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Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2022-2023)/Teil II/Vorlesung F/Referenzsuche

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Eine Münze wird zweimal unabhängig voneinander hintereinander geworfen, und wir interessieren uns für die Wahrscheinlichkeit, wie oft dabei Zahl fällt. Die Möglichkeiten sind Diese sind aber nicht gleichwahrscheinlich, sondern die ist deutlich wahrscheinlicher als die und die Wenn man das Ereignis mit der möglichen Wertemenge beschreibt, so liegt kein Laplace-Raum vor. Es ist besser, die Gesamtsituation durch den Produktraum zu beschreiben, wobei die Paare daraus die möglichen Ausgänge des Gesamtexperimentes bezeichnen, bei dem das Ergebnis beim ersten Wurf an erster und das Ergebnis beim zweiten Wurf an zweiter Stelle notiert wird. Die möglichen Ergebnisse sind somit

Diese Elementarereignisse sind gleichwahrscheinlich, d.h. mit diesem Produktraum wird das Gesamtexperiment durch einen Laplace-Raum beschrieben, bei dem jedes Elementarereignis die Wahrscheinlichkeit besitzt. Die ursprüngliche Frage nach der Wahrscheinlichkeit, wie oft insgesamt Zahl geworfen wird, wird mit Hilfe dieses Produktraumes dadurch beantwortet, dass man zählt, wie viele der Elementarereignisse zur Summenanzahl führen. Somit besitzt keinmal Zahl die Wahrscheinlichkeit einmal Zahl die Wahrscheinlichkeit und zweimal Zahl die Wahrscheinlichkeit


Die mehrfache Hintereinanderausführung eines Experimentes wird durch die Produktmenge, die Produktdichte und das Produktmaß mathematisch realisiert.


Es seien endliche Wahrscheinlichkeitsräume mit zugehörigen Dichten Dann nennt man die Produktmenge

zusammen mit der durch

gegebenen Wahrscheinlichkeitsdichte den Produktraum der Wahrscheinlichkeitsräume.

Häufig nimmt man in jeder Komponente den gleichen Wahrscheinlichkeitsraum etwa, wenn man die fache Hintereinanderausführung eines Experimentes untersuchen möchte. Für den Produktraum schreibt man dann kurz


Es soll zehnmal mit einer Münze hintereinander geworfen werden. Mit dem Grundraum

wird dies dann mit dem Produktraum

beschrieben, die Elemente im Produktraum dokumentieren einen möglichen Ausgang des Gesamtexperimentes, es handelt sich um sämtliche Kombinationen der Länge aus

Elemente sind

Diese haben alle die Wahrscheinlichkeit




Es seien endliche Wahrscheinlichkeitsräume und

der Produktraum. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Der Produktraum ist in der Tat ein Wahrscheinlichkeitsraum.
  2. Für Teilmengen ist

Es seien die zugehörigen Wahrscheinlichkeitsdichten.

  1. Unter Verwendung des allgemeinen Distributivgesetzes in der Form von Aufgabe 11.11 gilt
  2. Es ist entsprechend


Zu Laplace-Räumen

mit

ist der Produktraum

ebenfalls ein Laplace-Raum mit  Elementen. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Definition des Produktraumes und aus

Satz 9.6.



Es sei

und

Die endliche Wahrscheinlichkeitsdichte auf

mit

heißt Binomialverteilung zur Stichprobenlänge und zur Erfolgswahrscheinlichkeit



Wir müssen lediglich nachweisen, dass

ist. Nach dem binomischen Lehrsatz ist

was die Behauptung bestätigt.



Es sei

mit der Bernoulli-Verteilung zur Wahrscheinlichkeit versehen und es sei

Es sei

das fache Produkt von mit sich selbst.

Dann besitzt zu

das Ereignis

die Wahrscheinlichkeit

Da jedes nur den Wert

haben kann, gilt

genau dann, wenn in

genau fach eine (und -fach eine steht). Diese Tupel entsprechen den elementigen Teilmengen von davon gibt es nach Satz 13.5

Stück. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches einzelnes Tupel von diesem Typ ist nach der Definition der Produktwahrscheinlichkeit gleich  Somit ist die Gesamtwahrscheinlichkeit von  gleich



Es sei ein Experiment gegeben, das nur die Werte und annehmen kann und bei dem der Wert die Wahrscheinlichkeit besitzt.

