Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 7/kontrolle
Wir haben schon vereinzelt die Standardgraduierung auf dem Polynomring verwendet. In dieser Vorlesung führen wir graduierte Ringe allgemein ein und erläutern den engen Zusammenhang zwischen Graduierungen und Gruppenoperationen von kommutativen Gruppen.
- Graduierungen
Es sei ein kommutativer Ring und eine kommutative Gruppe. Eine - Algebra heißt graduiert, wenn es eine direkte Summenzerlegung
mit - Untermoduln gibt derart, dass ist und für die Multiplikation auf die Beziehung
gilt.
Eine einfache Überlegung zeigt, dass ist und dass somit eine - Unteralgebra von ist. Häufig spricht man einfach von einem -graduierten Ring . Statt kann man stets oder als Grundring wählen.
In einer - graduierten - Algebra besitzt jedes Element eine eindeutige Darstellung
wobei nur endlich viele der ungleich sein können. Die heißen dabei die homogenen Komponenten von , die heißen ebenfalls die homogenen Komponenten von (oder -ten Stufen) und Elemente heißen homogen vom Grad . Die Gruppe heißt die graduierende Gruppe. Der Fall ist erlaubt.
Durch eine Graduierung wird die Multiplikation auf einer Algebra übersichtlicher strukturiert. Man muss lediglich für homogene Elemente und die Produkte kennen, dadurch ist schon die gesamte Multiplikation distributiv festgelegt.
Es sei ein kommutativer Ring und der Polynomring in Variablen über . Dieser ist in naheliegender Weise - graduiert. Man definiert für ein Monom den Grad durch und setzt als den - Modul aller Polynome an, die - Linearkombinationen von Monomen von Grad sind. Bei der Multiplikation von zwei Monomen verhält sich der Grad offensichtlich additiv, sodass dadurch eine graduierte -Algebra entsteht. Es ist und für negativen Grad . Diese Graduierung heißt auch die Standardgraduierung auf dem Polynomring.
Es sei ein kommutativer Ring und der Polynomring in Variablen über . Die additive Gruppe des Polynomrings ist einfach
Daher ist der Polynomring - graduiert, wobei die -te Stufe einfach aus allen -Vielfachen des Monoms
Durch einen (surjektiven) Gruppenhomomorphismus
kann man aus der feinen Graduierung des Polynomrings wiederum „gröbere Graduierungen“ gewinnen. In Beispiel 7.13 wird diese Konstruktion eingesetzt.
Es sei ein Körper, und . Dann besitzt die Restklassenalgebra eine Graduierung mit der graduierenden Gruppe , und zwar setzt man (wobei die Restklasse von sei)
Jedes Element kann man durch ein Polynom repräsentieren, das maximal den Grad besitzt. Daher besitzt jedes eine Summendarstellung mit Summanden aus den . Diese Summenzerlegung ist direkt, da man mit der einzigen gegebenen Gleichung nicht weiter reduzieren kann. Die Multiplikationseigenschaft folgt aus , und dies ist gleich , falls ist, und andernfalls gleich . So oder so ist es ein Element aus .
Es sei eine kommutative Gruppe und ein kommutativer - graduierter Ring.
Dann ist ein direkter Summand.
Wir nennen die Stufe auch die neutrale Stufe des graduierten Ringes.
- Homogene Ideale
Es sei ein kommutativer Ring, eine kommutative Gruppe und
- graduierte - Algebra. Ein Ideal heißt homogen, wenn zu auch die homogenen Komponenten sind.
Für ein homogenes Ideal liegt die Summenzerlegung
mit
vor.
Es sei ein kommutativer Ring, eine kommutative Gruppe und eine - graduierte - Algebra. Es sei ein homogenes Ideal.
Dann ist auch der Restklassenring -graduiert.
Dabei ist
Beweis
- Graduierungen und Gruppenoperationen
Wir kommen nun zu der Beziehung zwischen -Graduierungen und Operationen der Charaktergruppe .
Es sei ein Körper, eine kommutative Gruppe und eine - graduierte kommutative - Algebra.
Dann gibt es einen Gruppenhomomorphismus
der Charaktergruppe von in die (homogene) - Automorphismengruppe von .
Wenn alle sind, so ist diese Zuordnung injektiv.
Zu jedem Charakter
definierte Abbildung mit der Addition verträglich. Die Verträglichkeit mit der Multiplikation folgt für homogene Elemente und aus
woraus sich aufgrund des Distributivgesetzes auch der allgemeine Fall ergibt. Für
(und insbesondere für
)
ist ferner
,
sodass ein
-
Algebrahomomorphismus
vorliegt.
