Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 18

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Der Satz von Arzelà-Ascoli

Wir betrachten einen kompakten topologischen Raum und darauf den - Vektorraum der stetigen Funktionen von nach . Auf diesem Raum ist die Maximumsnorm wohldefiniert und eine Norm. Die Konvergenz ist die gleichmäßige Konvergenz und der Raum ist vollständig mit dieser Norm, siehe Satz 55.9 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) für den Fall einer kompakten Teilmenge und Lemma 55.8 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).

Wir möchten verstehen, wann eine gegebene Teilmenge

kompakt ist. Dies wird durch den Satz von Arzelà-Ascoli beantwortet.


Definition  

Es sei ein topologischer Raum, ein metrischer Raum und sei eine Menge von Abbildungen von nach . Man nennt gleichgradig stetig in einem Punkt , wenn es zu jedem eine offene Umgebung derart gibt, dass für alle und alle gilt

Man nennt gleichgradig stetig, wenn gleichgradig stetig in jedem Punkt ist.

Eine einzelne Abbildung ist genau dann gleichgradig stetig in , wenn sie stetig in ist. Auch eine Ansammlung von endlich vielen stetigen Funktionen ist automatisch gleichgradig stetig, siehe Aufgabe 18.1. Im Allgemeinen geht es darum, ob es für eine gegebene Funktionenmenge und jede vorgegebene Zielgenauigkeit eine Startumgebung gibt, die für alle Funktionen simultan die Zielbedingung sichert. Wenn ein metrischer Raum ist, so wird die Startumgebung durch eine Startgenauigkeit beschrieben.


Beispiel  

Es sei ein reelles Intervall und sei

die Menge aller affin-linearen Funktionen, aufgefasst als Funktionen auf dem Intervall. Dann ist nicht gleichgradig stetig, da die Beziehung zwischen einer Zielgenauigkeit und einer Aufwandsgenauigkeit wesentlich von der Steigung der affin-linearen Funktion abhängt. Wenn man hingegen Schranken fixiert und

betrachtet, so liegt gleichgradige Stetigkeit vor.



Lemma  

Es sei ein kompakter topologischer Raum und , versehen mit der Maximumsnorm. Es gelten die beiden Eigenschaften

  1. ist gleichgradig stetig.
  2. Für jeden Punkt ist das Auswertungsbild beschränkt.

Dann ist total beschränkt.

Beweis  

Es sei gegeben. Wegen der gleichgradigen Stetigkeit gibt es zu jedem eine offene Umgebung mit

für alle und alle . Wegen der Kompaktheit von gibt es endlich viele Punkte mit

Es sei

Da die einzelnen Auswertungsbilder beschränkt sind, ist auch beschränkt und daher gibt es endlich viele Punkte in mit

Zu einem Tupel definieren wir

Es ist

Für und gibt es ein mit und somit ist

Also ist

für jedes . Wir wählen zu jedem Tupel eine Funktion . Dann wird von den endlich vielen offenen Bällen überdeckt.


In Beispiel 18.2 sind die Auswertungsbilder nicht beschränkt, da in ganz variieren kann. Wenn man das Intervall kompakt wählt und sowohl für als auch für einem beschränkten Bereich feslegt, so erhält man mit Lemma 18.3 eine total beschränkte Menge an affin-linearen Funktionen. Der folgende Satz heißt Satz von Arzelà-Ascoli.


Satz  

Es sei ein kompakter topologischer Raum und , versehen mit der Maximumsnorm.

Dann ist genau dann kompakt, wenn die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind.

  1. ist abgeschlossen.
  2. ist gleichgradig stetig.
  3. Für jeden Punkt ist das Auswertungsbild beschränkt.

Beweis  

Es sei zuerst kompakt. Die Eigenschaft (1) folgt aus Lemma 17.2. Die Eigenschaft (3) folgt wegen der Stetigkeit der Auswertung (siehe Aufgabe 15.8)

aus Lemma 17.6 und aus Satz 17.5. Zum Nachweis der gleichgradigen Stetigkeit sei ein Punkt und ein fixiert. Aufgrund der totalen Beschränktheit von gemäß Satz 17.12 gibt es endlich viele Funktionen derart, dass

ist. Für diese endlich vielen Funktionen finden wir eine gemeinsame offene Umgebung mit

für alle und alle . Für ein beliebiges ist für ein und daher ist (für )

Es seien nun umgekehrt die drei Bedingungen erfüllt, wir zeigen die Kompaktheit gemäß Satz 17.12. Nach Aufgabe 36.22 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) ist wegen der Abgeschlossenheit von in auch vollständig und nach Lemma 18.3 ist total beschränkt.



