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Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 24

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Die homologische Charakterisierung von regulären Ringen
Jean-Pierre Serre ist der dritte von links.

Der folgende Satz heißt Satz von Hilbert-Serre. Von Hilbert ist dabei die graduierte Situation, die wir kurz in Bemerkung 24.4 erläutern.



Für einen lokalen noetherschen Ring sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist regulär.
  2. Jeder endliche -Modul besitzt eine endliche projektive Dimension (und zwar ).
  3. Der Restklassenkörper besitzt endliche projektive Dimension.

. Wir führen Induktion über die Dimension von . Wenn ist, so liegt ein Körper vor, und ein endlicher -Modul ist einfach ein endlichdimensionaler Vektorraum. Diese besitzen eine Basis und sind somit frei, besitzen also die projektive Dimension . Es sei also nun und die Aussage für reguläre Ringe kleinerer Dimension schon bewiesen. Wir nehmen ein , was es nach dem Lemma von Nakayama geben muss. Nach Lemma 21.4 ist der Restklassenring ebenfalls regulär und hat kleinere Dimension. Es sei nun ein endlicher -Modul. Wenn frei ist, so ist die Aussage klar. Es sei nicht frei (insbesondere nicht ) und

eine minimale freie Auflösung. Es ist zu zeigen, dass diese endlich ist. Es sei der Kern der Abbildung . Wir schneiden die Auflösung ab und erhalten eine minimale freie Auflösung

Da nicht frei ist, ist nicht der Nullmodul.

Da nach Satz 21.5 ein Nichtnullteiler in ist und ein Untermodul eines freien Moduls ist, folgt, dass auch ein Nichtnullteiler für ist. Wir können somit Lemma Anhang 8.2 anwenden und erhalten einen exakten Komplex

Dieser ist eine freie Auflösung des -Moduls . Er ist minimal: Der Rang von ist die minimale Erzeugendenzahl von über und diese ist die -Dimension von , die wiederum die minimale Erzeugendenzahl von über ist. Entsprechend muss man für argumentieren. Nach Induktonsvoraussetzung ist

für ein . Wegen muss dann aber schon sein.
. Das ist eine Einschränkung.
. Es sei

eine minimale freie Auflösung des Restklassenkörpers. Wir zeigen durch Induktion über , dass regulär ist. Bei wird der exakte Komplex zu

d.h. ist isomorph zu seinem Restekörper und somit selbst ein Körper, also insbesondere regulär. Es sei nun

und die Aussage für kleinere bewiesen. Wir betrachten das linke Ende der Auflösung

wobei und frei und nicht sind. Das Bild liegt in wegen der Minimalität und wegen . Wir behaupten, dass kein assoziiertes Primideal von ist. Andernfalls wäre

für ein , , und insbesondere wäre

Dann wäre auch und somit , was aber bei einem freien Modul nicht sein kann. Dies bedeutet nach Lemma Anhang 13.8, dass einen Nichtnullteiler enthalten muss. Daher ist die Dimension von zumindest . Daher ist die Inklusion

echt und nach Lemma Anhang 15.2 gibt es ein  mit . Insbesondere ist ein Nichtnullteiler. Ähnlich wie im Beweis von (1) nach (2) ist dann auch der Komplex (der Kern der nullten Abbildung ist hier das maximale Ideal)

exakt. Da nicht der Restklassenkörper von ist, können wir nicht unmittelbar die Induktionsvoraussetzung anwenden. Unter dem - Modulhomomorphismus

wird genau auf abgebildet, wir haben also eine injektive Abbildung

Wegen können wir zu einem minimalen Erzeugendensystem von ergänzen. Wir behaupten, dass es einen wohldefinierten Modulhomomorphismus

gibt, der linksinvers zur obigen Einbettung ist. Dabei wird ein Element

auf abgebildet. Zum Nachweis der Wohldefiniertheit sei

eine weitere Darstellung. Dann ist

in und das bedeutet

mit . Wäre , so wäre dies eine Einheit und damit auch . Doch dann könnte man als Linearkombination der ausdrücken im Widerspruch zur Minimalität. Es gibt also eine direkte Zerlegung

mit einem weiteren - (oder -)Modul . Nach Lemma 23.18 besitzen in einer solchen Situation auch die Summanden eine endliche projektive Dimension, die nicht größer als die projektive Dimension der Summe ist. Somit besitzt also der Restklassenkörper eine endliche projektive Dimension über . Nach Induktionsvoraussetzung ist somit regulär, und seine Dimension ist nach dem Hauptidealsatz um kleiner als die von . Dies gilt auch für die Einbettungsdimension. Somit ist regulär.


