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Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 28

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Der Satz von Riemann-Roch



Es sei eine invertierbare Garbe auf einer riemannschen Fläche und eine invertierbare Untergarbe.

Dann besitzt die Quotientengarbe einen diskreten Träger, deren Halme endlichdimensionale - Vektorräume sind.

Lokal auf einer offenen Kreisscheibe liegt die Situation

mit einer nichttrivialen holomorphen Funktion vor. Auf dem Ort, wo nullstellenfrei ist, liegt ein Isomorphismus mit Quotientengarbe vor. Nach Satz 1.3 ist das Komplement diskret. Es habe eine Nullstelle in . Dann ist mit einer lokalen Koordinate die Funktion gleich

mit nullstellenfrei in und . Im lokalen Ring erzeugen und das gleiche Ideal, daher ist


Speziell hat bei kompakt die Quotientengarbe einen endlichen Träger.



Es sei eine kompakte riemannsche Fläche und seien invertierbare Garben mit der zugehörigen kurzen exakten Garbensequenz

Dann ist

Nach Lemma 28.1 und wegen der Kompaktheit ist der Träger der Quotientengarbe endlich und der Raum der globalen Schnitte dieser Garbe besitzt eine endliche Dimension. Es sei und und wegen der vorausgesetzten Inklusion gilt nach Lemma 20.16  (2). Wir tensorieren die Gesamtsituation mit . Dabei ändert sich die Graddifferenz zwischen den beiden invertierbaren Garben nicht und die Quotientengarbe ändert sich nicht, da sie einen endlichen Träger besitzt und lokal mit der Strukturgarbe tensoriert wird. Es liegt also eine Situation

mit einem effektiven Divisor vor. Somit folgt die Aussage aus Aufgabe 28.4.



Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche und sei eine invertierbare Garbe mit einem nichttrivialen globalen Schnitt .

Dann ist der Grad von nichtnegativ.

Der nichttriviale Schnitt definiert einen Modulhomomorphismus , , der injektiv ist. Daher folgt die Aussage aus Lemma 28.2.

Der folgende Satz heißt Satz von Riemann-Roch. Er stiftet eine vom Geschlecht abhängige Beziehung zwischen dem Grad eines Divisors bzw. einer invertierbaren Garbe auf einer kompakten riemannschen Fläche und den Dimensionen der nullten und der ersten Kohomologie der Garbe. Insbesondere erlaubt er, die Existenz von globalen Schnitten unter gewissen Gradbedingungen nachzuweisen. Wir verwenden die abkürzenden Schreibweisen

und



Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche vom Geschlecht und sei ein Divisor auf mit der zugehörigen invertierbaren Garbe .

Dann ist

Die Aussage ist für die Strukturgarbe richtig, da diese zum trivialen Divisor gehört und da

nach Satz 3.7 ist.

Zu einem Punkt betrachtet man die kurze exakte Garbensequenz

wobei die invertierbare Idealgarbe zu dem Punkt ist und rechts die eindimensionale Wolkenkratzergarbe mit Träger bezeichnet, siehe Lemma 28.1. Die Tensorierung dieser Sequenz mit einer invertierbaren Garbe ergibt

Diese exakten Sequenzen stiften eine Beziehung zwischen den beiden invertierbaren Garben und , die sich um den Punkt „unterscheiden“. Die zugehörige lange exakte Kohomologiesequenz ist

da und gilt, da eine welke Garbe ist. Für die Dimensionen ergibt sich die Beziehung

wobei insbesondere beiden Kohomologien zu genau dann endlichdimensional sind, wenn dies für gilt. Wegen

ist nach Lemma 28.2

und der Grad verhält sich wie die Differenz der Dimensionen der nullten und der ersten Kohomologie. Die Formel von Riemann-Roch gilt also genau dann für , wenn sie für gilt. Da jede invertierbare Garbe auf der riemannschen Fläche die Form zu einem Divisor besitzt, kann man jede invertierbare Garbe ausgehend von der Strukturgarbe durch eine endliche Hinzu- oder Wegnahme von Punkten erhalten. Daher gilt die Formel für alle invertierbaren Garben.



Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche vom Geschlecht und sei ein Divisor auf mit der zugehörigen invertierbaren Garbe .

Dann ist

Dies folgt unmittelbar aus Satz 28.4.



Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche und es sei eine invertierbare Garbe auf .

Dann gibt es eine ganze Zahl mit

für jede invertierbare Garbe .

Es sei das vom Geschlecht von . Nach Korollar 28.5 ist

Man kann also

nehmen.


Die vorstehende Aussage wird meistens in Situationen angewendet, wo fixiert ist und wo man variieren lässt, beispielsweise in der Form . Wenn positiven Grad besitzt, so besitzt beliebig großen Grad. Daher besitzen nach dem Korollar für hinreichend groß die invertierbaren Garben nichttriviale globale Schnitte.



