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Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 5

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Invariantenringe zu Untergruppen



Es sei eine Operation einer Gruppe auf einem kommutativen Ring durch Ringautomorphismen. Sei eine Untergruppe. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. .
  2. Sind und Untergruppen in mit , so ist
  3. Ist ein Normalteiler in , so operiert die Restklassengruppe auf durch

    Dabei ist

(1) ist klar.
(2). Die Voraussetzung bedeutet, dass man mit gewissen oder schreiben kann.

Die Inklusion ist nach (1) klar. Die Inklusion ist wegen

klar.
(3). Die Operation ist zunächst wohldefiniert, d.h. unabhängig vom Repräsentanten. Es seien dazu gegeben mit . Dann ist

Wegen der Normalteilereigenschaft gibt es für und ein mit . Für ist

und somit gehört ebenfalls zu . Wir haben also eine Abbildung

Diese Abbildung ist in der Tat eine Gruppenoperation. Das neutrale Element wirkt identisch und die Assoziativität ergibt sich aus

Es liegt also eine Operation von auf vor, und da die Elemente identisch wirken, induziert dies eine Operation von auf . Bei den Abbildungen handelt es sich um Ringautomorphismen, da es sich um Einschränkungen von Ringautomorphismen auf handelt, wobei sich die Surjektivität aus der Existenz von ergibt.

Wir kommen zur Gleichheit

Zum Beweis der Inklusion sei . Dann ist insbesondere . Wegen ist auch - invariant. Zum Beweis der Inklusion sei . Doch dann ist für wiederum .



Es sei

eine Operation einer Gruppe auf einem kommutativen Ring durch Ringautomorphismen. Es seien konjugierte Untergruppen.

Dann sind die Invariantenringe und in natürlicher Weise isomorph.

Die beiden Untergruppen seien vermöge zueinander konjugiert, d.h. die Abbildung

sei ein Gruppenisomorphismus. Wir betrachten den zu gehörenden Ringautomorphismus

Für und mit ist

also liegt das Bild in . Da man die Rollen von und vertauschen kann, liegt ein Isomorphismus vor.



Polynomiale Dreiecksinvarianten

Wir betrachten die Menge der Dreiecke, aufgefasst mit der Operation der Kongruenzabbildungen, siehe Beispiel 1.1. Die Vektoren fasst man als Verschiebungen und damit als Kongruenzabbildungen auf. Mit einer beliebigen Kongruenz besteht die Beziehung . Daher bilden die Verschiebungen einen Normalteiler in der Kongruenzgruppe (der uneigentlichen affinen Isometriegruppe). Nach Proposition 5.1 kann man den Invariantenring sukzessive berechnen. Unter der Untergruppe der Verschiebungen ist der Invariantenring offenbar gleich

Dieser Übergang entspricht geometrisch der Verschiebung des dritten Eckpunktes in den Nullpunkt. Die Operation der Restklassengruppe, die ja die uneigentliche Drehgruppe ist, auf diesem Polynomring in vier Variablen (die wir jetzt nennen) rührt von der natürlichen (und linearen) Operation der Drehgruppe auf dem her. Die Determinante induziert einen surjektiven Gruppenhomomorphismus

deren Kern die eigentliche Drehgruppe ist (das Urbild von bilden die Drehspiegelungen). Daher gibt es eine natürliche Operation der auf

und man sollte zuerst diesen Invariantenring ausrechnen. Aufgrund der geometrischen Interpretation (die drei Quadrate der Längen des Dreiecks, das Skalarprodukt der Seiten am Nullpunkt, der orientierte Flächeninhalt (bis auf Skalierung)) müssen

invariante Polynome sein, was man auch direkt durch Rechnungen bestätigen kann. Das Skalarprodukt ist dabei unmittelbar mit den ersten drei Längenquadraten polynomial ausdrückbar. Da die drei Längen zwar die unorientierte Kongruenzklasse des Dreiecks bestimmen, es zu einem (nicht entarteten) Längentripel aber zwei entgegengesetzt orientierte Dreiecke gibt, muss es ein weiteres -invariantes Polynom geben, das aber nicht -invariant ist, sondern Orientierungswechsel respektiert. Die Orientierung ist am fünften Polynom, der Determinante, ablesbar. Die drei Längenquadrate und die Determinante bestimmen die orientierte Kongruenzklasse des Dreiecks eindeutig, somit repräsentieren diese vier Funktionen die Quotientenabbildung. Das Quadrat der Determinante kann man als Polynom in den Längenquadraten ausdrücken (beispielsweise ausgehend von der Heronschen Flächenformel).




