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Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 12

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Exaktheit

Es seien kommutative Gruppen und seien

Gruppenhomomorphismen. Man sagt, dass ein Komplex vorliegt, wenn

gilt, was zu äquivalent ist. Man sagt, dass der Komplex exakt ist, wenn

gilt. Dieses Konzept überträgt man auf Garben von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum , indem man die Bedingungen halmweise interpretiert (siehe Lemma 10.16). Man sagt also, dass die Garbenhomomorphismen

einen Komplex bilden, wenn für jeden Punkt die Halmabbildungen

einen Komplex von Gruppen bilden, und man nennt den Garbenkomplex exakt, wenn der Halmkomplex für jeden Punkt exakt ist.


Ein exakter Komplex

von Garben von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum heißt kurze exakte Sequenz.

Hierbei ist insbesondere die vordere Abbildung injektiv und die hintere Abbildung (Garben)-surjektiv. Es ist der Kern des Garbenhomomorphismus und ist die Quotientengarbe zur Untergarbe .



Es sei

eine kurze exakte Sequenz von kommutativen topologischen Gruppen (mit stetigen Gruppenhomomorphismen). Es trage die induzierte Topologie von und die Surjektion habe die Eigenschaft, dass es zu jedem Element eine offene Umgebung und einen stetigen Schnitt zu gibt.

Dann ist für jeden topologischen Raum die zugehörige Sequenz der Garben der stetigen Abbildungen in diese Gruppen, also

ebenfalls exakt.

Beweis

Siehe Aufgabe 12.6.



Wir betrachten die kurze exakte Exponentialsequenz

von topologischen Gruppen. Die Exaktheit in der Mitte beruht auf Satz 21.5 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))  (2), die Homomorphieeigenschaft beruht auf der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion und die komplexe Exponentialfunktion bildet nach Satz 21.6 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) surjektiv auf ab (sie ist eine Überlagerung, siehe Beispiel 6.3). Da es lokal einen Logarithmus gibt, sind die Voraussetzungen von Lemma 12.2 erfüllt. Somit gibt es zu jedem topologischen Raum eine kurze exakte Garbensequenz

die die (stetige komplexe) Exponentialsequenz heißt. Links steht die lokal konstante Garbe mit Werten in , in der Mitte die Garbe der komplexwertigen stetigen Funktionen und rechts die Garbe der nullstellenfreien komplexwertigen stetigen Funktionen. Wenn man setzt, so ist die globale Auswertung der hinteren Abbildung nicht surjektiv, da die Identität nicht im Bild liegt.


Für die holomorphe Version der vorstehenden Aussage siehe Beispiel 11.14.


Es sei fixiert, wir betrachten die kurze exakte Sequenz

wobei rechts die -te komplexe Potenzierung steht und die Gruppe der -ten Einheitswurzeln bezeichnet, die zur zyklischen Gruppe isomorph ist. Es liegt die Situation aus Lemma 12.2 vor, d.h. auf jedem topologischen Raum erhält man eine kurze exakte Garbensequenz

Da ferner das Potenzieren holomorph ist, erhält man auf einer riemannschen Fläche eine kurze exakte Garbensequenz

wobei vorne die lokal konstanten stetigen oder holomorphen Funktionen mit Werten in steht.




Es sei ein topologischer Raum und sei

ein Komplex von Garbenhomomorphismen von Garben von kommutativen Gruppen auf .

Dann ist auch

ein Komplex.

Die Voraussetzung bedeutet einfach, dass die Nullabbildung ist. Dann ist insbesondere die globale Auswertung die Nullabbildung.



Es sei ein topologischer Raum. Es sei

ein exakter Komplex von Garbenhomomorphismen von Garben von kommutativen Gruppen auf .

Dann ist auch der Komplex

exakt.

Dass ein Komplex vorliegt ist klar nach Lemma 12.5. Die Exaktheit bedeutet, dass für jeden Punkt der Komplex

der Halme exakt ist. Sei und in . Dann ist in jedem Punkt und somit ist für jeden Punkt. Also ist nach Lemma 11.4 und die linke Abbildung ist injektiv. Es sei nun mit in . Die Exaktheit in den Halmen bedeutet, dass für jeden Punkt der Keim zu gehört. Daraus folgt mit Aufgabe 11.10, dass selbst zu gehört.


Auch bei einer kurzen exakten Garbensequenz

ist im zugehörigen globalen Komplex

die hintere Abbildung im Allgemeinen nicht surjektiv. Dieses Phänomen wird im Rahmen der Kohomologie verstanden und produktiv verwertet.



Der Ausbreitungsraum

Es sei eine riemannsche Fläche. Die Zuordnung, die jeder offenen Menge den Ring der auf definierten holomorphen Funktionen zuordnet, ist eine Garbe von kommutativen Ringen. Die entsprechenden Eigenschaften wurden in Lemma 3.9 nachgewiesen.

Die Halme der Garbe der holomorphen Funktionen sind für alle Punkte isomorph, und zwar isomorph zum Ring des Halmes der holomorphen Funktionen . Dies ist der Ring der konvergenten Potenzreihen in einer komplexen Variablen, wobei sich Konvergenz auf einen positiven Konvergenzradius bezieht, der von der Potenzreihe abhängt, siehe Lemma 10.12. Ein Element eines solchen Halmes nennt man einen holomorphen Funktionskeim. Wir wollen in den folgenden Vorlesungen verstehen, inwiefern solche holomorphen Funktionskeime in natürlicher Weise miteinander in Beziehung stehen. Dazu ist der sogenannte Ausbreitungsraum ein wichtiges Hilfsmittel.