Dann ist die Verteilung auf die die Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass bei der fachen (unabhängigen) Hintereinaderausführung des Experimentes fach das Ereignis eintritt, durch die Binomialverteilung zur Stichprobenlänge und zur Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben.

Das Experiment wird durch die Bernoulli-Verteilung auf

mit der Erfolgswahrscheinlichkeit beschrieben. Die fache Hintereinanderausführung wird somit durch den Produktraum

beschrieben. Das Ereignis

das beschreibt, dass genau fach eintritt, besitzt nach Lemma 56.8 die Wahrscheinlichkeit



Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem fachen Münzwurf genau fach Kopf fällt,

beträgt

Dies folgt unmittelbar aus Satz 56.9, da bei

die Gleichheit

gilt.


In der Wahrscheinlichkeitstheorie interessiert man sich häufig für asymptotische Aussagen. Dass bei einem einzelnen Münzwurf Kopf und Zahl gleichwahrscheinlich ist, ist eine plausible Definition, aber selbst noch nicht sehr aussagestark. Eine gehaltvolle Aussage wird erst dann daraus, wenn man zeigen kann, dass bei einer häufigen Wiederholung des Experimentes die relative Häufigkeit, wie oft Kopf fällt, sich in der Nähe von befindet, wenn die Anzahl der Wiederholungen bezeichnet. In diesem Kontext ist es zunächst wichtig, sich klar zu machen, was eine sinnvolle Formulierung sein könnte und wie hier zu verstehen ist. Insbesondere muss man sich klar machen, was zu viel erwartet wäre. Beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem fachen Münzwurf (mit gerade) genau oft Kopf fällt, gleich nach Korollar 56.10. Dies ist wahrscheinlicher als jedes andere Ergebnis für die Anzahl der Kopfwürfe. Wenn aber gegen unendlich strebt, so wird diese Wahrscheinlichkeit beliebig klein, sie konvergiert gegen Auch wenn man einen gewissen Abstand zu der Mitte fixiert, wie wenn man sagt, dass die Anzahl der Kopfwürfe zwischen

liegen soll, so geht die Wahrscheinlichkeit dafür gegen für gegen unendlich. Dies klingt einleuchtend, wenn man ein sehr großes betrachtet. Dass bei einer Million an Münzwürfen die Kopfanzahl im (relativ gesehen kleinen) Intervall liegen soll, ist doch nicht zu erwarten. Anders sieht es aus, wenn man anteilig bzw. prozentual versteht. Wenn man sich Intervalle der Form

anschaut, so sind dies für einige Zehnerpotenzen die Intervalle und unser stochastisches Gefühl sagt uns, dass die Wahrscheinlichkeiten zunehmend größer werden, dass die Anzahlen der Kopfwürfe in diesen Intervallen liegen. Diese Beobachtung wird durch das präzisiert. Es gibt eine ganze Reihe von Aussagen unter diesem Namen, wir beschränken uns auf den Fall eines Münzwurfes. Das folgende Lemma beinhaltet die entscheidenden Abschätzungen, um das Gesetz der großen Zahlen für den Münzwurf zu beweisen. Zur Orientierung: Im zuletzt erwähnten Beispiel muss man

nehmen, es ist

und

Der Beweis liefert eine Abschätzung nach oben dafür, dass bei einem millionenfachen Münzwurf höchstens mal Zahl geworfen wird.


