Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 31/kontrolle
- Konsequenzen für meromorphe Funktionen
Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche.
Dann ist
Die erste Kohomologie der Strukturgarbe entspricht also den globalen Hauptteilverteilungen modulo den Hauptteilverteilungen zu meromorphen Funktionen.
Nach Lemma 18.12 haben wir die kurze exakte Garbensequenz
Die zugehörige lange exakte Kohomologiesequenz enthält
Es genügt daher zu zeigen, dass die Abbildung
surjektiv ist. Nach Aufgabe 30.13 ist für hinreichend viele Punkte die kurze exakte Sequenz
derart, dass
surjektiv ist. Wegen
hat man einen Garbenhomomorphismus
und der verbindende Homomorphismus faktorisiert dadurch.
Eine wichtige Ergänzung zum
Residuensatz
ist die folgende Aussage.
Es sei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche und es sei eine Hauptteilverteilung von meromorphen Differentialformen.
Dann ist genau dann die Hauptteilverteilung zu einer meromorphen Differentialform auf , wenn das Gesamtresiduum gleich ist.
Die Hinrichtung wurde in Satz 17.13 gezeigt, da eine die Hauptteilverteilung realisierende meromorphe Funktion außerhalb des Trägers holomorph ist. Aufgrund von Lemma 18.15 und Korollar 31.2, angewendet auf , haben wir eine exakte Sequenz
Die Verteilung kommt genau dann von links, wenn sie unter dem verbindenden Homomorphismus nach abbildet, was wegen der Residueneigenschaft der Fall ist.
- Eine topologische Konsequenz
Auf einer kompakten zusammenhängenden riemannschen Fläche vom Geschlecht
besitzt , wobei hier die Garbe der lokal konstanten Funktionen mit Werten in bezeichnet, die Dimension .
Aus der kurzen exakten Garbensequenz (siehe Lemma 15.8)
erhält man die lange exakte Kohomologiesequenz
von - Vektorräumen. Wegen des Zusammenhangs sind die beiden ersten Terme gleich . Hinten haben wir gemäß Bemerkung 25.8 verwendet. Ferner weiß man aus der Topologie . Wegen Korollar 30.6 ist eindimensional, es liegt also hinten auch ein Isomorphismus vor. Dies zusammen bedeutet, dass eine kurze exakte Sequenz
vorliegt. Die Räume links und rechts haben nach Korollar 30.9 die Dimension , also besitzt der Raum in der Mitte die Dimension .
- Die Formel von Riemann-Hurwitz
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung zwischen den zusammenhängenden riemannschen Fläche und . Man nennt den Divisor , der für jeden Punkt die Ordnung
zugewiesen bekommt, den Verzweigungsdivisor von .
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung zwischen den zusammenhängenden riemannschen Fläche und mit dem Verzweigungsdivisor . Dann gelten folgende Aussagen
- Der Verzweigungsdivisor ist in der Tat ein Divisor.
- Es ist genau in den Punkten des Trägers von verzweigt.
- Wenn lokal auf offenen Kreisscheiben bzw. durch eine holomorphe Funktion beschrieben wird, so ist für die Ordnung gleich der Nullstellenordnung von in .
Beweis
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung zwischen den kompakten zusammenhängenden riemannschen Flächen und . Dann gelten folgende Aussagen.
- Es liegt die Untergarbenbeziehung
vor.
- Die
Restklassengarbe
besitzt endlichen Träger, und es gilt
mit
- Zwischen den
kanonischen Divisoren
besteht die Beziehung
- Der Rückzug von Differentialformen liefert einen Garbenhomomorphismus
Lokal liegt auf offenen Kreisscheiben eine Abbildung
vor. Die Differentialform wird nach zurückgezogen. Da nicht konstant ist, ist nicht die Nullfunktion. Es liegt somit lokal ein kommutatives Diagramm
vor, wobei die vertikalen Abbildungen Isomorphien sind. Da die obige Abbildung als Garbenhomomorphismus injektiv ist, gilt dies auch für die untere.
- Es liegt insgesamt die Situation einer invertierbaren Garbe als Untergarbe einer invertierbaren Garbe vor, damit besitzt auf der kompakten riemannschen Fläche die Restklassengarbe automatisch endlichen Träger, siehe
Lemma 28.1.
