Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 38
- Bilinearformen
Reelle Skalarprodukte sind positiv definite symmetrische Bilinearformen. In den folgenden Vorlesungen besprechen wir Bilinearformen allgemein. Neben Skalarprodukten sind die Hesse-Formen wichtig, die in der höherdimensionalen Analysis betrachten werden, um Extrema zu bestimmen und die Minkowski-Formen, mit denen man die spezielle Relativitätstheorie beschreiben kann (siehe Vorlesung 40).
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Eine Abbildung
heißt Bilinearform, wenn für alle die induzierten Abbildungen
und für alle die induzierten Abbildungen
- linear sind.
Bilinear bedeutet einfach multilinear in zwei Komponenten, diese Eigenschaft haben wir schon im Zusammenhang mit Determinanten kennengelernt. Ein extremes Beispiel ist die Nullform, die jedem Paar den Nullwert zuordnet. Es ist einfach, eine Vielzahl von Bilinearformen auf dem anzugeben.
Es sei und seien für fixiert. Dann ist die Zuordnung
eine Bilinearform. Bei
für alle ist dies die Nullform; bei
liegt das Standardskalarprodukt vor (wobei der Ausdruck für jeden Körper einen Sinn ergibt, aber die Eigenschaft, positiv definit zu sein, gegenstandslos ist). Bei und
spricht man von einer Minkowski-Form. Bei und
handelt es sich um die Determinante im zweidimensionalen Fall.
Eine wichtige Eigenschaft von Bilinearformen, die Skalarprodukte erfüllen, wird in der nächsten Definition formuliert.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Eine Bilinearform
heißt nicht ausgeartet, wenn für alle , die induzierten Abbildungen
und für alle , die induzierten Abbildungen
nicht die Nullabbildung sind.
In dieser Vorlesung werden wir für Vektorräume, auf denen eine nicht-ausgeartete Bilinearform gegeben ist, eine bijektive Beziehung zwischen Vektoren und Linearformen beweisen. Dies gilt insbesondere für Skalarprodukte. Generell besteht eine enge Beziehung zwischen Bilinearformen und linearen Abbildungen in den Dualraum.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum mit dem Dualraum . Es sei
eine lineare Abbildung.
Dann ist durch
eine Bilinearform auf gegeben.
Da ist, liefert die Auswertung an einem Vektor ein Element des Grundkörpers. Die Linearität in der zweiten Komponenten beruht direkt darauf, dass zum Dualraum gehört, und die Linearität in der ersten Komponenten beruht auf der Linearität von .
- Der Gradient
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum, der mit einer Bilinearform versehen sei. Dann gelten folgende Aussagen
- Für jeden Vektor
sind die Zuordnungen
und
- linear.
- Die Zuordnung
ist -linear.
- Wenn nicht ausgeartet ist, so ist die Zuordnung in (2) injektiv. Ist zusätzlich endlichdimensional, so ist diese Zuordnung bijektiv.
(1) folgt unmittelbar aus der Bilinearität.
(2). Es seien
und
.
Dann ist für jeden Vektor
und dies bedeutet gerade die Linearität der Zuordnung.
(3). Da die Zuordnung nach (2) linear ist, müssen wir zeigen, dass der
Kern
davon trivial ist. Es sei also
so, dass die Nullabbildung ist. D.h.
für alle
.
Dann muss aber nach der Definition von
nicht ausgeartet
sein.
Wenn endliche Dimension hat, so liegt eine injektive lineare Abbildung zwischen Vektorräumen der gleichen Dimension vor, und eine solche ist nach
Korollar 11.9
bijektiv.
Wenn es also in einem endlichdimensionalen Vektorraum eine fixierte nichtausgeartete Bilinearform gibt, so gibt es zu jeder Linearform einen eindeutig bestimmten Vektor, mit dem diese Linearform beschrieben werden kann. Genauer: es gibt dann einen Vektor
mit
für alle und einen Vektor mit
In dieser Situation heißt der Linksgradient zu bezüglich der Bilinearform und der Rechtsgradient. Bei einem Skalarprodukt und generell bei einer nichtausgearteten symmetrischen Bilinearform (siehe weiter unten) fallen die beiden Begriffe zusammen, man spricht von dem Gradienten. Für euklidische Vektorräume formulieren wir diese Beziehung noch einmal explizit.
Es sei ein euklidischer Vektorraum und
eine Linearform.
Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Vektor mit
Wenn eine Orthonormalbasis von und ist, so ist dieser Vektor gleich .
Dies folgt unmittelbar aus Lemma 38.5 (3). Der Zusatz ist klar wegen
- Die Gramsche Matrix
Es sei ein Körper, ein endlichdimensionaler - Vektorraum und eine Bilinearform auf . Es sei eine Basis von . Dann heißt die - Matrix
die Gramsche Matrix von bezüglich dieser Basis.
In Beispiel 38.2 bildet die Gramsche Matrix bezüglich der Standardbasis des . Wenn die Gramsche Matrix zu einer Bilinearform bezüglich einer Basis gegeben ist, so kann man daraus für beliebige Vektoren berechnen. Man schreibt und und erhält mit dem allgemeinen Distributivgesetz
Man erhält also den Wert der Bilinearform an zwei Vektoren, indem man die Gramsche Matrix auf das Koordinatentupel des zweiten Vektors anwendet und das Ergebnis (ein Spaltenvektor) mit dem Koordinatentupel des ersten Vektors als Zeilentupel von links multipliziert. Kurz und ungenau ist also
Es sei ein Körper, ein endlichdimensionaler - Vektorraum und eine Bilinearform auf . Es seien und zwei Basen von und es seien bzw. die Gramschen Matrizen von bezüglich dieser Basen. Zwischen den Basiselementen gelte die Beziehungen
die wir durch die Übergangsmatrix ausdrücken.