Die Drehgruppe

operiere linear und simultan auf dem .

Dann ist der Invariantenring der zugehörigen Operation auf dem Polynomring gleich

Dabei sind die ersten drei Erzeuger algebraisch unabhängig, und das Quadrat von lässt sich durch die ersten drei Erzeuger ausdrücken.

Die Invarianz der angegebenen Polynome sowie ihre inhaltliche Bedeutung wurden schon in Beispiel 5.3 bemerkt. Wir betrachten die Erweiterung

Die angegebene Operation der auf dem reellen Polynomring lässt sich direkt auf den komplexen Polynomring fortsetzen, da das Gruppenelement

durch etc. wirkt, und diese Ringhomomorphismen reell oder komplex aufgefasst werden können.[1] Ein Polynom ist genau dann invariant, wenn es aufgefasst in invariant ist. Wir führen neue komplexe Variablen ein, nämlich

Es bestehen die Beziehung

und

Die beiden letzten Gleichungen zeigen, dass sich umgekehrt auch und durch und ausdrücken lassen. Die beiden Systeme erzeugen also die gleiche - Unteralgebra von

Wir schreiben die Elemente der operierenden Gruppe als

wobei wir die Drehgruppe mit den komplexen Zahlen vom Betrag (zusammen mit der komplexen Multiplikation) identifizieren. Die Operation wird dann zu ( bezeichne die aus dem Reellen fortgesetzte Operation und die komplexe Multiplikation)

(ebenso für ) und

(ebenso für ). Wir betrachten auf die[2] - Graduierung, bei der den Grad und den Grad bekommen. Die Operation der Gruppe ist homogen bezüglich dieser Graduierung. Daher ist der Invariantenring ein graduierter Unterring. Auf der -ten Stufe des Ringes ist die Operation für durch gegeben. Für ist dies die Identität, sodass die -te Stufe invariant ist. Für gibt es mit , sodass es außer keine weiteren invarianten Polynome gibt. Der Invariantenring ist also die -te Stufe. Diese besteht aus Linearkombinationen von Monomen der -ten Stufe, und ein Monom vom nullten Grad muss ein Produkt der Elemente sein. Der Invariantenring ist also

Wir kehren zur reellen Situation zurück. Es sei ein invariantes Polynom. Dann gibt es ein komplexes Polynom in vier Variablen mit

Mit Hilfe der komplexen Konjugation sieht man, dass es auch ein reelles Polynom mit dieser Eigenschaft geben muss. Daher gilt für den reellen Invariantenring

Für den Zusatz siehe Aufgabe 5.4.


Der folgende Satz ist die polynomial-invariantentheoretische Version der Aussage, dass die Kongruenzklasse eines Dreiecks durch die drei Seitenlängen (SSS) bzw. einen Winkel und zwei anliegende Seitenlängen (SWS) festgelegt ist. Aufgrund dieses elementar-geometrischen Satzes weiß man, dass man jede Invariante der Kongruenzklasse eines Dreiecks „irgendwie“ als eine Funktion der drei Längen ausdrücken kann. Daraus folgt aber keineswegs automatisch, dass man eine polynomiale Invariante auch polynomial ausdrücken kann.


Die orthogonale Gruppe (der Drehungen und der Drehspiegelungen) operiere linear und simultan auf dem

Dann ist der Invariantenring der zugehörigen Operation auf dem Polynomring gleich

Die drei Erzeuger sind dabei algebraisch unabhängig.

Jede polynomiale Invariante eines (nummerierten) Dreieckes lässt sich polynomial in den drei Seitenquadraten ausdrücken.

Wie in Beispiel 5.3 erwähnt, gibt es eine kurze exakte Sequenz

Wir können daher aufgrund von Proposition 5.1 den Invariantenring

aus dem Invariantenring zu

ausrechnen, der in Lemma 5.4 zu

bestimmt wurde. Das nichttriviale Element der Restklassengruppe wirkt auf durch einen beliebigen Repräsentanten, beispielsweise durch die Spiegelung . Der zugehörige Ringautomorphismus lässt unverändert und schickt auf ihr Negatives. Unter dieser Abbildung sind die drei vorderen Erzeuger invariant und der hintere Erzeuger wird auf sein Negatives abgebildet. Da das Quadrat des vierten Erzeugers zu gehört, liegt eine Operation auf einem Ring der Form durch vor. In einem solchen Fall ist der Invariantenring.