Der folgende Satz heißt Satz von Auslander-Buchsbaum-Serre.


Für einen lokalen regulären Ring

ist jede Lokalisierung ebenfalls regulär.

Es sei ein Primideal von . Der Restklassenmodul ist endlich erzeugt, deshalb gibt es nach Satz 24.1  (2) eine endliche freie Auflösung

Wir tensorieren diese Sequenz mit der Lokalisierung . Da die Tensorierung mit einer Nenneraufnahme nach Lemma 23.4 exakt ist, erhalten wir eine endliche freie Auflösung (über )

Wegen

(nach Proposition Anhang 6.9  (2)) ist dies eine freie Auflösung des Restklassenkörpers von . Nach Satz 24.1  (3) ist somit regulär.


Die vorstehende Aussage ist ein typisches Beispiel dafür, wie durch die Entwicklung einer neuen Theorie ein zuvor schwieriges Problem „plötzlich“ einfach wird. Ohne die homologische Charakterisierung von regulären Ringen ist der Nachweis dieser Lokalisierungseigenschaft schwierig.

In einem lokalen regulären Ring gibt es für den Restklassenkörper eine explizite endliche Auflösung, die sogenannte Koszul-Auflösung. Für ein minimales Erzeugendensystem

hat sie die Form

wobei sich die Abbildungen links durch gewisse alternierende Produkte der Linearform ergeben.


Zum Polynomring über einem Körper und einem endlich erzeugten graduierten Modul gibt es eine endliche graduierte freie Auflösung, d.h. die freien auflösenden Moduln sind von der Form (im Sinne von Definition 16.3)

und die Modulhomomorphismen sind homogen.


Die Lokalisierung an einem Primideal kann regulär sein, ohne dass der Ausgangsring regulär ist. In der Tat ist das ein sehr häufiges und typisches Verhalten. Wenn beispielsweise ein Integritätsbereich ist, so ist die Lokalisierung am Primideal

der Quotientenkörper von , und als Körper stets regulär. In einer Primidealkette

gibt es somit ein größtes Primideal, das regulär ist (dieses kann gleich sein). Wenn nämlich regulär ist, so ist für eine Lokalisierung von und somit nach Satz 24.2 selbst regulär.



Die analytische Situation

Wenn man sich auf Polynome und die durch sie definierten Singularitäten beschränkt, so ergibt sich ein gewisses Defizit dadurch, dass der Satz über implizite Abbildungen nicht in dieser Kategorie gilt. In den regulären Punkten zu polynomialen Abbildungen gibt es gemäß dem Satz lokal Diffeomorphismen zwischen den Fasern und offen Bällen im , aber diese Diffeomorphismen sind nur sehr selten durch Polynome gegeben. Insbesondere gibt es zwischen zwei glatten Punkten und gleicher Dimension keinen polynomialen Isomorphismus, obwohl es einen Diffeomorphismus gibt. Das ist nicht immer befriedigend, und es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, dies zu umgehen. Man kann mit formalen Potenzreihen arbeiten, mit denen man formale Isomorphismen ausdrücken kann und wofür die Komplettierung von lokalen Ringen entscheidend ist. Oder man kann, bei , holomorph arbeiten und ausnutzen, dass es eine holomorphe Version des Satzes über implizite Abbildungen gibt, so dass die Diffeomorphismen, wenn die definierenden Funktionen holomorph sind, lokal durch konvergente Potenzreihen beschrieben werden können.


