Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Teil II/Vorlesung 35/kontrolle
- Winkeltreue Abbildungen
Eine lineare Abbildung
zwischen euklidischen Vektorräumen und heißt winkeltreu, wenn für je zwei Vektoren die Beziehung
gilt.
Da Winkel nur für von verschiedene Vektoren definiert sind, müssen winkeltreue Abbildungen injektiv sein. Eine Isometrie ist insbesondere winkeltreu, da ja sowohl die Norm als auch der Winkel unter Bezug auf das Skalarprodukt definiert werden und dieses sich bei einer Isometrie nicht ändert. Weitere Beispiele für winkeltreue Abbildungen sind Streckungen um einen von verschiedenen Streckungsfaktor, siehe Aufgabe 35.1. Bei einer winkeltreuen Abbildung werden insbesondere zueinander orthogonale Vektoren auf orthogonale Vektoren abgebildet.
Es sei
eine - lineare Abbildung, die durch die Multiplikation mit der komplexen Zahl
gestiftet wird. Bezüglich der reellen Basis von wird diese Abbildung durch die reelle - Matrix
beschrieben. Diese schreiben wir als
Somit liegt die Hintereinanderschaltung von einer Isometrie (einer Drehung) und einer Streckung mit dem Streckungsfaktor
und insbesondere eine winkeltreue Abbildung vor.
Es sei
eine winkeltreue lineare Abbildung auf dem euklidischen Vektorraum .
Dann gibt es eine Isometrie
und eine Streckung
mit
Es sei
und es sei
wobei die Dimension von sei. Es sei die Streckung mit dem Faktor und wir betrachten die Abbildung
Diese Abbildung ist nach wie vor winkeltreu und ihre Determinante ist oder . Nach Aufgabe 33.18 ist eine Isometrie.
Bei einer winkeltreuen Abbildung
zwischen euklidischen Vektorräumen und werden nicht nur die Winkel am Nullpunkt, sondern überhaupt alle Winkel erhalten. Für Punkte stimmt ja der Winkel des Dreiecks an wegen
mit dem Winkel an des Bilddreiecks überein.
- Abstände zwischen Mengen
Speziell werden wir dieses Konzept auf normierte Vektorräume und auf euklidische Vektorräume anwenden. Zu zwei Punkten ist der Abstand zwischen den Mengen und natürlich gleich .
Wir werden uns hauptsächlich mit Situationen beschäftigen, in denen das Infimum angenommen wird, also ein Minimum ist. Für lineare Objekte ist dieses Verhalten typisch.
Es sei ein euklidischer Vektorraum, ein Untervektorraum und .
Dann ist derjenige Punkt auf , der unter allen Punkten auf zu den minimalen Abstand besitzt.
Insbesondere ist
Zu ist nach dem Satz des Pythagoras
da ja und aufeinander senkrecht stehen. Der Ausdruck wird minimal genau dann, wenn ist, was genau bei
der Fall ist.
In diesem Zusammenhang nennt man auch den Lotfußpunkt von auf .
Es sei ein euklidischer Vektorraum, ein Untervektorraum und . Es sei eine Orthonormalbasis von . Dann ist
Nach Lemma 35.6 ist
und nach Lemma 32.14 ist
Wir ergänzen die Orthonormalbasis zu einer Orthonormalbasis von . Also ist unter Verwendung des Satzes des Pythagoras
Es sei und der von dieser Auswahl an Standardvektoren aufgespannte Achsenunterraum. Sei
Dann ist der Abstand von zu gleich
Der Lotfußpunkt von auf ist
mit
Es sei ein Vektor mit und
der durch als Normalenvektor definierte Untervektorraum.
Dann ist für einen Vektor der Abstand zu gleich
Es sei eine Orthonormalbasis von und
Dann ist
und nach Lemma 35.6 ist
was in Verbindung mit
das Resultat liefert.
Die bisherigen Überlegungen übertragen sich direkt auf affine Unterräume.