Es sei


fixiert und

gerade. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Es ist für
  2. Es ist
  3. Es ist
  4. Für konvergiert der Ausdruck gegen
  1. Siehe Aufgabe 56.18.
  2. Nach Aufgabe 13.19 ist Somit besteht zwischen der Zusammenhang
    Dies bedeutet umgekehrt Die Faktoren sind alle von der Form mit Sie sind alle und für das maximale also für am größten. Da es viele Faktoren gibt, kann man das Produkt unter Verwendung von Lemma 25.18  (1), Satz 53.5  (6) und Satz 53.5  (8) durch
    nach oben abschätzen. Also ist
  3. Dies folgt aus (2), da die Binomialkoeffizienten in diesem Bereich wachsend sind und da es Summanden gibt.
  4. Nach (1) konvergiert gegen Nach (3) genügt es daher, zu zeigen, dass gegen konvergiert. Dieser Ausdruck ist aber (beschränkt durch) von der Form mit also nach Satz 27.12 konvergent gegen




Zu jedem

konvergiert die Folge

gegen

Das bedeutet, dass die relative Häufigkeit bei einem fach wiederholten Bernoulli-Experiment zur Wahrscheinlichkeit bei hinreichend groß mit beliebig hoher Wahrscheinlichkeit im Intervall liegt.

Wir schreiben

Somit ergibt sich die Aussage direkt aus Lemma 56.11  (4).



Bei einem mehrfachen Münzwurf hat das Ergebnis beim ten Wurf nichts mit dem Ergebnis beim ten Wurf () zu tun. Die Kenntnis des Ergebnisses beim ten Wurf erlaubt keine Rückschlüsse auf die anderen Würfe. Wenn man hingegen weiß, dass bei Münzwürfen mal Kopf geworfen wurde, und man schätzen soll, was beim Wurf geworfen wurde, so wird man wohl eher auf Kopf als auf Zahl tippen. Solche Phänomen werden in der Wahrscheinlichkeitstheorie durch die stochastische Unabhängigkeit bzw. Abhängigkeit erfasst.


Zwei Ereignisse

in einem endlichen Wahrscheinlichkeitsraum

heißen

unabhängig wenn

ist.

Man spricht auch von Wenn die Ereignisse nicht unabhängig sind, werden sie abhängig genannt.



Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum.

  1. Jedes Ereignis ist zu und zu unabhängig.
  2. Wenn die Ereignisse unabhängig sind, so sind auch unabhängig.
  3. Wenn ein Ereignis zu sich selbst unabhängig ist, so ist
  1. Für die leere Menge gilt und für die Gesamtmenge ist
  2. Seien unabhängig. Dann ist nach Lemma 55.8  (3)
    was die behauptete Unabhängigkeit bedeutet.
  3. Die Unabhängigkeit von mit sich selbst bedeutet diese Gleichung erfüllen nur die Zahlen



Wir betrachten einen Würfelwurf mit dem Laplace-Raum

und dabei die Ereignisse


und

Die Ereignisse

sind unabhängig, da

und somit

Ebenso sind

unabhängig (dies folgt auch aus Lemma 57.2  (2)). Dagegen sind

nicht unabhängig, da

ist, aber beide Ereignisse eine positive Wahrscheinlichkeit haben.




In einem Papageienhaus sind die beiden Geschlechter gleichmäßig verteilt und ebenso sind die Farben rot, gelb und grün gleichmäßig und unabhängig vom Geschlecht verteilt. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter Papagei ein rotes Weibchen ist, gleich



Wir betrachten die Ziehung der Lottozahlen. Sind die Ereignisse, dass zwei bestimmte Zahlen gezogen werden, unabhängig voneinander? Dazu müssen wir die relevanten Wahrscheinlichkeiten berechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Zahl, sagen wir die gezogen wird, ist, wie in Beispiel 55.12 berechnet, gleich Diese Wahrscheinlichkeit ist für jede Zahl gleich. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Zahlen gezogen werden, sagen wir die

ist, ebenfalls wie in Beispiel 55.12 berechnet, gleich

Die Produktwahrscheinlichkeit der beiden einzelnen Ereignisse ist hingegen

Die Ereignisse sind also nicht unabhängig.



