Kurs:Differentialgeometrie/9/Klausur mit Lösungen

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Aufgabe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Punkte 3 3 6 3 3 5 13 4 3 7 6 3 6 65




Aufgabe (3 Punkte)

Definiere die folgenden (kursiv gedruckten) Begriffe.

  1. Ein Hausdorff-Raum .
  2. Eine differenzierbare Abbildung

    zwischen zwei differenzierbaren Mannigfaltigkeiten und .

  3. Das Tangentialbündel zu einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit .
  4. Die zweite Fundamentalmatrix zu einer lokalen Parametrisierung

    (mit offen) einer differenzierbaren Hyperfläche .

  5. Die äußere Ableitung zu einer stetig differenzierbaren Differentialform auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit .
  6. Eine der Überdeckung untergeordnete Partition der Eins, wobei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes ist.


Lösung

  1. Der topologische Raum heißt hausdorffsch, wenn es zu je zwei verschiedenen Punkten zwei offene Mengen und gibt mit und .
  2. Es seien und die Atlanten von und . Die Abbildung

    heißt differenzierbar, wenn sie stetig ist und wenn für alle und alle die Abbildungen

    stetig differenzierbar sind.

  3. Man nennt die Menge

    versehen mit der Projektionsabbildung

    das Tangentialbündel von .

  4. Es sei durch ein Einheitsnormalenfeld orientiert, wobei wir als Feld auf auffassen. Dann setzt man

    Die zweite Fundamentalmatrix zu ist die (von ) abhängige Matrix

  5. Die äußere Ableitung von wird lokal auf einer Karte, auf der die Gestalt

    besitzt, durch

    definiert.

  6. Eine Familie von Funktionen

    mit heißt eine der Überdeckung untergeordnete Partition der Eins, wenn folgende Eigenschaften gelten.

    1. Es ist für alle .
    2. Jeder Punkt besitzt eine offene Umgebung derart, dass die eingeschränkten Funktionen bis auf endlich viele Ausnahmen die Nullfunktion sind.
    3. Es ist .
    4. Für jedes gibt es eine offene Menge aus der Überdeckung derart, dass der Träger von in liegt.


Aufgabe (3 Punkte)

Formuliere die folgenden Sätze.

  1. Der Satz über die algebraische Eigenschaft der Weingartenabbildung.
  2. Der Satz über Orientierbarkeit und positive Volumenform.
  3. Der Brouwersche Fixpunktsatz.


Lösung

  1. Es sei offen, eine zweifach stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Dann ist die Weingartenabbildung in jedem Punkt selbstadjungiert.
  2. Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer abzählbaren Basis der Topologie. Dann existiert genau dann eine stetige nullstellenfreie Volumenform auf , wenn orientierbar ist. Diese Volumenform kann dann auch stetig differenzierbar und positiv gewählt werden.
  3. Es sei
    eine stetig differenzierbare Abbildung der abgeschlossenen Kugel im in sich. Dann besitzt einen Fixpunkt.


Aufgabe (6 Punkte)

Bestimme die Krümmung in jedem Punkt des durch

implizit gegebenen Einheitskreises mit Lemma 3.11 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)) und dem Gradientenfeld zu .


Lösung

Das Gradientenfeld zu ist , ein Einheitsnormalenfeld ist somit

Das totale Differential von in einem Punkt

ist

Angewendet auf den tangentialen Vektor ergibt sich

Daher ist die Krümmung der Kurve in nach Lemma 3.11 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)) gleich . (Dies passt, da und das Gradientenfeld die Standardorientierung repräsentieren und die Tangentialrichtung für die Bewegung mit dem Uhrzeigersinn ist.)


Aufgabe (3 Punkte)

Es sei ein Hausdorff-Raum. Zeige, dass die Diagonale

eine abgeschlossene Teilmenge im Produktraum ist.