Dann besteht zwischen den Gramschen Matrizen die Beziehung
Es ist
- Symmetrische Bilinearformen
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und eine Bilinearform auf . Die Bilinearform heißt symmetrisch, wenn
für alle gilt.
Wie im Fall eines Skalarproduktes gilt wieder eine Polarisationsformel.
Es sei ein Körper mit einer von verschiedenen Charakteristik und sei eine symmetrische Bilinearform auf einem - Vektorraum .
Dann gilt die Beziehung
Beweis
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum und eine nicht ausgeartete symmetrische Bilinearform auf . Dann nennt man zu einer Linearform
den eindeutig bestimmten Vektor mit
den Gradienten zu bezüglich der Bilinearform.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und eine symmetrische Bilinearform auf . Zwei Vektoren heißen orthogonal, wenn
ist.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und eine symmetrische Bilinearform auf . Eine Basis , von heißt Orthogonalbasis, wenn
für alle
ist.
Für eine symmetrische Bilinearform ist es durchaus möglich, dass, anders als bei Skalarprodukten, ein von verschiedener Vektor zu sich selbst orthogonal ist. Es kann auch, im ausgearteten Fall, von verschiedene Vektoren geben, die orthogonal zu allen Vektoren sind. Wie im Fall eines Skalarproduktes gibt es Orthogonalbasen.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und eine symmetrische Bilinearform auf . Der Untervektorraum
heißt Ausartungsraum zur Bilinearform.
Der Ausartungsraum ist in der Tat ein Untervektorraum von , siehe Aufgabe 38.12.
Es sei ein Körper, ein endlichdimensionaler - Vektorraum und eine symmetrische Bilinearform auf .
Dann besitzt eine Orthogonalbasis.
Beweis
- Der Vektorraum der Bilinearformen
Es sei ein Vektorraum über einem Körper und seien und Bilinearformen auf . Dann erklärt man die Summe dieser beiden Bilinearformen punktweise als diejenige Bilinearform, die an der Stelle den Summenwert erhält, also
Entsprechend definiert man für einen Skalar die Form durch
Die entstehenden Funktionen sind wieder bilinear, siehe Aufgabe 38.19. Damit erhält man eine Vektorraumstruktur auf der Menge aller Bilinearformen auf .
Es sei ein Vektorraum über dem Körper . Die Menge aller Bilinearformen auf , versehen mit der punktweisen Addition und Skalarmultiplikation, heißt Vektorraum der Bilinearformen. Er wird mit bezeichnet.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum.
Zu einer jeden Basis ist die Abbildung
die einer Bilinearform ihre Gramsche Matrix bezüglich der gegebenen Matrix zuordnet, eine Isomorphie von Vektorräumen.
Die Injektivität der Abbildung folgt aus Lemma 16.6, die Surjektivität daraus, dass man eine beliebige Matrix im Sinne von Beispiel 38.2 als Bilinearform interpretieren kann. Die Linearität folgt unmittelbar aus der punktweisen Definition der Vektorraumstruktur auf .
- Sesquilinearformen
Es seien und Vektorräume über den komplexen Zahlen . Eine Abbildung
heißt antilinear (oder semilinear), wenn
für alle und wenn
für alle und gilt.
Wenn man die komplexen Vektorräume als reelle Vektorräume auffasst, so handelt es sich insbesondere um reell-lineare Abbildungen. Dieser Eigenschaft sind wir schon bei komplexen Skalarprodukten begegnet.
Es sei ein - Vektorraum. Eine Abbildung
heißt Sesquilinearform, wenn für alle die induzierten Abbildungen
- antilinear und für alle die induzierten Abbildungen
- linear sind.
Wir fordern also die Linearität in der ersten und die Antilinearität in der zweiten Komponenten. Es gibt auch die andere Konvention.
Viele Begriffe und Aussagen übertragen sich mit leichten Abwandlungen von der reellen auf die komplexe Situation.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum zusammen mit einer Sesquilinearform . Es sei eine Basis von . Dann heißt die - Matrix
die Gramsche Matrix von bezüglich dieser Basis.
Wenn die Gramsche Matrix zu einer Sesquilinearform bezüglich einer Basis gegeben ist, so kann man daraus für beliebige Vektoren berechnen. Man schreibt und und erhält mit dem allgemeinen Distributivgesetz
Man erhält also den Wert der Bilinearform an zwei Vektoren, indem man die Gramsche Matrix auf das Koordinatentupel des komplex-konjugierten zweiten Vektors anwendet und das Ergebnis (ein Spaltenvektor) mit dem Koordinatentupel des ersten Vektors als Zeilentupel von links multipliziert. Kurz und ungenau ist also
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit einer Sesquilinearform . Es seien und zwei Basen von und es seien bzw. die Gramschen Matrizen von bezüglich dieser Basen. Zwischen den Basiselementen gelte die Beziehungen
die wir durch die Übergangsmatrix ausdrücken.
Dann besteht zwischen den Gramschen Matrizen die Beziehung
Es ist
Die Menge der Sesquilinearformen auf einem - Vektorraum bilden einen -Vektorraum. Er wird mit bezeichnet.
- Hermitesche Formen
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