Es sei ein Laplace-Raum

gegeben, dessen Anzahl eine

Primzahl

ist. Dann sind zwei Ereignisse

nur dann unabhängig, wenn eines von ihnen leer oder gleich ist. Die Unabhängigkeitsbedingung bedeutet ja für einen Laplaceraum

Dies bedeutet

Somit teilt die Primzahl das Produkt Nach dem Lemma von Euklid kann das nur sein, wenn einen der Faktoren teilt. Dann muss aber die Anzahl eines Faktors, sagen wir von gleich

sein, was

oder

bedeutet.


Zu einer Produktmenge und zu

heißt die Abbildung

die te Zu einer Teilmenge

nennen wir das Urbild

auch den über



Es seien endliche Wahrscheinlichkeitsräume und

der Produktraum.

Dann sind zu Ereignissen

und

mit

die Zylindermengen

unabhängig.

Es ist (sagen wir )

somit folgt die Aussage aus Lemma 56.4  (2).


Diese Aussage bedeutet beispielsweise, dass bei der Hintereinanderausführung von Münzwürfen der te Münzwurf vom ten Münzwurf () unabhängig ist. Dies ist natürlich intuitiv klar, die vorstehende Aussage ist eine Bestätigung dafür, dass die Modellierung eines wiederholten Experimentes durch einen Produktraum und das oben formulierte Konzept der Unabhängigkeit sinnvoll sind.


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum

gegeben. Die Ereignisse

heißen paarweise unabhängig wenn

für alle

ist.

Das bedeutet einfach, dass je zwei Mengen der unabhängig sind.


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum

gegeben. Die Ereignisse

heißen vollständig unabhängig wenn für jedes , und jede elementige Teilmenge

die Gleichheit

gilt.

Da insbesondere für zweielementige Teilmengen diese Gleichung gelten muss, impliziert die vollständige Unabhängigkeit die paarweise Unabhängigkeit. Wenn die Form

hat, so bedeutet die Unabhängigkeit einfach

Das folgende Beispiel zeigt, dass die vollständige Unabhängigkeit echt stärker als die paarweise Unabhängigkeit ist.


Wir betrachten einen dreifachen Münzwurf, also den Wahrscheinlichkeitsraum mit

Das Ereignis, dass bei den ersten beiden Würfen das gleiche Ergebnis herauskommt (also beide Mal Kopf oder beidemal Zahl), sei mit bezeichnet, das Ereignis, dass beim ersten und beim dritten Wurf das gleiche Ergebnis herauskommt, sei mit bezeichnet, und das Ereignis, dass beim zweiten und beim dritten Wurf das gleiche Ergebnis herauskommt, sei mit bezeichnet. Wir behaupten, dass diese Ereignisse paarweise unabhängig sind, aber nicht vollständig unabhängig. Zu gehören genau die Elementarereignisse der Form und das sind vier Stück. Somit ist die Wahrscheinlichkeit der Einzelereignisse stets Das Ereignis

tritt genau dann ein, wenn alle drei Münzwürfe das gleiche Ergebnis haben, also nur bei

Die Wahrscheinlichkeit davon ist also

Entsprechendes gilt für die Paare

und

Wenn man dagegen alle drei Ereignisse miteinander schneidet, so ist

Die Wahrscheinlichkeit davon ist nach wie vor aber das Produkt der drei Einzelwahrscheinlichkeiten ist



Es werde eine Münze mal hintereinander geworfen. Wir interessieren uns für die Ereignisse dass sich das Ergebnis vom ten zum ten Wurf ändert (). Sind diese Ereignisse vollständig unabhängig? Das ist nicht so unmittelbar klar, da ja und beide auf den ten Wurf Bezug nehmen. Trotzdem sind diese Ereignisse vollständig unabhängig. Es sei dazu

fixiert. Ein Wechsel an der ten Stelle (verglichen zum Vorgängerwurf) hat die Wahrscheinlichkeit Wenn gelten soll, so ist der te Würfelwurf durch das Ergebnis des ten Würfelwurfs festgelegt. Wenn das Ereignis gelten soll, so gibt es keinerlei Bedingung an den Stellen mit

für alle während dadurch an den Stellen alles fixiert ist. Somit gibt es günstige Kombinationen für dieses Durchschnittsereignis. Seine Wahrscheinlichkeit ist somit

was mit dem Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten übereinstimmt.