Quotientenkörper von Invariantenringen



Es sei eine Gruppe, die auf einem Integritätsbereich als Gruppe von Ringautomorphismen operiere. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Der Invariantenring ist ein Integritätsbereich.
  2. Die Operation induziert eine Operation von auf dem Quotientenkörper als Gruppe von Körperautomorphismen.
  3. Es ist .
  4. Es ist

(1) ist wegen klar.
(2). Es sei der Quotientenkörper von . Zu jedem setzt sich der Ringautomorphismus aufgrund der universellen Eigenschaft der Nenneraufnahme zu einem Körperautomorphismus fort.
(3). Ein Element aus dem Quotientenkörper hat die Form mit invarianten Elementen . Es ist also insbesondere invariant unter der induzierten Operation auf . Daher gilt .
(4). Die Inklusion ist direkt klar. Die andere Inklusion ergibt sich, da die Operation von auf eingeschränkt auf die ursprüngliche Operation ist. Wenn also ist und aufgefasst in invariant ist, so ist es überhaupt invariant.


Mit Proposition 5.6 hängt die Invariantentheorie von Integritätsbereichen eng mit der Galoistheorie des Quotientenkörpers zusammen. In der Situation des Satzes ist bei endlichem die Körpererweiterung eine Galoiserweiterung, wie aus dem Satz von Artin folgt. ist ja gerade der Fixring unter den Körperautomorphismen zu . Die Untergruppen liefern Zwischenkörper und ist der zugehörige Zwischenring (man darf aber nicht erwarten, dass es eine bijektive Korrespondenz zwischen Zwischenringen und Untergruppen gibt). Häufig besitzen Aussagen der Invariantentheorie stärkere Analoga aus der Galoistheorie. Zu Proposition 5.1  (3) vergleiche man etwa die Rückrichtung von Satz 16.4 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011))  (1).

Es gibt aber auch erhebliche Unterschiede zwischen Invariantentheorie und Galoistheorie. Beispielsweise geht man in der klassischen Galoistheorie eher von einem Grundkörper aus und untersucht Körpererweiterungen zusammen mit der - Automorphismengruppe, während man in der klassischen Invariantentheorie eher mit dem Erweiterungsring anfängt und versucht, die Fixringe zu einer gewissen Operation zu bestimmen. Auch in der Invariantentheorie wird häufig ein Grundkörper vorausgesetzt, doch tritt dieser kaum als Invariantenring auf, sondern übernimmt die Rolle, dass alle beteiligten Ringe -Algebren über diesem Körper und alle Ringhomomorphismen -Algebrahomomorphismen sind. Beispielsweise ist die Bestimmung von Invariantenringen zum Polynomring zu (linearen) Gruppenoperationen schon ein riesiges Teilgebiet der Invariantentheorie.

Bei einer endlichen Gruppe gilt in Proposition 5.6  (3) sogar Gleichheit, wie die folgende Aussage zeigt.


Es sei eine endliche Gruppe, die auf einem Integritätsbereich als Gruppe von Ringautomorphismen operiere.

Dann ist

Die Inklusion gilt nach Proposition 5.6  (3) für jede Gruppe. Zum Beweis der Umkehrung seien , , mit gegeben. Wir betrachten

Dann gelten in die Identitäten

Nach Voraussetzung ist der Bruch und in dieser Darstellung offenbar auch der Nenner (siehe Aufgabe *****) invariant. Also muss auch der Zähler invariant sein und somit ist .



Es sei ein unendlicher Körper. Wir betrachten auf die Operation von durch skalare Multiplikation. Zu gehört also der durch gegebene - Algebrahomomorphismus. Der Invariantenring dazu ist , also ein Körper. Der Quotientenkörper von ist der Funktionenkörper in zwei Variablen. Sein Invariantenring unter der Operation ist , also der Funktionenkörper in einer Variablen. In dieser Situation gilt also




Fußnoten
  1. Die operierende Gruppe wird also nicht komplexifiziert.
  2. Wir werden Graduierungen mit einer beliebigen graduierenden Gruppe und die zugehörige Operation der Charaktergruppe in der siebten Vorlesung besprechen.



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