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Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2017-2018)/Vorlesung 23/kontrolle

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Interpretation als Kotangentialraum

Wir geben noch einen Hinweis, dass die Bezeichnung von als Kotangentialraum gut begründet ist. Aus der Analysis weiß man, dass zu einem Punkt einer Mannigfaltigkeit und einer differenzierbaren Funktion das Differential

linear ist (siehe Lemma 77.10 (Analysis (Osnabrück 2014-2016))  (3)), also ein Element des Kotangentialraumes . Die Gesamtzuordnung

ist dabei eine Derivation, d.h. es gilt die Leibniz-Regel

Wir erwähnen das allgemeine algebraische Konzept einer Derivation.


Es sei ein kommutativer Ring, eine kommutative - Algebra und ein - Modul. Dann heißt eine - lineare Abbildung

mit

für alle eine Derivation (mit Werten in ).



Satz  Satz 23.2 ändern

Es sei ein Körper und eine -Algebra von endlichem Typ, und sei ein Punkt mit zugehörigem maximalen Ideal .

Dann ist die Abbildung

eine - Derivation.

Es liegt eine kanonische Isomorphie zwischen dem Grundkörper und dem Restekörper vor. Die Abbildung ist wohldefiniert, da wegen die Funktion zum maximalen Ideal gehört. Die -Linearität ist trivial. Die Produktregel folgt aus (im dritten Schritt wird ein Element aus addiert)




Glatte und normale Punkte

Wir wollen zeigen, dass ein Punkt auf einer ebenen algebraischen Kurve genau dann glatt ist, wenn der zugehörige lokale Ring ein diskreter Bewertungsring ist. Dabei ist die Glattheit in einem Punkt extrinsisch unter Bezug auf die umgebende Ebene definiert worden, während die Eigenschaft, ein diskreter Bewertungsring zu sein, nur vom Koordinatenring der Kurve abhängt. Das folgende Lemma erledigt die eine Richtung, für die andere Richtung müssen wir zuerst eine intrinsische Multiplizität für einen lokalen Ring entwickeln.



Lemma  Lemma 23.3 ändern

Es sei ein Körper, ein Polynom ohne mehrfache Faktoren und sei ein glatter Punkt der Kurve. Es sei der lokale Ring der Kurve im Punkt .

Dann ist ein diskreter Bewertungsring.

Zunächst ist ein noetherscher lokaler Ring, der aufgrund von Lemma 22.12 ein Integritätsbereich ist. Daher sind die einzigen Primideale das Nullideal und das maximale Ideal . Wir werden zeigen, dass das maximale Ideal ein Hauptideal ist.

Wir können annehmen, dass der Nullpunkt ist, und schreiben als

mit . Da glatt ist, liegt eine solche Gestalt vor. Durch eine Variablentransformation können wir erreichen, dass ist. Wir können in die isoliert stehenden Potenzen von (die Monome, wo kein vorkommt) zusammenfassen und bei den anderen ausklammern. Dann lässt sich die Gleichung als

schreiben, wobei ist. Es ist eine Einheit in und erst recht im lokalen Ring der Kurve im Nullpunkt. Daher gilt in die Beziehung

Also wird das maximale Ideal im lokalen Ring von allein erzeugt, sodass nach Satz 21.8 ein diskreter Bewertungring vorliegt.




Die Hilbert-Samuel Multiplizität



Lemma  Lemma 23.4 ändern

Es sei ein noetherscher lokaler Ring mit maximalem Ideal und Restklassenkörper .

Dann besitzen die Restklassenmoduln endliche Dimension über .

Wenn einen Körper enthält, der isomorph auf den Restklassenkörper abgebildet wird, so sind auch die Restklassenringe von endlicher Dimension über .

Wir schreiben den Restklassenmodul als

Damit sind wir in der Situation von Lemma 22.2. Da ein endlich erzeugtes Ideal ist, folgt, dass dieser Restklassenmodul endliche Dimension über dem Restklassenkörper besitzt.

Für die Restklassenringe betrachten wir die kurze exakte Sequenz von -Moduln,

Dies ist nach unserer Voraussetzung auch eine kurze exakte Sequenz von -Vektorräumen, sodass sich die -Dimensionen addieren. Nach dem bereits bewiesenen steht links ein endlichdimensionaler Raum. Die Aussage folgt nun durch Induktion über aus dieser Sequenz, wobei der Induktionsanfang durch gesichert ist.


Im Fall einer ebenen algebraischen Kurve und einem Punkt ist der lokale Ring durch gegeben. Der Restklassenkörper dieses lokalen Ringes ist selbst. Daher sind die Voraussetzungen, die im vorstehenden Lemma auftauchen, alle erfüllt, und alle Dimensionen sind Dimensionen über dem Grundkörper.



Satz  Satz 23.5 ändern

Sei ein Punkt auf einer ebenen affinen Kurve. Es sei der zugehörige lokale Ring mit maximalem Ideal .