Es seien endliche Wahrscheinlichkeitsräume und

der Produktraum. Es seien Ereignisse


gegeben und es seien die zugehörigen Zylindermengen im Produktraum, also

Dann sind die Ereignisse vollständig unabhängig.

Es sei

Dann ist

wobei

ist, falls

ist, und andernfalls

Nach Lemma 56.4  (2) ist

was die vollständige Unabhängigkeit bedeutet.



Es kommt manchmal vor, dass man bei der Berechnung oder Abschätzung für eine Wahrscheinlichkeit zusätzliche Informationen zur Verfügung hat. Dadurch ändert sich die Grundmenge, da Ereignisse, die der Information nicht entsprechen, nicht weiter betrachtet werden müssen. Wenn beispielsweise jemand einen Würfel wirft und man wissen möchte, ob das Ergebnis gerade oder ungerade ist, so sind beide Möglichkeiten gleichwahrscheinlich. Wenn man aber zusätzlich die Information hat, dass die geworfene Augenzahl mindestens ist, so verbleiben die Möglichkeiten die man untereinander als gleichwahrscheinlich ansehen kann, und die Wahrscheinlichkeit, dass eine gerade Augenzahl geworfen wird, ist - unter dieser Information bzw. Bedingung - gleich Diese Beobachtung führt zum Begriff der bedingten Wahrscheinlichkeit.


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum und

eine Teilmenge mit positiver Wahrscheinlichkeit. Dann nennt man zu jedem Ereignis

die Zahl

die bedingte Wahrscheinlichkeit von unter der Bedingung

Die Bedingungsmenge muss positive Wahrscheinlichkeit besitzen, da man sonst dadurch nicht dividieren könnte. Eine direkte Umstellung liefert

Wenn man von bedingten Wahrscheinlichkeiten spricht, so nennt man die unbedingte Wahrscheinlichkeit von auch die Bei der Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeit liegt die Hauptschwierigkeit oft darin, das Durchschnittsereignis zu analysieren und seine Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wenn

ist, so ist natürlich

und somit ist in diesem Fall

doch ist dies eher eine Ausnahme. Für ein Elementarereignis

gibt es für die bedingte Wahrscheinlichkeit nur zwei Möglichkeiten: Bei

ist

und bei

ist



Wir betrachten die Wahrscheinlichkeit, dass beim Zahlenlotto eine bestimmte Zahl, sagen wir die unter der Bedingung gezogen wird, dass auch eine bestimmte andere Zahl, sagen wir die gezogen wird. Die bedingte Wahrscheinlichkeit ist

wobei die Wahrscheinlichkeitsberechnungen in Beispiel 55.12 durchgeführt wurden. Dies ist kleiner als

Wenn man also weiß, dass eine bestimmte Zahl gezogen wird, so reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, dass zugleich eine bestimmte andere Zahl gezogen wird.



Die drei Freunde Fritz, Fredo und Fitzgeraldo spielen Skat. Spieler Fredo hat von den bereits an ihn verteilten zehn Karten die ersten drei aufgenommen und alles sind Buben. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch noch den vierten Buben bekommt? Die einzige Information, die er hat, ist, dass unter den unbekannten

Karten noch ein Bube ist. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch den vierten Buben bekommt, gleich Dies kann man auch als eine bedingte Wahrscheinlichkeit berechnen. Es sei das Ereignis, dass die ersten drei aufgedeckten Karten alle Buben sind, und das Ereignis, dass Fredo alle Buben bekommt. Die Wahrscheinlichkeit von ist nach Beispiel 55.14 gleich Die Wahrscheinlichkeit für ist

Die Wahrscheinlichkeit für kann man auf unterschiedliche Arten ausrechnen, nämlich als (Wahrscheinlichkeit, dass die ersten drei Karten nur Buben sind, mal Wahrscheinlichkeit, dass dann noch der vierte Bube kommt)

oder als (Wahrscheinlichkeit, dass alle vier Buben bei einem Spieler landen, mal die Wahrscheinlichkeit, dass dabei drei bestimmte Karten Buben sind)

