über und dann über , und über (sämtlichen endlichen oder unendlichen) Körpererweiterungen von und andererseits, wenn man die Koeffizienten modulo einer Primzahl auffasst, über den endlichen Körpern und damit über beliebigen endlichen Körpern. Bei diesem Reduktionsprozess kann für einzelne Primzahlen die Kurve singulär werden, bis auf endlich viele Primzahlen entsteht aber wieder eine glatte Kurve. In dieser Situation kann man Eigenschaften der elliptischen Kurve in Charakteristik mit Eigenschaften der elliptischen Kurven in positiven Charakteristiken in Verbindung bringen.
Eine wichtige Technik für diese Verbindung ist, dass -rationale Punkte der Kurve auch -rationale Punkte definieren. Diese Beziehung gilt, wie Lemma 25.1 zeigt, nicht nur für Kurven, sondern für beliebige projektive Varietäten, und nicht nur, wenn die Koeffizienten aus sind, sondern allgemeiner, wenn sie aus einem Dedekindbereich sind.
Es sei ein Dedekindbereich mit Quotientenkörper und es sei ein maximales Ideal von mit Restekörper . Dann gelten folgende Aussagen.
- Es gibt eine natürliche wohldefinierte Abbildung
wobei so zu wählen ist, dass für alle und eines der in eine Einheit ist.
- Für eine über definierte projektive Varietät gibt es eine natürliche Abbildung .
- Es sei
.
Durch Multiplikation mit einem
Hauptnenner
können wir annehmen, dass alle zu gehören. Diese Multiplikation ändert nicht den projektiven Punkt. Da nach
Korollar 22.18 (Zahlentheorie (Osnabrück 2016-2017))
ein
diskreter Bewertungsring
ist, gilt dort mit einer
Ortsuniformisierenden
die Beziehung
mit Einheiten . Es sei das Minimum der . Wir multiplizieren das Tupel mit und erhalten eine weitere Realisierung des gegebenen Punktes mit der verlangten Eigenschaft (nicht alle Koeffizienten gehören notwendigerweise zu , aber zu ). Von diesem Tupel kann man koeffizientenweise die Reduktion modulo nehmen. Da ein Koeffizient eine Einheit ist, ist auch die Reduktion eines Koeffizienten eine Einheit und so handelt es sich in der Tat um das homogene Koordinatentupel eines projektiven Punktes über . Wenn man eine weitere Realisierung des Punktes mit den verlangten Eigenschaften betrachtet, so unterscheiden sich diese um einen Faktor, der eine Einheit in und somit in ist. Daher definieren sie den gleichen projektiven Punkt über .
- Die projektive Varietät ist durch homogene Polynome mit Koeffizienten aus gegeben. Diese Polynome kann man modulo interpretieren. Aus
folgt direkt, wenn die die Bedingungen aus (1) erfüllen und der Überstrich Restklassenbildung bezeichnet,
also erfüllt der Punkt modulo die entsprechende Gleichung und gehört zu .
Im Fall kann man die Konstruktion aus Lemma 25.1 einfach dadurch realisieren, dass man zu einem Punkt (bzw. in ) zu einem teilerfremden Tupel aus übergeht und dann die Reduktion modulo einer Primzahl bestimmt. Dabei ist das teilerfremde Tupel unabhängig von .
Die Aussage Lemma 25.1 gilt nicht, wenn ein eindimensionaler noetherscher Integritätsbereich ist. Wenn die Normalisierung ist und über dem maximalen Ideal zwei maximale Ideale liegen (siehe Beispiel 2.8 für ein konkretes Beispiel), mit , und mit , so kann man den rationalen Punkt betrachten. Aufgefasst in ist , mit dieser Darstellung kann man direkt die Fortsetzungen in und in . Im ersten Fall ist der Wert der Reduktion von gleich , im zweiten Fall , und so kann es keine wohlbestimmte Fortsetzung nach geben.
Es sei eine projektive Varietät über und es sei eine endliche Punktmenge.
Dann sind für hinreichend große Primzahlen die Punkte alle untereinander verschieden.
Wir können direkt mit Lemma 25.1 annehmen, dass der projektive Raum über ist. Ferner können wir jeden Punkt nach Bemerkung 25.2 durch ein teilerfremdes ganzzahliges Tupel repräsentieren, in diesem Fall kann man alle Reduktionen direkt ausrechnen. Die Gleichheit von Punkten und kann man über die Minoren testen, siehe Aufgabe 3.3. Zu jedem Punkteindexpaar ist für zumindest ein Koeffizientenindexpaar der Ausdruck . Wenn man so wählt, dass kein Teiler von diesen Minoren ist, so ergibt sich, dass modulo die Punkte verschieden bleiben.
Es sei ein Dedekindbereich und sei durch ein homogenes Polynom der Form mit gegeben, das über eine elliptische Kurve definiert.
Dann liegt für jedes maximale Ideal , für das eine elliptische Kurve über definiert, ein Gruppenhomomorphismus
vor (wobei jeweils der Punkt als neutrales Element genommen wird).