In der Situation von Teil (1) wird die Restklassengarbe lokal als beschrieben bzw. halmweise durch
Dieser Restklassenring ist ein endlichdimensionaler - Vektorraum der Dimension . Dies ist nach Lemma 31.6 die Verzweigungsordnung von in weniger .
- Dies folgt aus (2).
Die folgende Aussage heißt Riemann-Hurwitz-Formel.
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung zwischen den kompakten zusammenhängenden riemannschen Flächen und .
Dann gilt für die Geschlechter die Beziehung
Dies folgt aus Lemma 31.7, Satz 30.10 und Lemma 19.20.
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung auf einer kompakten zusammenhängenden riemannschen Fläche .
Dann gilt zwischen dem Geschlecht von , dem Grad von und dem Verzweigungsdivisor die Beziehung
Dies folgt unmittelbar aus Satz 31.8 und Lemma 27.2.
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung von der projektiven Geraden in sich.
Dann gilt zwischen dem Grad von und dem Verzweigungsdivisor die Beziehung
Beweis
Die folgende Aussage kann man auch mit
Aufgabe 31.7
erhalten.
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung zwischen den kompakten zusammenhängenden riemannschen Flächen und .
Dann gilt für die Geschlechter die Abschätzung
Wegen der Effektivität des Verzweigungsdivisors besitzt dieser einen nichtnegativen Grad und daher folgt aus Satz 31.8 direkt
und somit die Behauptung.
Die folgende Aussage heißt Satz von Lüroth.
Es sei eine nichtkonstante holomorphe Abbildung, wobei eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche sei.
Dann ist ebenfalls die projektive Gerade.
Nach Lemma 27.2 ist
somit ist nach Korollar 31.11 auch . Mit Lemma 27.3 ergibt sich wiederum, dass biholomorph zu ist.
Es sei eine Überlagerung zwischen kompakten zusammenhängenden riemannschen Flächen und .
Dann ist ein Isomorphismus oder oder .
Unverzweigt bedeutet mit Lemma 31.6 (2), dass der Verzweigungsdivisor trivial ist und damit insbesondere den Grad besitzt. Aus Satz 31.8 ergibt sich die Bedingung
Dies führt zu den angegebenen Möglichkeiten.
Auf einem komplexen Torus ist die Multiplikationsabbildung
eine Überlagerung vom Grad , da jeder Punkt genau Bildpunkte besitzt, vergleiche Lemma 8.14. Ein solches Verhalten ist nach Satz 31.8 nur bei Geschlecht möglich.
Die Operation der Gruppe auf der Sphäre , bei der das nichttriviale Element antipodale Punkte ineinander überführt werden, ist fixpunktfrei. Daher liegt nach Satz 7.10 eine Überlagerung
vor. Nach Korollar 31.13 in Verbindung mit Lemma 27.2 kann diese Operation (also die Antipodenabbildung) nicht holomorph sein. In der Tat ist der Quotient keine riemannsche Fläche, sondern die nicht orientierbare reell-projektive Ebene , vergleiche Lemma 5.10.
- Hyperelliptische Kurven
Jede kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche besitzt nach Satz 26.3 eine endliche holomorphe Abbildung
Man kann sich fragen, was dabei der minimale Grad ist, mit dem man oberhalb der projektiven Geraden realisieren kann. Grad ist nur bei einem Isomorphismus möglich, also wenn selbst die projektive Gerade ist. Riemannsche Flächen vom Geschlecht (also komplexe Tori bzw. elliptische Kurven) lassen sich durch eine endliche holomorphe Abbildung vom Grad realisieren, siehe etwa den Beweis zu Satz 26.2. Es gibt aber auch kompakte riemannsche Fläche von einem Geschlecht , die sich mit Grad realisieren lassen.
Eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche heißt hyperelliptisch, wenn es eine endliche holomorphe Abbildung
vom Grad gibt und das Geschlecht von ist.
Beispiele ergeben sich aus Korollar 2.8, Lemma 9.5 und Lemma 14.13. Viele Aussagen wie auch die folgende über hyperelliptische riemannsche Flächen gelten in der Regel erst recht auch für elliptische riemannsche Flächen, entscheidend ist die Existenz der Abbildung vom Grad .
Es sei eine hyperelliptische riemannsche Fläche mit einer endlichen holomorphen Abbildung vom Grad .
Dann gilt für das Geschlecht und den Verzweigungsdivisor von die Beziehung
Beweis