Der triviale
(konstante)
Charakter geht bei dieser Zuordnung auf die Identität. Es seien nun zwei Charaktere gegeben. Für ein homogenes Element ist
sodass die Gesamtzuordnung mit den Verknüpfungen verträglich ist. Daher gilt auch
sodass jedes ein
-
Algebraautomorphismus und die Gesamtzuordnung ein
Gruppenhomomorphismus
ist.
Die
Injektivität
ergibt sich unter Verwendung von
Lemma 4.9 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011))
folgendermaßen. Bei
gibt es ein
mit
.
Nach Voraussetzung ist
sei also
, .
Damit ist
,
da eine
Einheit
ist. Also ist
.
Aufgrund dieses Lemmas operiert also die Charaktergruppe zur graduierenden Gruppe auf als Gruppe von
(homogenen)
-
Algebraautomorphismen.
Der zugehörige Invariantenring zu dieser Operation fällt unter schwachen Bedingungen mit dem Ring der neutralen Stufe der Graduierung zusammen.
Es sei ein Körper, eine kommutative Gruppe und eine - graduierte kommutative - Algebra. Zu jedem , , gebe es einen Charakter mit
Dann ist der Invariantenring unter der natürlichen Operation der Charaktergruppe auf .
Für ein Element und einen beliebigen Charakter ist offenbar
sodass ist. Da die Operation der Charaktergruppe homogen ist, sind die homogenen Komponenten eines invarianten Elements ebenfalls invariant. Es sei und . Aufgrund der Voraussetzung gibt es einen Charakter
mit . Dann ist
also sind solche Elemente nicht invariant.
Es sei ein Körper, eine endliche kommutative Gruppe und eine - graduierte kommutative - Algebra. Der Körper enthalte hinreichend viele Einheitswurzeln, sodass die Charaktergruppe von isomorph zu sei.
Dann ist der Invariantenring unter der natürlichen Operation der Charaktergruppe auf .
Beweis
Es sei ein Körper der positiven Charakteristik und der Polynomring sei durch über graduiert. Die neutrale Stufe ist offenbar . Die Charaktergruppe zu ist aber trivial, da es wegen
neben der keine weiteren -ten Einheitswurzeln in gibt. Damit ist natürlich auch die induzierte Operation trivial und der Invariantenring ist .
Wir besprechen abschließend zwei wichtige Beispiele für Invariantenringe, die die sogenannten - bzw. die -Singularitäten repräsentieren.
Es sei ein Körper, der eine primitive -te Einheitswurzel enthalte. Wir betrachten die Untergruppe
und die zugehörige Operation auf bzw. auf . Es handelt sich um eine zyklische Gruppe der Ordnung , die von
erzeugt wird. Die Operation von auf ist durch und gegeben. Offenbar sind
invariante Polynome unter dieser Gruppenoperation, die in der Beziehung
stehen. Dass diese drei Invarianten den Invariantenring erzeugen, sieht man am besten, wenn man die Situation graduiert realisiert. Dazu sei der Polynomring - graduiert, wobei den Grad und den Grad besitze. Wir betrachten den Gruppenhomomorphismus
und die zugehörige -Graduierung des Polynomringes. Wir identifizieren die Charaktergruppe mit der obigen Gruppe , indem wir
mit identifizieren. Bei dieser Identifizierung entspricht die obige explizite Operation von auf der natürlichen Operation der Charaktergruppe gemäß Lemma 7.9. Nach Korollar 7.11 ist der Invariantenring unter der -Operation gleich der neutralen Stufe unter der - Graduierung. Der Kern von wird durch erzeugt. Die zugehörigen Stufen bilden somit den Invariantenring. Der Invariantenring ist also .
Im vorstehenden Beispiel haben wir einen surjektiven Ringhomomorphismus
Dies ist in der Tat ein Isomorphismus, d.h. ist die einzige relevante Gleichung. Dies liegt daran, dass das Polynom irreduzibel ist und dadurch der Restklassenring ein Integritätsbereich ist. Die Übereinstimmung mit dem Invariantenring folgt nun aus der Dimensionstheorie, die wir aber nicht systematisch entwickeln werden. Jedenfalls ist dieser Restklassenring und der gesuchte Invariantenring zweidimensional, sodass sie übereinstimmen müssen.
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