Dann gilt für die Multiplizität von die Gleichung

Wir betrachten die kurze exakte Sequenz

von - Vektorräumen. Nach Lemma 23.4 sind die Dimensionen endlich. Dass die Dimensionen von konstant gleich der Multiplizität sind (für hinreichend groß) ist äquivalent dazu, dass die Differenz zwischen den Dimensionen von und konstant gleich der Multiplizität ist für hinreichend groß. Dies ist durch Induktion äquivalent dazu, dass

gilt für eine Konstante und hinreichend groß. Wir können durch Verschieben der Situation annehmen, dass der Nullpunkt in der Ebene ist. Sei das zugehörige maximale Ideal in . Dann ist , sodass die Aussage dafür zu zeigen ist.

Nach Voraussetzung hat die Gestalt mit . Damit ist insbesondere . Für ein weiteres Polynom (mit ) ist . Daher liegt eine kurze exakte Sequenz

vor. Dabei folgt die Injektivität links aus einer direkten Gradbetrachtung (siehe Aufgabe 24.5). Bekanntlich ist die Dimension von gleich . Daher ergibt sich für die Gleichheit

Dies ist die Behauptung.


Satz 23.5 besagt insbesondere, dass die Multiplizität eines Punktes auf einer ebenen Kurve eine Invariante des lokalen Ringes der Kurve in dem Punkt ist, und damit insbesondere nur von intrinsischen Eigenschaften der Kurve abhängt, nicht von der Realisierung in einer umgebenden Ebene. Es gibt für jeden noetherschen lokalen Ring die sogenannte Hilbert-Samuel-Multiplizität, die über die -Dimensionen der Restklassenmoduln definiert wird. Im eindimensionalen Fall ist sie definiert als

wobei diese Funktion konstant wird (was nicht trivial ist). Wenn einen Körper enthält, der isomorph zum Restekörper ist (was bei lokalen Ringen zu einer Kurve der Fall ist), so ist diese Zahl auch gleich




Satz  Satz 23.7 ändern

Es sei ein Körper und sei nichtkonstant ohne mehrfachen Faktor mit zugehöriger algebraischer Kurve . Es sei ein Punkt der Kurve mit maximalem Ideal und mit lokalem Ring .

Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist ein glatter Punkt der Kurve.
  2. Die Multiplizität von ist eins.
  3. ist ein diskreter Bewertungsring.
  4. ist ein normaler Integritätsbereich.

Die Äquivalenz folgt aus der Definition 22.7 der Multiplizität. Die Äquivalenz wurde in Satz 21.8 bewiesen. Die Implikation wurde in Lemma 23.3 bewiesen. Es bleibt also zu zeigen, wobei wir unter Verwendung von Satz 23.5 mit der Hilbert-Samuel Multiplizität arbeiten können. Es genügt also zu zeigen, dass für einen lokalen Ring einer ebenen algebraischen Kurve, der ein diskreter Bewertungsring ist, die Restklassenmoduln alle eindimensional über dem Restklassenkörper sind. Dies folgt aber wegen direkt aus dem Lemma von Nakayama.




Monomiale Kurven und Multiplizität

Zu einem numerischen Monoid , das von teilerfremden natürlichen Zahlen erzeugt werde, wird der minimale Erzeuger, also , auch als Multiplizität bezeichnet. Es ist zu zeigen, dass dies die „richtige“ ringtheoretische Multiplizität ergibt. Dazu sei

und

Dies sind offensichtlich „Monoid-Ideale“ von . Es folgt, dass die zugehörigen Mengen Ideale im Monoidring sind. Und zwar ist ein maximales Ideal, und die Potenzen davon sind .



Lemma  Lemma 23.8 ändern

Sei ein numerisches Monoid mit (numerischer) Multiplizität und sei eine Zahl mit .

Dann gelten für die Mächtigkeit der Differenzmenge die Abschätzungen

Die Abschätzung nach unten folgt daraus, dass die kleinste Zahl in genau ist, die natürlichen Zahlen liegen also außerhalb davon. Dabei liegen die Zahlen in , sodass von diesen Zahlen mindestens zu , aber nicht zu gehören.

Zur Abschätzung nach oben behaupten wir, dass alle Zahlen zu gehören. Es sei . Dann ist mit und daher ist . Also liegt direkt eine Zerlegung von in Summanden aus vor.



Korollar  Korollar 23.9 ändern

Es sei ein von teilerfremden Zahlen erzeugtes numerisches Monoid mit numerischer Multiplizität . Es sei das maximale Ideal des Monoidringes , das dem Nullpunkt entspricht.

Dann gilt

Das heißt, dass die numerische Multiplizität mit der Hilbert-Samuel Multiplizität übereinstimmt.

Der Restklassenring

hat die Elemente aus als - Basis. Deren Anzahl ist also die Dimension davon. Aufgrund der in Lemma 23.8 bewiesenen Abschätzungen konvergiert der Ausdruck für gegen . Daher gilt diese Konvergenz auch für die Dimensionen.