Es sei ein reeller affiner Raum über einem euklidischen Vektorraum , ein Punkt und ein affiner Unterraum. Bei ist der Abstand von zu gleich . Im Allgemeinen schreibt man
mit einem Aufpunkt und mit einem Untervektorraum und bestimmt das orthogonale Komplement von in . Wenn eine Basis von und eine Basis von ist, so gibt es eine eindeutige Darstellung
Es ist dann
der Lotfußpunkt von auf und der Abstand von zu ist
Wenn die eine Orthonormalbasis von bilden, so ist dies gleich .
Wir wollen in der euklidischen Ebene den Abstand des Punktes zu der Geraden , die durch gegeben ist, berechnen. Die Gerade hat die Form
und ist ein zu orthogonaler Vektor. Es ist
Somit ist der Lotfußpunkt gleich
und der Abstand ist
Es sei ein euklidischer Vektorraum und seien und nichtleere affine Unterräume mit den Untervektorräumen . Es sei
mit , und .
Dann ist der Abstand gleich und wird in den Punkten und angenommen.
Insbesondere steht der Verbindungsvektor zu Punkten, in denen der minimale Abstand angenommen wird, sowohl auf als auch auf senkrecht.
Es sei also mit , und , wobei es eine solche Zerlegung immer gibt, und wobei nicht eindeutig bestimmt sein müssen (falls ist), aber eindeutig bestimmt ist. Es ist dann
und dabei ist und . Der Abstand zwischen und ist . Für beliebige Punkte und mit und ist
d.h.
In der vorstehenden Aussage sind die Punkte, in denen das Minimum angenommen wird, nicht eindeutig bestimmt, man denke beispielsweise an zwei parallele Geraden in der Ebene. Eindeutigkeit liegt vor, wenn der Durchschnitt der zu gehörenden Untervektorräume gleich ist. Dies ist bei windschiefen Geraden der Fall.
Zwei (affine) Geraden heißen windschief, wenn sie keinen gemeinsamen Punkt haben und auch nicht parallel sind, ihre Richtungsvektoren also nicht linear abhängig sind. Dann erzeugen die Richtungsvektoren eine Ebene, und auf dieser Ebene steht ein (bis auf Streckung eindeutiger) Vektor senkrecht. Einen solchen Vektor, den Normalenvektor, kann man mit dem Kreuzprodukt berechnen. Sei
und
Das lineare Gleichungssystem
besitzt eine eindeutige Lösung . Dabei sind und die Lotfußpunkte, in denen nach Lemma 35.12 der Abstand der Geraden angenommen wird. Dieser Abstand ist .
Es seien
und
windschiefe Geraden im mit Vektoren . Es sei ein normierter Vektor, der zu und senkrecht sei.
Dann ist
Wir gehen von Beispiel 35.13 aus und betrachten
Mit der Cramerschen Regel erhalten wir unter Verwendung von Lemma 33.3 (5) und da ein lineares Vielfaches von ist
Es seien
und
windschiefe Geraden. Wir wollen das Abstandsproblem zwischen den beiden Geraden als Extremalproblem im Sinne der höherdimensionalen Analysis verstehen. Sei
und
Das Quadrat des Abstandes zwischen zwei Punkten
und
ist (mit )
Diesen Ausdruck kann man mit Mitteln der Analysis 2 interpretieren. Wir betrachten die durch die Geraden gegebenen Daten als fixierte Parameter, sodass ein reellwertiger funktionaler Ausdruck in den beiden reellen Variablen und vorliegt, für den Extrema zu bestimmen sind. Die partiellen Ableitungen sind
und
Wenn wir diese gleich setzen, so erhalten wir ein inhomogenes lineares Gleichungssystem mit zwei Gleichungen in den Variablen und . Mit der Cramerschen Regel erhält man
und
Wenn und normiert sind, so vereinfachen sich diese Ausdrücke zu
und