Der Approximationssatz von Stone-Weierstrass

Unter einer -Algebra versteht man einen - Vektorraum, auf dem zugleich eine Multiplikation mit einem neutralen Element für die Multiplikation erklärt ist. Speziell interessieren wir uns für Unteralgebren der Algebra aller -wertigen Funktionen auf einem topologischen Raum mit der punktweisen Multiplikation.


Definition  

Es sei eine Menge und sei eine Menge von auf definierten -wertigen Funktionen. Man sagt, dass die Punkte von trennt, wenn es zu je zwei Punkten eine Funktion mit gibt.

Hier wird stets eine topologischer Raum und wird eine Teilmenge von stetigen Funktionen auf sein. Ein wichtiges Beispiel ist , und die Menge der polynomialen Funktionen auf dem Intervall.



Lemma

Es sei eine Menge und sei eine - Unteralgebra, die die Punkte aus trennt.

Dann gibt es zu Punkten aus und zu vorgegebenen Werten ein mit und .

Beweis

Siehe Aufgabe 18.7.



Lemma  

Es sei ein kompakter topologischer Raum und eine abgeschlossene - Unteralgebra.

Dann gehört mit auch zu .

Beweis  

Es sei gegeben. Wegen

genügt es zu zeigen, dass mit einer nichtnegativen Funktion auch deren Quadratwurzel zu gehört. Durch Multiplikation mit einer Konstanten können wir nach Lemma 17.7 davon ausgehen, dass ist. Es gibt nach Aufgabe 18.9 eine Folge von Polynomen , die auf gleichmäßig gegen konvergiert. Dann konvergiert in auch gegen , die polynomialen Ausdrücke in gehören zu und wegen der Abgeschlossenheit von ist auch .



Korollar  

Es sei ein kompakter topologischer Raum und eine abgeschlossene - Unteralgebra.

Dann gehören mit und auch  und zu .

Beweis  

Dies folgt wegen

aus Lemma 18.7.


Der folgende Satz heißt Approximationssatz von Stone-Weierstrass.


Satz  

Es sei ein kompakter topologischer Raum und eine - Unteralgebra, die die Punkte aus trennt.

Dann ist

D.h. jede stetige Funktion lässt sich beliebig gut durch Funktionen aus approximieren.

Beweis  

Es sei die stetige Funktion

und ein gegeben. Wegen der Trennungseigenschaft gibt es für je zwei Punkte nach Lemma 18.6 eine Funktion mit und . Diese seien für jedes Punktepaar gewählt. Wir betrachten zu die offenen Mengen

die enthalten. Wegen und der Kompaktheit von gibt es endlich viele Punkte mit . Wir setzen

diese Funktionen gehören nach Korollar 18.8 zu . Nach Konstruktion ist

auf ganz . Ferner ist , da dies für jedes der beteiligten gilt. Deshalb gibt es wiederum eine offene Umgebung , auf der

gilt. Es gibt wieder endliche viele Punkte derart, dass die bereits überdecken. Daher gehört wegen Korollar 18.8

zu . Es gilt

und somit hat man ein aus der -Umgebung von gefunden.


Wir erwähnen die folgenden Spezialfälle.


Satz  

Es sei eine kompakte Teilmenge und sei eine stetige Funktion.

Dann gibt es zu jedem ein reelles Polynom in Variablen mit

für alle .

Die Polynomalgebra ist dicht in .

Beweis  

Dies folgt aus Satz 18.9, da Polynome Punkte trennen.



Satz  

Es sei ein abgeschlossenes Intervall und eine stetige Funktion.

Dann gibt es zu jedem ein reelles Polynom mit

für alle .

Die Polynomalgebra ist dicht in .

Beweis  

Dies folgt aus Satz 18.9, da kompakt ist und Polynome Punkte trennen.

Wir erwähnen noch die folgende komplexe Variante.


Satz

Es sei ein kompakter topologischer Raum und eine - Unteralgebra, die die Punkte aus trennt und die mit jeder Funktion auch ihre komplex-konjugierte Funktion enthält.

Dann ist

D.h. jede stetige Funktion lässt sich beliebig gut durch Funktionen aus approximieren.

Beweis

Siehe Aufgabe 18.14.



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