Kohomologie der holomorphen Differentiale

Für die invertierbare Garbe der holomorphen Differentialformen auf einer kompakten zusammenhängenden riemannschen Fläche vom Geschlecht besagt der Satz von Riemann-Roch

Dies ist im Moment noch nicht sehr ergiebig. Für die einzelnen Terme wissen wir im Moment nur, dass die Anzahl der linear unabhängigen globalen Differentialformen ist, was sicher eine wichtige Invariante der Fläche ist, und dass der kanonische Grad, also der Grad einer jedem meromorphen Differentialform ist, siehe Lemma 20.4. Für die projektive Gerade ist nach Beispiel 20.2 der Grad des kanonischen Divisors gleich , die rechte Seite wird also zu , und wegen Lemma 15.9 ist der Nullraum und somit ist eindimensional. Dies wird im folgenden Beispiel auch direkt berechnet.


Bei der affinen Standardüberdeckung

mit und ist

Eine erste Kohomologieklasse der Garbe der holomorphen Differentialformen wird durch

repräsentiert. Diese Form kann man auch als schreiben. Man kann sie nicht als eine Differenz schreiben, wobei eine holomorphe Funktion auf (in ) und eine holomorphe Funktion auf (in ) ist. Für eine solche Form gilt

Wenn man die Koeffizienten in den Potenzreihen anschaut, so sieht man, dass der Summand nicht vorkommt. Zugleich sieht man, dass skalare Vielfache der Form die einzigen holomorphen Formen sind, die man nicht als Differenz schreiben kann. Es ist also


Bei einem komplexen Torus ist die Garbe der holomorphen Differentialformen nach Korollar 15.14 isomorph zur Strukturgarbe. Insbesondere ist der Grad des kanonischen Divisors gleich und somit folgt aus dem Satz von Riemann-Roch sofort

was sich später als ergeben wird. Dieses und allgemeinere Resultate werden wir im Kontext der Serre-Dualität erzielen, siehe insbesondere Korollar 30.6, Korollar 30.9 und Satz 30.10.



Punkttupel und Divisorenklassengruppe

Eine Ansammlung von Punkten (eventuell mit Wiederholungen) auf einer riemannschen Fläche legt den Divisor und damit die Divisorklasse fest. Im kompakten Fall hat das Geschlecht die folgende Auswirkung. Unter verstehen wir einfach das -fache Produkt der riemannschen Fläche mit sich selbst, was in natürlicher Weise eine komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension ist. Für den elliptischen Fall vergleiche man Satz 15.7 (Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022)).



Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche mit dem Geschlecht . Es sei ein fixierter Punkt.

Dann ist die Abbildung

surjektiv.

Sei vorgegeben. Wir betrachten den Divisor . Dieser hat den Grad . Nach Satz 28.4 ist somit die Dimension von positiv und das bedeutet, dass es eine meromorphe Funktion gibt, deren Hauptdivisor

erfüllt. Da der Grad dieses effektiven Divisors nach Satz 19.17 gleich ist und er effektiv ist, besitzt dieser Divisor die Form

mit gewissen Punkten , wobei Wiederholungen erlaubt sind. Dieser Divisor ist linear äquivalent zu und daher ist linear äquivalent zu . Daher ist .


Die Abbildung ist nicht injektiv, da im Produkt die Reihenfolge der Punkte unterschieden wird, in der Divisorenklassengruppe aber nicht. Die richtige Frage ist, ob die entsprechende Abbildung, die vom sogenannten symmetrischen Produkt

ausgeht, wobei die Permutationsgruppe mit Elementen bezeichnet und die natürliche Operation betrachtet wird, injektiv ist. Dies ist aber im Allgemeinen auch nicht der Fall.



Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche mit dem Geschlecht . Es sei ein fixierter Punkt.

Dann ist die Abbildung

bijektiv.

Die Surjektivität ist ein Spezialfall von Satz 28.8. Zum Nachweis der Injektivität seien und sei . Dann ist ein Hauptdivisor. Es gibt also eine meromorphe Funktion auf mit

Diesem entspricht bei nach Satz 18.6 eine endliche holomorphe Abbildung

wobei das Urbild zu (und zu ) aus einem einzigen Punkt besteht (nämlich aus bzw ). Nach Korollar 9.9 ist dann bijektiv und somit biholomorph. Die projektive Gerade hat aber nach Lemma 27.2 das Geschlecht .

Insbesondere steht eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche vom Geschlecht in natürlicher Bijektion zu einer Gruppe. Wir haben aber noch nicht gezeigt, dass diese Bijektion eine holomorphe Gruppenstruktur auf einer riemannschen Fläche vom Geschlecht definiert, da wir auf keine holomorphe Struktur haben.


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