Es sei eine Prägarbe auf einem topologischen Raum . Unter dem Ausbreitungsraum zu versteht man die Menge

zusammen mit der Projektion

die einem jeden Keim seinen Basispunkt zuordnet, versehen mit der Topologie, die durch die Basis

zu offenen Mengen und Schnitten definiert wird.

Statt Ausbreitungsraum sagt man auch etaler Raum. Ein Element in diesem Ausbreitungsraum schreibt man als , wobei und ein Keim der Garbe im Punkt ist. Die Zugehörigkeit bedeutet, dass

und der Schnitt auf den Keim einschränkt.

Zur Garbe der holomorphen Funktionen auf besteht der Ausbreitungsraum aus allen Tupeln , wobei eine komplexe Zahl und eine konvergente Potenzreihe mit Entwicklungspunkt ist. Zu einer offenen Menge und einer holomorphen Funktion besteht die offene Menge des Ausbreitungsraumes aus allen Tupeln zu Punkten und wobei die Potenzreihenentwicklung von in ist.




Der Ausbreitungsraum zu einer Prägarbe auf einem topologischen Raum

ist ein topologischer Raum und die Projektion

ist ein lokaler Homöomorphismus.

Wir zeigen zunächst, dass in der Tat durch die Mengen

eine Basis der Topologie vorliegt. Dazu ist zu zeigen, dass der Durchschnitt von zwei solchen Mengen eine Vereinigung von solchen Mengen ist. Es sei also mit und bzw. . Hierbei gilt . Da und beide auf einschränken, gibt es eine offene Umgebung , auf der und gleich werden. Deshalb gilt

Die Projektion ist stetig, da das Urbild von offen gleich ist. Sei ein Punkt des Ausbreitungsraumes. Der Keim wird repräsentiert durch einen Schnitt und somit gilt . Wir behaupten, dass ein Homöomorphismus ist. Die Surjektivität ergibt sich aus . Wenn und zu gehören und beide auf den gleichen Punkt unter abbilden, so ist zunächst und dann auch , da ja beide Keime die Einschränkung von sind. Die Stetigkeit der Umkehrabbildung ergibt sich daraus, dass die offenen Teilmengen von die Form mit offenen Teilmengen besitzen und deren Bild gleich ist.



Es sei der Ausbreitungsraum zu einer Garbe auf einem topologischen Raum .

Dann stimmt zu einer offenen Menge die Menge der stetigen Schnitte von in in natürlicher Weise mit überein.

Wir betrachten die natürliche Abbildung

die einem die Abbildung

zuordnet. Die Abbildung ist stetig, es liegt eine Homöomorphie zu vor. Die Injektivität der Gesamtabbildung folgt aus Lemma 11.4. Zum Nachweis der Surjektivität sei ein stetiges gegeben. Es wird also jedem Punkt ein in stetiger Weise zugeordnet. Sei und es sei eine offene Umgebung, auf der durch den Schnitt repräsentiert werde. Dann ist eine offene Umgebung von in . Wegen der Stetigkeit von ist

offen in . D.h. dass auf der offenen Umgebung von die Abbildung durch einen Schnitt der Garbe über gegeben ist. Die Abbildung wird also lokal um jeden Punkt durch einen Garbenschnitt repräsentiert und diese sind zueinander verträglich, da sie ja punktweise durch gegeben sind. Aufgrund der Definition einer Garbe rühren diese lokalen Schnitte von einem globalen Garbenschnitt über her.


Wenn man in der vorstehenden Situation mit einer Prägarbe startet, so erhält man über die stetigen Schnitte im Ausbreitungsraum eine zugehörige Garbe, die sogenannte Vergarbung der Prägarbe.



Es sei die riemannsche Fläche und der Ausbreitungsraum zur Strukturgarbe. Seien verschiedene Punkte. Bei kann man direkt die Urbilder von trennenden offenen Mengen von nehmen. Es sei also und seien also verschiedene Keime. Diese seien repräsentiert durch verschiedene holomorphe Funktionen

auf einer offenen zusammenhängenden Umgebung von . Dann sind nach dem Identitätssatz in der Form Lemma 3.9  (3) auch die Keime von und in jedem Punkt verschieden. Daher sind und trennende offene Umgebungen.


Auf dem Ausbreitungsraum zu einer riemannschen Fläche gibt es eine natürliche global definierte Funktion

die einem holomorphen Funktionskeim den wohldefinierten Wert zuordnet.



Der Ausbreitungsraum zur Garbe der holomorphen Funktionen auf einer riemannschen Fläche

ist in eindeutiger Weise eine riemannsche Fläche derart, dass eine holomorphe Abbildung und ein lokaler Homöomorphismus ist. Die Auswertungsabbildung

ist eine holomorphe Funktion auf .

Ein lokaler Homöomorphismus liegt nach Lemma 12.9 vor, deshalb gibt es eine eindeutige komplexe Struktur auf derart, dass holomorph wird. Die Hausdorffeigenschaft ist wegen Lemma 12.11 erfüllt. Die Auswertung entspricht auf der zu homöomorphen offenen Menge der holomorphen Funktion und ist damit selbst holomorph.


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