Die Abbildung gibt es aufgrund von Lemma 25.1. Da die Gruppenaddition unter Bezug auf Geraden definiert wird, und da, wieder nach Lemma 25.1, die Eigenschaft, auf einer Geraden zu liegen, unter der Reduktion erhalten bleibt, verträgt sich die Reduktion mit der Gruppenoperation. Dabei ist die Geradengleichung so anzusetzen, dass die Koeffizienten in teilerfremd sind.
Eine elliptische Kurve über kann man, vorausgesetzt, sie besitzt einen Wendepunkt, nach Lemma 5.3 in einer kurzen Weierstraßform mit realisieren und erhält so ein Modell der Kurve über und auch für die zugehörigen kubischen Kurven über . Eine Kurve über kann aber durch verschiedene Gleichungen mit ganzzahligen Koeffizienten beschrieben werden, die zu verschiedenen kubischen Kurven über führen. Es ist keineswegs klar, ob und in welchem Sinne es eine optimale Realisierung einer elliptischen Kurve über als eine elliptische Kurve über gibt. Es gibt keine elliptische Kurve über , die für jede Primzahl eine glatte Kurve definiert. Ein naheliegender Ansatz ist, dass die realisierende Kurve über für möglichst viele Primzahlen zu einer glatten Kurve führt. Dies ist durchführbar, allerdings darf man sich dabei nicht auf kurze Weierstraßgleichungen beschränken, siehe Aufgabe 25.18. Ein anderer Ansatz, der sich nicht an optimalen kubischen Gleichungen, sondern an der Eigenschaft, überall eine glatte (aber nicht notwendigerweise projektive) Gruppe zu liefern, orientiert, firmiert unter dem Namen Neron-Modell.
- Kongruente Zahlen und der Rang von elliptischen Kurven
Wir untersuchen weiter den Zusammenhang zwischen kongruenten Zahlen und elliptischen Kurven und knüpfen dabei an Lemma 4.13 und Lemma 4.14 an. Zuerst zeigen wir mit Hilfe der Reduktionstechniken, dass die Torsionsuntergruppen der für die kongruenten Zahlen relevanten elliptischen Kurven minimal sind.
Es sei und sei die durch gegebene elliptische Kurve über .
Dann ist die Torsionsuntergruppe von gleich .
Die Punkte sind vier Punkte, die die angegebene Gruppe bilden, siehe Lemma 18.2. Es ist zu zeigen, dass es darüber hinaus keine weiteren Torsionselemente gibt. Nehmen wir an, dass es weitere Torsionspunkte gibt. Dann gibt es ein Torsionselement ungerader Ordnung oder aber, wenn es kein Torsionselement ungerader Ordnung gibt, ein weiteres Torsionselement, dessen Ordnung eine Zweierpotenz ist. Im ersten Fall besitzt eine Untergruppe ungerader Ordnung und im zweiten Fall eine Untergruppe der Ordnung . Es sei
diese endliche Untergruppe. Nach Lemma 25.4 und Korollar 25.5 ist für jede hinreichend große Primzahl die Einschränkung der natürlichen Abbildung
auf ein injektiver Gruppenhomomorphismus und daher enthält eine zu isomorphe Untergruppe. Nach Beispiel 23.12 besitzt für
genau Punkte. Für diese Primzahlen muss also nach Satz 4.16 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) ein Teiler von sein, also
gelten. Im ersten Fall, also bei ungerade, führt jede hinreichend große Primzahl, die modulo den Rest und modulo den Rest besitzt, zu einem Widerspruch. Im zweiten Fall, also bei , führt jede Primzahl
zu einem Widerspruch. Nach dem Satz von Dirichlet über Primzahlen in arithmetischen Progressionen gibt es jeweils unendlich viele Primzahlen mit den geforderten Eigenschaften, sodass sich also stets ein Widerspruch ergibt.
Nach einem Satz von Barry Mazur sind die möglichen Torsionsuntergruppen von elliptischen Kurven, die über definiert sind, bekannt. Es handelt sich um die zyklischen Gruppen mit oder und die Produktgruppen mit .
Es sei und sei die durch gegebene elliptische Kurve über . Es sei ein - rationaler Punkt auf mit .
Dann ist ein rationaler Punkt von mit der Eigenschaft, dass der Nenner der -Koordinate von das Quadrat einer rationalen Zahl ist. In diesem Fall ist eine kongruente Zahl.
Es sei , nach Voraussetzung ist wegen Lemma 18.2 . Nach der Verdoppelungsformel ist die -Koordinate von gleich
Das Ergebnis folgt somit aus Lemma 4.14.
Es sei und sei die durch gegebene elliptische Kurve über .
Dann ist genau dann eine kongruente Zahl, wenn der Rang von zumindest ist.
Es sei eine kongruente Zahl. Nach Lemma 4.13 gibt es einen Punkt auf , für den die zweite Koordinate definitiv nicht ist. Nach Lemma 18.2 ist es daher kein Torsionspunkt der Ordnung und nach Satz 25.7 kann es sich dabei überhaupt nicht um einen Torsionspunkt der Kurve handeln. Es ist also ein torsionsfreier Punkt und damit ist der Rang zumindest .
Wenn keine Torsionsgruppe ist, so gibt es insbesondere einen Punkt mit . Nach Lemma 25.9 bedeutet dies, dass eine kongruente Zahl ist.
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