Die bedingte Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls



Es wurde zehnmal eine faire Münze geworfen und es sei bekannt, dass mindestens fünfmal dabei Kopf fiel. Wie hoch ist die (bedingte) Wahrscheinlichkeit, dass der erste Wurf Kopf war? Wir müssen die Wahrscheinlichkeiten für die Ereignisse (mindestens fünfmal Kopf) und (der erste Wurf ist Kopf) berechnen. Unter den möglichen Wurfkombinationen gibt es

Kombinationen, in denen zumindest fünf Kopfwürfe auftreten. Unter diesen müssen wir die Anzahl der Kombinationen zählen, in denen der erste Wurf Kopf ist. Es geht also um die Anzahl von Diese Menge kann man so charakterisieren, dass der erste Wurf Kopf ist und dass es unter den neun weiteren Würfen zumindest vier Kopfwürfe gibt. Die Anzahl dieser Menge ist somit

Somit ist



Von einem Elternpaar ist bekannt, dass sie zwei Kinder haben, und dass eines davon ein Mädchen ist. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch das andere Kind ein Mädchen ist? Zunächst muss man sich die Bedeutung der Information klar machen, um Missverständnisse zu vermeiden. Man weiß nicht, ob das erste oder das zweite (im Sinne der Geburtsreihenfolge) Kind ein Mädchen ist. Wenn man beispielsweise weiß, dass das erste Kind ein Mädchen ist, so hat dies keine Auswirkungen auf das zweite Kind, und die Wahrscheinlichkeit, für dieses zweite Kind ein Mädchen zu sein, ist einfach Hier weiß man aber nur, dass überhaupt eines der beiden Kinder ein Mädchen ist. Um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, muss man auf die möglichen gleichberechtigen Konfigurationen bei zwei Kindern zurückgehen und schauen, welche durch die Information ausgeschlossen werden. Die vier gleichwahrscheinlichen Geburtsreihenfolgen sind

Durch die angegebene Bedingung ist die letzte Möglichkeit, zwei Jungen, ausgeschlossen, und es verbleiben die drei anderen gleichberechtigten Möglichkeiten. Unter diesen ist nur die erste Möglichkeit für die Frage positiv, die beiden anderen nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist also




Beim Ziegenproblem geht es um die folgende Anordnung. Bei einer Fernsehshow kann ein Kandidat aus drei Türen wählen, wobei hinter einer Tür ein Auto als Preis wartet und hinter zwei Türen jeweils eine Ziege als Niete. Der Kandidat wählt zunächst eine Tür. Diese wird aber nicht geöffnet, stattdessen öffnet der Moderator, der weiß, wo der Gewinn sich verbirgt, eine der beiden anderen Türen, hinter denen eine Ziege steckt. Wenn der Kandidat auf eine Ziegentür gezeigt hat, so hat der Moderator keine Wahl, wenn der Kandidat auf die Autotür gezeigt hat, so wählt der Moderator zufällig eine der Ziegentüren. Danach darf der Kandidat bei seiner ersten Wahl bleiben oder aber sich auf die verbleibende Tür umentscheiden. Die Frage ist, ob der Kandidat seine Gewinnchancen erhöht, wenn er sich umentscheidet. Die Antwort ist ja! Die Wahrscheinlichkeit, dass er mit seiner ursprünglichen Wahl gewinnt, ist Die Wahrscheinlichkeit, dass er mit der Umentscheidungsstrategie gewinnt bzw. verliert, berechnet sich folgendermaßen. Man analysiert die Situation entlang der komplementären Ereignisse, dass er bei der ersten Wahl falsch oder richtig liegt. Wenn er richtig liegt, und das hat Wahrscheinlichkeit so verliert er definitiv mit der Umentscheidung. Wenn er aber falsch liegt, und das hat Wahrscheinlichkeit so gewinnt er definitiv mit der Umentscheidung. Die Gewinnwahrscheinlichkeit ist also




Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum und

eine Teilmenge mit positiver Wahrscheinlichkeit und es sei

ein Ereignis.