Eine auf einer offenen Menge definierte Funktion

heißt holomorph, wenn sie komplex differenzierbar ist.


Eine auf einer offenen Menge definierte Funktion

heißt komplex-analytisch, wenn sie sich in jedem Punkt auf einer offenen Umgebung durch eine konvergente Potenzreihe beschreiben lässt.

Der folgende Satz ist ein Hauptsatz aus der Funktionentheorie mehrerer Variablen.


Es sei

eine auf einer offenen Menge definierte Funktion.

Dann ist genau dann holomorph, wenn komplex-analytisch ist.


Es sei . Dann nennt man den Ring aller in einer offenen Umgebung von definierten holomorphen Funktionen den Ring der konvergenten Potenzreihen in . Dabei werden Funktionen identifiziert, wenn sie auf einer gemeinsamen offenen Umgebung von übereinstimmen, und die Addition und die Multiplikation wird auf offenen Umgebungen durchgeführt, auf denen beide Funktionen definiert sind.

Der Ring der konvergenten Potenzreihen wird mit bezeichnet. Dieser Ring hängt nur von der Dimension, also der Anzahl der Variablen ab, nicht aber vom Punkt . Häufig wird er auch mit bezeichnet. Zum Nullpunkt bilden die Variablen ein minimales Erzeugendensystem des maximalen Ideals. Zum Polynomring bzw. zur Lokalisierung besteht die Beziehung

für alle , d.h. die Restklassenringe zu Potenzen des maximalen Ideals stimmen in den verschiedenen Konzepten überein. Somit stimmen beispielsweise auch die Hilbert-Samuel-Funktion, das Jacobiideal und die Milnorzahl zu einem Polynom etc. überein.



Der Ring der konvergenten Potenzreihen in ist

lokal mit dem maximalen Ideal .

Es ist klar, dass ein Ideal ist. Wenn die holomorphe Funktion nicht zu gehört, so ist und dann ist auch in einer offenen Umgebung von nullstellenfrei. Dort ist eine wohldefinierte holomorphe Funktion und das bedeutet, dass in eine Einheit ist. Also handelt es sich bei um das einzige maximale Ideal.

Ohne Beweis erwähnen wir den folgenden Satz.


Der Ring der konvergenten Potenzreihen in ist

regulär der Dimension .

Holomorphe Funktionen auf einer offenen (in der euklidischen Topologie) Menge legen wie im algebraischen Fall eine (analytische) Nullstellenmenge

fest. Der lokale holomorphe Ring zu besteht aus allen in einer Umgebung von auf definierten holomorphen Funktionen, und dieser ist nach Definition gleich

Die holomorphe Version des Satzes über imlizite Abbildungen besagt, dass falls die Jacobimatrix zu den im Punkt surjektiv ist, dass es dann eine biholomorphe Abbildung zwischen einer offenen Umgebung und einer offenen Menge gibt, die als komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension nachweist. In diesem Fall induziert die biholomorphe Abbildung einen Ringisomorphismus

Das bedeutet, dass der lokale holomorphe Ring zu einem glatten Punkt auf einer -dimensionalen analytischen Nullstellenmenge stets isomorph zum Ring der konvergenten Potenzreihen in Variablen ist.

Die folgende Aussage, die wichtige Beziehungen zwischen und dem lokalen Ring der holomorphen Funktionen beschreibt, wird mit Hilfe der Komplettierung bewiesen.


Für die Lokalisierung und den lokalen Ring der holomorphen Funktionen gelten folgende Beziehungen.

  1. Die natürliche Abbildung

    ist injektiv und flach.

  2. Für ein Ideal ist
  3. Für ein Ideal , dessen Radikal gleich ist, gilt

Dies bedeutet beispielsweise, dass zu einem Polynom mit einer isolierten Singularität die Milnorzahl wegen

algebraisch und holomorph berechnet werden kann. Oder: Zu einem polynomialen Ideal ist

was bedeutet, dass die Hilbert-Samuel-Funktion des lokalen Ringes mit ihrer holomorphen Version übereinstimmt.

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