Lösung

Wir müssen zeigen, dass das Komplement

offen ist. Es sei also ein Paar mit . Aufgrund der vorausgesetzten Hausdorff-Eigenschaft gibt es disjunkte offene Mengen mit und . Es ist und nach Definition der Produkttopologie ist eine offene Menge in . Wegen der Disjunktheit folgt aus sofort . Also ist

und ist die Vereinigung von solchen offenen Produktmengen, also selbst offen.


Aufgabe (3 Punkte)

Zeige, dass die drei eindimensionalen Mannigfaltigkeiten

paarweise nicht homöomorph sind.


Lösung

Als abgeschlossene beschränkte Teilmenge des ist der Einheitskreis kompakt (Satz von Heine-Borel). Die reelle Gerade und sind hingegen nicht kompakt, da sie unbeschränkte Teilmengen von sind. Also ist .

Die reelle Gerade ist zusammenhängend, wie aus dem Zwischenwertsatz folgt. Dagegen ist nicht zusammenhängend, da man

schreiben kann, so dass man eine sowohl offene als auch abgeschlossene nichtleere Teilmenge erhält. Also ist .


Aufgabe (5 Punkte)

Es sei offen und sei eine - dimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit, die orientiert und mit der induzierten riemannschen Struktur und der kanonischen Volumenform versehen sei. Es sei offen und es sei

ein Diffeomorphismus mit der offenen Menge . Zeige, dass auf die Formel

gilt.


Lösung

Die zweite Gleichung ergibt sich einfach durch Auswertung des Standardskalarproduktes auf dem . Nach Definition der metrischen Fundamentalmatrix ist für

da ja der Tangentialraum das induzierte Skalarprodukt des trägt, da die Tangentialabbildung im lokalen Fall das totale Differential ist und da man dessen Einträge mit den partiellen Ableitungen ausdrücken kann. Daher ergibt sich die Behauptung aus Lemma 16.7 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)).


Aufgabe weiter

Wir betrachten den als Menge aller (auch entarteter) Dreiecke, indem wir ein Dreieck mit den (geordneten) Eckpunkten , und , mit dem Koordinatentupel

identifizieren.

  1. Zeige, dass die Menge der Dreiecke, bei denen zwei Eckpunkte zusammenfallen, eine abgeschlossene Teilmenge des ist (das Komplement davon ist somit eine offene Menge in , die wir nennen).
  2. Zeige, dass die Menge der Dreiecke, bei denen alle drei Eckpunkte auf einer Geraden liegen, eine abgeschlossene Teilmenge des ist (das Komplement davon, das aus allen nichtentarteten Dreiecken besteht, ist somit eine offene Menge in , die wir nennen).
  3. Erstelle eine Funktionsvorschrift, die die Abbildung

    beschreibt, die einem Dreieck seinen Umfang zuordnet.

  4. Zeige, dass die Funktion aus Teil (3) auf der Menge stetig differenzierbar ist.
  5. Berechne die partielle Ableitung von nach auf .
  6. Zeige, dass die Menge der nichtentarteten Dreiecke mit Umfang eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von bildet. Was ist die Dimension?


Lösung

  1. Die Eckpunkte und stimmen genau dann überein, wenn ihre beiden Koordinaten übereinstimmen, wenn also und ist. Eine solche Bedingung definiert eine abgeschlossene Teilmenge, da es sich um die Faser einer (stetigen) linearen Abbildung handelt. Da eine endliche Vereinigung von abgeschlossenen Teilmengen wieder abgeschlossen ist, ist die in Frage stehende Menge abgeschlossen.
  2. Wir betrachten die Verbindungsvektoren

    Die drei Punkte sind genau dann kollinear, wenn diese zwei Vektoren linear abhängig sind, und dies ist genau dann der Fall, wenn ihre Determinante ist. Die Kollinearitätssbedingung lautet somit

    Da eine polynomiale Abbildung und damit stetig ist, ist die Faser zu eine abgeschlossene Teilmenge.