Dann sind und genau dann unabhängig, wenn

ist, wenn also die Wahrscheinlichkeit von mit der bedingten Wahrscheinlichkeit von unter der Bedingung übereinstimmt.

Nach Definition ist

Die Bedingung, dass dies mit übereinstimmt, ist äquivalent dazu, dass

ist, was die Unabhängigkeit bedeutet.


Im unabhängigen Fall hat also das Eintreten von keine Auswirkung auf die Wahrscheinlichkeit von Bei

sagt man auch, dass einen positiven Einfluss (im Sinne von erhöht die Wahrscheinlichkeit) auf das Ereignis besitzt, bei

sagt man, dass einen negativen Einfluss auf das Ereignis besitzt.



Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum und

eine Teilmenge mit positiver Wahrscheinlichkeit.

Dann ist die bedingte Wahrscheinlichkeit

ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf

Wir müssen zeigen, dass die bedingte Wahrscheinlichkeit additiv ist und die bedingte Gesamtwahrscheinlichkeit gleich ist. Für disjunkte Ereignisse

ist

und es ist


Sämtliche Ereignisse die mit dem Bedingungsereignis einen leeren Durchschnitt haben, besitzen unter der beschriebenen bedingten Wahrscheinlichkeit den Wert und sämtliche Ereignisse, die umfassen, insbesondere selbst, haben die bedingte Wahrscheinlichkeit


Es sei ein Laplace-Raum

mit  Elementen und eine Teilmenge

mit , Elementen gegeben. Dann ist die bedingte Wahrscheinlichkeit gleich

gegeben. Dies ist mit der einzigen Ausnahme

kein Laplace-Raum.


Die folgende Formel heißt


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum und

eine Zerlegung in disjunkte Teilmengen, die alle positive Wahrscheinlichkeiten haben mögen.

Dann ist für jedes Ereignis

Es ist


Ein Spezialfall liegt vor, wenn eine Teilmenge ist und man die Zerlegung (Bedingung und komplementäre Bedingung)

betrachtet, wobei beide Teilmengen positive Wahrscheinlichkeit haben mögen. Dann ist


Die folgende Aussage heißt Sie berechnet eine bedingte Wahrscheinlichkeit unter der Voraussetzung, dass umgekehrt die bedingten Wahrscheinlichkeiten von unter gewissen weiteren Bedingungen bekannt sind.


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum und

eine Zerlegung in disjunkte Teilmengen, die alle positive Wahrscheinlichkeiten haben mögen.

Dann ist für jedes Ereignis mit positiver Wahrscheinlichkeit

Nach Lemma 58.10 angewendet auf ist


Ein wichtiger Spezialfall der Bayesschen Formel liegt bei der Zerlegung

vor, wobei und das Komplement positive Wahrscheinlichkeit haben mögen. Dann gilt

Eine typische Anwendung wird in der folgenden Situation beschrieben.


In der Bevölkerung ist ein Virus im Umlauf, und es gibt einen Test für den Virus, der allerdings nicht absolut sicher ist. Wenn jemand den Virus hat, so erkennt der Test dies zu Wenn jemand den Virus nicht hat, so erkennt der Test dies zu Die Wahrscheinlichkeit, den Virus zu haben, beträgt Eine Person geht zum Arzt und lässt sich testen, das Ergebnis des Tests ist positiv, der Virus ist laut Test vorhanden. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die getestete Person wirklich den Virus besitzt? Es sei das Ereignis, den Virus zu haben, und das Ereignis, dass der Test den Virus diagnostiziert. Gefragt ist also nach der bedingten Wahrscheinlichkeit von unter der Bedingung also wobei die Wahrscheinlichkeiten (bedeutet hier die Negation des Ereignisses)

bekannt sind. Die Formel von Bayes liefert in diesem Fall

Obwohl sich die Zuverlässigkeit des Tests recht gut anhört, haben doch nur der positiv getesteten Personen wirklich den Virus.