  3. Da der Umfang einfach die Summe der drei beteiligten Dreiecksseiten ist, gilt
  4. Für einen Punkt aus ist jeder Radikand als polynomiale Funktion stetig differenzierbar und echt positiv, somit sind auch die Quadratwurzeln daraus stetig differenzierbar.
  5. Die partielle Ableitung ist
  6. Auf sind die Radikanden positiv, somit verschwindet die partielle Ableitung nach nur, falls ist. Ein Dreieck mit dieser Bedingung ist aber kollinear. Das bedeutet, dass auf die partielle Ableitung nach nie wird und das bedeutet insbesondere, dass der Gradient auf nirgends verschwindet, also regulär ist. Nach Satz 8.2 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)) ist die Faser eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit, und zwar der Dimension


Aufgabe (4 Punkte)

Es seien und positive reelle Zahlen mit , wir betrachten den (eingebetteten) Torus

mit der induzierten riemannschen Struktur. Zeige, dass zu jedem die Abbildung

eine Isometrie von in sich induziert.


Lösung

Die Abbildung ist auf

das Produkt einer ebenen Drehung mit der Identität. Daher liegt eine euklidische Isometrie des vor. Es sei und

Dann ist

also . Es ist also

ein Diffeomorphismus und eine Isometrie, da die induzierte riemannsche Struktur trägt.


Aufgabe (3 Punkte)

Beschreibe ein Modell für die hyperbolische Fläche.


Lösung Hyperbolische Fläche/Modell/Aufgabe/Lösung


Aufgabe (7 Punkte)

Beweise das Theorema egregium.


Lösung

Wir differenzieren die erste Bestimmungsgleichung für die Christoffelsymbole, also

in Richtung der zweiten Variablen und die zweite Bestimmungsgleichung, also

in Richtung der ersten Variablen und erhalten nach Schwarz

Die Differenz dieser Ausdrücke ist , und wir bestimmen, was sich dabei auf den Basisvektor bezieht. Dazu müssen wir die Bestimmungsgleichungen für die Christoffelsymbole und Lemma 19.3 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023))  (3) heranziehen und erhalten

Mit

können wir die beiden hinteren Summanden ersetzen und erhalten mit Lemma 19.3 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023))  (4)


Aufgabe (6 (1+2+2+1) Punkte)

Wir betrachten die Differentialform

auf dem und die Abbildung

  1. Berechne die äußere Ableitung von .
  2. Berechne den Rückzug von unter .
  3. Berechne die äußere Ableitung von auf .
  4. Berechne den Rückzug von unter unabhängig von (3).


Lösung

  1. Es ist
  2. Es ist
  3. Es ist
  4. Der Rückzug ist


Aufgabe (3 Punkte)

Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und eine exakte Differentialform auf . Es sei eine kompakte orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit (ohne Rand) mit abzählbarer Basis der Topologie und es sei

eine stetig differenzierbare Abbildung. Zeige


Lösung

Da nach Satz 20.4 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023))  (5) das Zurückziehen von Formen mit der äußeren Ableitung verträglich ist, ist auch exakt. Es sei eine differenzierbare Form auf mit

Nach dem Satz von Stokes ist


Aufgabe (6 Punkte)

Beweise den Satz über die Retraktionen auf den Rand auf Mannigfaltigkeiten.


Lösung

Der Rand ist nach Satz 21.8 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)) eine orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit (ohne Rand). Daher gibt es nach Satz 22.11 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)) eine stetig differenzierbare positive Volumenform auf . Es ist . Die äußere Ableitung der Volumenform ist . Nehmen wir an, dass es eine stetig differenzierbare Abbildung

mit gebe. Dann ist die zurückgezogene Form eine - Differentialform auf , deren Einschränkung auf den Rand mit übereinstimmt. Daher gilt unter Verwendung von Satz 23.2 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)) und Satz 20.4 (Differentialgeometrie (Osnabrück 2023))  (5)

Dies ist ein Widerspruch.